Kapitel 29

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Es war ziemlich dunkel.

Fluchend rappelte ich mich auf und sah mich um. In welcher Zeit auch immer ich mich nun befand, momentan erinnerte das Zimmer in keiner Weise an ein gemütliches Schlafzimmer. Überall türmte sich das Gerümpel und ich konnte von Glück reden, dass ich auf einem freien Stück Boden gelandet war und nicht beispielsweise auf dem Haufen alter Kleiderbügel dort hinten in der Ecke. Das wäre nämlich wirklich nicht angenehm gewesen.

Es schien sich in dieser Zeit um ein vollkommen überfülltes Ankleidezimmer zu handeln.

Ich versuchte, einen Blick aus dem Fenster zu erhaschen, um so eventuell Aufschluss über das Jahr zu erhalten, doch das stellte sich leider als unmöglich heraus. Irgendjemand hatte die Intelligenz besessen, einen großen Kleiderschrank davorzustellen, der den Großteil des Lichts abschirmte.

Na super! Hoffentlich saß ich nur ein paar Minuten in dieser Höhle fest.

Seufzend sah ich mich nach einer Sitzgelegenheit um, doch wurde nicht recht fündig. Die Truhe dort hinten schien schon zu ächzen, wenn ich sie nur ansah. Was wohl darin war? Wahrscheinlich auch nur jede Menge Kleider.

Da ich sowieso nichts Besseres zu tun hatte, begann ich mir einen Weg durch die Kleidung zu bahnen und nahm sie unter die Lupe, was sich in der Dunkelheit als gar nicht so leicht herausstellte. Nichtsdestotrotz fielen mir eine Menge farbenfrohe Gewänder ins Auge. Ohne Frage, das hier war das Rokoko.

Eine Viertelstunde später fand ich mich in einem dunkelgrünen Kleid wieder und drehte mich vor einem kleinen Standspiegel. Das war jetzt das fünfte Kleid, das ich angezogen hatte und bis lag es ganz klar vorn. Allerdings trug ich noch immer meine normale Kleidung darunter, die in meinem Ausschnitt und am Ende der Ärmel hervorblitzte. Vielleicht konnte ich das Kleid mitnehmen, um Madame Rossini ein paar Anregungen zu geben. Als ich mir Falks Reaktion darauf vorstellte, musste ich grinsen.

Ich suchte weiter und entdeckte eine unglaublich hässliche weiße Perücke, unter die ich meine Haare quetschte und mich dann wieder im Spiegel begutachtete. Meine Stirn war komplett unter der weißen Lockenpracht verschwunden. In einer kleinen Truhe fand ich eine halbmondförmige Brille, die ich ebenfalls aufsetzte. Und zu guter Letzt wickelte ich mir einen roten Wollschal um den Hals, der meinen Mund vollkommen verdeckte. Et voilà. Wenn Madame Rossini mich so sehen würde, würde sie vor Schreck in Ohnmacht fallen.

Langeweile war ganz eindeutig nicht gut für mich.

Oh Mann, wann sprang ich nur endlich zurück? So lange hatte ein ungewollter Zeitsprung bis jetzt noch nie gedauert. Seufzend ließ ich mich nun doch auf der Kiste nieder, die zwar bedenklich knatschte, aber zu meiner Erleichterung nicht in sich zusammenbrach.

Gerade, als ich meine Gedanken nicht länger im Hier und Jetzt beschäftigen konnte und sie drohten, wieder zu den heutigen Ereignissen zurückzuschweifen, ertönte ein Poltern zu meiner Rechten und ich sprang erschrocken von der Kiste auf. War die ganze Zeit über noch jemand im Raum gewesen? Das konnte doch nicht sein, ich hatte mich gründlich umgesehen.

Dem Poltern folgte ein Stöhnen und ich traute meinen Augen kaum, als ein dunkler Lockenkopf hinter einem Stapel Kleider hervorkam und mich zwei tiefgrüne Augen fixierten.

„Gideon!", rief ich verwundert und eilte auf ihn zu, um ihm aus dem Gewühl herauszuhelfen.

„Mein Gott, ich dachte schon, ich muss hier die ganze Zeit alleine rumsitzen. Aber woher wusstest du, in welche Zeit . . ."

Weiter kam ich nicht, denn ein paar bedeutende Dinge waren zu mir durchgesickert.

Erstens: Es war zwar unbestreitbar Gideon, doch er wirkte jünger als ich ihn kannte.

ObsidianschwarzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt