1 - Fabian

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Das Trommeln des Regens an meinem Fenster wurde lauter. Draußen tobte ein Sturm und der heftige Landregen ergoss sich schon seit Stunden über dem kleinen Dorf.

Ich mummelte mich fester in meine warme Bettdecke. Es war erst kurz vor sieben und Samstag. Ich schloss die Augen und versuchte mich an meinen Traum zu erinnern. Doch es gelang mir nicht. Eine weitere heftige Böe klatschte die dicken Tropfen gegen mein nur halb verschlossenes Fenster, welches nun dem Druck nachgab und sich quietschend einen Spalt weit öffnete.

Seufzend schlug ich die Decke zur Seite und setzte gähnend meine Füße auf dem kalten Boden ab. Die alten Dielen ächzten bei jedem Schritt als wollten sie gegen mein viel zu frühes Aufstehen protestieren.

Ich schloss mein Fenster und wollte mich gerade wieder hinlegen, als mein Blick sich in etwas hinter der leicht beschlagenen Scheibe verfing.

Ich öffnete das Fenster erneut und spähte hinaus. Da entdeckte ich sie, eine Gestalt, ein Mädchen, welches über die weitläufige Wiese humpelte. Die ihr im Gesicht klebenden langen Haare und ihre dreckigen Kleider trieften vom strömenden Regen, sie zog ein Bein in einem komisch verdrehten Winkel hinter sich her und immer wieder fiel sie in die matschige Wiese. Sie kam nur sehr langsam voran und wirkte verzweifelt und schwach.

Jetzt hellwach lief ich ins Zimmer nebenan zu meiner kleinen Schwester Leila, die samstags immer schon lange vor mir auf den Beinen war.

"Da draußen am Waldrand ist ein Mädchen!", rief ich und zeigte aufgeregt nach draußen. Leila sprang auf, ließ ihre Puppe fallen und kletterte leichtfüßig auf den niedrigen Fenstersims hinauf.

"Wo?", fragte sie, während sie ihre Nase an der Scheibe plattdrückte.

Ich blickte wieder nach draußen, doch außer Leilas kondensiertem Atem auf der Scheibe war nichts mehr zu sehen.

Das Mädchen im Regen war verschwunden.

Regenkinder (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt