Ein Schmerz und eine Kehle

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POV Basti

Die Show in Köln lief ganz ok. Sudden schien gut gelaunt, Tim und Lukas auch. Dies hieß dann, dass ich mich ein bisschen zusammenreissen musste und auch mal positiv sein sollte. Morgen ging es endlich zurück nach Berlin - also für alle bis auf Tim natürlich, der nach Bielefeld fuhr. Endlich weg von Köln. Köln war für mich eine schwierige Stadt. Ich dachte an meine Teenagerjahre und an sie. Auch wenn es als unmöglich scheint - mir hat vor vielen Jahren ein Mädchen mein Herz gebrochen. Wir waren nur ein paar Monate zusammen, machten viele schwierige Zeiten durch und am Ende machten wir uns nur gegenseitig kaputt. Während ich an die Vergangenheit dachte, schaute ich auf mein Handy. 23:26. Ich war früh auf mein Hotelzimmer gegangen, die anderen Jungs waren noch feiern oder ficken oder sonst was. Als ich da auf dem Bett lag, überkam mich eine ungewohnte Traurigkeit. So kannte ich mich selber gar nicht. Erst dachte ich, ich hätte die falschen Drogen genommen und wär deshalb so depri drauf, aber dann erinnerte ich mich. Sie hatte mir geschrieben. Nach jahrelanger Funkstille hatte sie mir eine E-Mail geschrieben. Ich wusste sofort, dass es sie war, noch bevor ich die Nachricht öffnete.

Hallo Sebastian,

ich schreib dir hier einfach mal. Ich habe gehört, dass du mit deiner Band nach Köln kommst. Wie du weisst, bin ich ja auch hier. Ich würde mich gerne mit dir treffen. Wir haben uns so lange nicht mehr gesehen und ich habe das Gefühl, dass wir uns nie über das Geschehene von vor ein paar Jahren ausgesprochen haben. Ich würde mich sehr über eine Nachricht freuen.

Deine Julia

Ich wollte sie eigentlich nicht sehen. Nicht nach allem, was wir durchgemacht hatten. Die Beziehung zwischen Julia und mir war eigentlich nie gut gewesen. Wir waren beide Sturköpfe und trafen somit regelrecht ständig aufeinander. Meinungsverschiedenheiten, schlechte Laune oder einfach nur so: dies waren die Gründe für unsere ständigen Diskussionen, die nicht selten mit Handgreiflichkeit beiderseits endeten. Was noch dazu kam, war dass wir uns gegenseitig betrogen, und jedes mal, wenn es passierte, tat der Schuldige so als wäre es die Schuld des anderen. Um die ganzen Gefechte wieder gut zu machen, koksten wir zusammen, fickten und gut war's. Und am nächsten Tag würde die gleiche Scheisse wieder von vorne losgehen.

Argh, zu viele Gedanken auf einmal! Ich entschied mich, Julia zurückzuschreiben. Vielleicht sollten wir doch uns wie Erwachsene benehmen und das Ganze aussprechen.

Kurze Zeit später bekam ich eine E-Mail zurück. Julia war auf dem Weg ins Hotel und würde mich in 10 Minuten unten an der Rezeption treffen. Ich machte mich fertig und bemerkte, dass sie mich so fett noch nie gesehen hatte. Als ich im Aufzug stand, wurde ich plötzlich nervös. Was, wenn wir uns wieder anschrien? Wieder gegenseitig beschuldigten? Zu mehr Gedanken kam ich nicht, da sich die Aufzugstür schon öffnete.

Ich sah sie schon von Weitem. Sie war extrem konservativ gekleidet. Enger Rock, schwarze Bluse, Haare hochgesteckt. Ich war nur noch ein paar Meter von ihr entfernt, bis sie aufschaute.

„Hallo Sebastian."

„Hi."

„Fett biste geworden!" Sie war charmant wie eh und je. Recht hatte sie ja.

„Komm, gehen wir was trinken." Ich sagte nicht nein, und folgte ihr in die Hotelbar. Sie bestellte doppelten Vodka, ich Tequila. Anscheinend war das Ganze auch für sie nicht einfach. Wir redeten viel, über alles und über nichts, aber vor allem nicht über uns. Irgendwann hörte sie auf zu lachen und schaute mich an.

„Was ist los?", fragte ich.

„Gehen wir auf dein Zimmer." So wie damals. Ich nickte und exte meinen Drink. Im Aufzug waren wir komplett still. Ich hatte keine Ahnung, was passieren würde - Julia war immer schon unberechenbar gewesen. Bei meinem Zimmer angekommen, schloss ich die Tür auf, ging als Erster hinein (wie der Gentleman, der ich bin) und schon fiel sie über mich her. Ich konnte gerade noch die Tür schliessen, bevor sie sich auszog.

Später

Keuchend lagen wir nebeneinander. Julia zündete sich eine Zigarette an und gab sie mir nach ein paar Zügen, bevor sie sich auf die Seite zu mir herüber lehnte.

„Erzähl mal von deiner Band."

„Was gibt's da zu erzählen? Wir machen deutschen HipHop gemischt mit schönen Hooks gesungen von unserem Goldkehlchen Alligatoah."

„Hast du auch einen Spitznamen?", fragte sie mich und legte ihre Hand auf meinen Arm.

„Der Sahnige".

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Jetzt haben wir auch mal die softere Seite von Basti kennengelernt. Eine kleine Anmerkung: das „Fett biste geworden" hab ich von Enissa Amani und fand, dass das ganz gut hier rein passen würde. Ansonsten nennt sich Basti ja eh immer ganz gerne „der Sahnige".

Titel: Ein Schmerz und eine Kehle - Jennifer Rostock


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