Narben

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POV Lukas

Ich hatte mein Handy ausgeschaltet, nachdem ich Timi's Haus verließ. Ich wollte eigentlich mit niemanden reden. Außerdem wollte ich Tim etwas Angst einjagen, keine Ahnung warum. Klar, die ganze Aktion von mir war etwas sadistisch und ziemlich gemein, jedoch hatte mich sein Benehmen gestern richtig angekotzt. Es fiel ihm schwer, auf die Gefühle anderer zu achten. Er war schon ziemlich egoistisch - doch das wusste ich ja schon, bevor wir diese Beziehung angefangen hatten. Und ich konnte manchmal auch etwas aufbrausend sein. Ich war mir nicht wirklich sicher, was ich hier eigentlich erreichen wollte. Wollte ich, dass er weinend zuhause saß und auf mich wartete? Dass er sich betrank (weil er das wahrscheinlich machen würde)? Dass er jemanden wie Basti anrufen würde und deren Hilfe gebrauchte? Ich war mir nicht sicher. Ich fuhr mit dem Auto in ein Café in der Stadt und blieb dort ein paar Stunden lang. Ich bestellte einen Kaffee nach dem anderen, um nicht allzu sehr aufzufallen da mich die Kellner schon seltsam anschauten, wie ich da so saß, mit Stift und Papier (also nicht mal mit einem Tablet), alleine, konzentriert. Irgendwann konnte ich nicht mehr dasitzen und schaltete mein Handy an. Zwanzig Nachrichten und zehn Anrufe von Tim, drei Anrufe von Basti. Ich seufzte, packte meine Sachen ein und zahlte. Dann fuhr ich wieder zurück zu Tim.

POV Tim

Irgendwann wachte ich auf der Couch auf, da ich halb auf den Boden gerutscht war. Eine Decke lag auf mir - komisch, wer hatte mich denn zugedeckt? Lukas. Ich sprang auf so gut es ging, und legte mich fast auf die Fresse. Dann wankte ich in die Küche,in der es nach Knoblauch, Tomaten und Basilikum roch. Da stand er, mit dem Rücken zu mir.

„Wo warst du?" Oh, das klang etwas barscher als es klingen sollte. Er schreckte zusammen.

„Ich war weg."

„Das hab ich gemerkt. Mann, Lukas, ich dachte du hättest mich verlassen! Ich hab echt Angst gehabt!" Ich ging zu ihm hin, nahm ihm den Löffel aus der Hand und umarmte ihn. Er fing an zu schniefen und kurz darauf wurde meine Schulter nass. Ich drückte ihn weg und schaute ihn an.

„Schatz, ich bin doch derjenige, der hier weinen sollte!" Ich wischte mit dem Daumen seine Tränen weg.

„Tim, es tut mir so leid! Ich wollte dir das nicht antun. Ich wollte nur..."

„Was? Was genau wolltest du denn? Einfach abhauen, damit ich dachte, du wärst für immer weg? Wieso hast du nichts gesagt? Wieso bist du nicht an dein verficktes Handy gegangen? Verdammte Scheisse, Lukas! Ich hab mir echt Sorgen gemacht." Er schaute mich traurig an. Er schien mit Konflikt nicht gut umgehen zu können, vor allem, wenn er gleich abhaute nach so kleinen Streitigkeiten wie gestern. Er ging zum Tisch und setzte sich. Betrübt sah er auf den Boden. Ich wusste nicht wirklich, was ich machen sollte, also ging ich zu ihm rüber und setzte mich auf seinen Schoß, was mir als erwachsener Mann zwar etwas seltsam vorkam, jedoch machten wir das eh immer im Trailerpark, von dem her war es nicht...abnormal. Lukas schlang seine Arme um meinen Bauch und vergrub sein Gesicht in meiner Schulter. Ich musst mich ziemlich verdrehen um seinen Kopf so gut es ging zu küssen.

„Ich liebe dich", nuschelte er.

„Ich liebe dich auch, aber bitte mach nie wieder solche Aktionen!"

„Ich wollte nur sehen, wie du...also wie du reageren würdest...weil...ich weiß nicht. Du bist mir gestern Abend nicht mal hinterhergelaufen. Ich hatte das Gefühl, es sei dir egal. Und dann bin ich aufgewacht und du warst immernoch nicht da. Mann, Tim, ich wollte doch, dass du bei mir bleibst! Dass du zu mir herkommst, mich umarmst..." Achso...so klar war das gestern jetzt nicht.

„Aber...als ich vor der Tür stand, wolltest du, dass ich weggeh." Er bewegte sich etwas, weil ich wahrscheinlich ein bisschen zu schwer für ihn wurde.

„Aber das wollte ich doch gar nicht!" Lukas presste die Lippen zusammen.

„Mensch, Lukas! Du bist manchmal echt unmöglich!" Ich stand auf und ging auf den Balkon, wo ich mir eine Zigarette anzündete. Ich drehte mich um: Lukas saß immernoch auf dem Stuhl wie ein Häufchen Elend. Plötzlich tat mir alles leid. Er war zwar nicht ganz unschuldig, jedoch war die ganze Streiterei satt. Ich schnippte die Zigarette vom Balkon und ging ins Bad und ließ heißes Wasser und etwas Badeschaum in die Wanne fließen. Bäder halfen mir immer, mich zu entspannen und mit Lukas dabei würde alles besser werden. Als die Badewanne voll war, ging ich zu meinem Freund, der sich nicht vom Fleck bewegt hatte. Ich nahm dessen Hand und zog ihn zu mir hoch. Anfangs sträubte er sich noch, doch irgendwann lies er nach. Als wir im Bad angekommen waren, zog ich ihm die Klamotten aus, was er zuließ, sich jedoch schlapp wie ein krankes Kind machte und ich wirklich jeden Schritt selber machen musste. Er saß schon in der Wanne, als ich mich auch ausgezogen hatte und ich stieg zu ihm hinein.

„Komm her." Ich machte eine Geste, die zeigte, er solle sich an mich lehnen, was er dann tat. Ich küsste seinen Kopf und streichelte seinen Bauch. Lukas hatte seine Augen geschlossen und war komplett still. Nach dem Bad trocknete ich ihn ab und ging ins Schlafzimmer, während ich ihn hinter mir herzog. Wir legten uns aufs Bett, Lukas rollte sich sofort zusammen, ich legte mich hinter ihn und umarmte ihn. Mit der linken Hand hielt ich seine, mit der anderen fuhr ich durch seine Haare. Ich liebte seine Haare. Ich küsste ihn immer wieder und drückte mich näher an ihn.

„Willst du mich haben, dann brauchst du Narben", flüsterte ich in sein Ohr.

Titel: Narben - Alligatoah




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