3 - Fabian

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Fabi hat heute am Waldrand ein Mädchen gesehen.", grinste Leila mit schokoladenverschmierten Mundwinkeln, "Behauptet er zumindest."

Ich warf Leila vielsagende Blicke zu, die sie zum Schweigen bringen sollten, doch meine Mutter kam ihr dann ohnehin zuvor;

"Bei dem Regen?", fragte sie skeptisch, während sie reichlich Zucker in ihren Kaffee schaufelte, "das hast du bestimmt wieder nur geträumt."

Ich unterbrach den Versuch die Marmelade um die Löcher im Brot herumzuschmieren um etwas zu erwidern, doch im selben Moment wurde mir bewusst, dass meine Mutter es sowieso nur für kreative Ergüsse meiner Fantasie abtun würde und schloss den Mund wieder ohne etwas gesagt zu haben.

Wenn dieses Mädchen wirklich dagewesen wäre, wie hätte sie so schnell wieder verschwinden können, wenn sie vorher so langsam war? Wieso sollte jemand in den Wald zurückgehen, wenn er so aus dem Wald kommt? Wieso sollte ein verletztes Mädchen plötzlich aus dem Wald auftauchen? Ich war mir sicher, dass ich wach gewesen war. Die Geschichte war keine Erfundene, aber sie wies mindestens genauso viele Lücken in der Logik auf wie mein Frühstücksbrot Löcher hatte.

"Und sein Fenster hat er auch offen gelassen", plapperte Leila weiter. "In seinem Zimmer ist eine riesige Pfütze! Riiiiesengroß Mama."

"Fabian?"

"Ja, da ist eine Pfütze, aber das Fenster ist undicht, das weißt du doch.", verteidigte ich mich schnell.

"Und du hast es offengelassen.", fügte Leila besserwisserisch hinzu.

"Hab ich nicht."

"Hast du wohl."

"Nein hab ich nicht!"

"Dooooch!"

"Neeein!"

"Dooooooch!"

„Lüg doch nicht!", schrie ich so genervt wie mich nur meine doofe kleine Schwester machen konnte und im selben Moment lief mir durch das dazugehörige Herumfuchteln die Marmelade über die ganze Hand.

„Toll, wegen dir ist jetzt auch noch die Marmelade runtergetropft, na vielen Dank auch!", beschwerte ich mich und starrte böse zur anderen Seite des Tisches.

„Das ist weil du ein Ferkel bist." Sie grunzte. „Und nicht essen kannst. Wie ein kleines Baby."

„Ferkel sind Babys, du wiederholst dich. Im Übrigen bist du..."

"ES REICHT!" Meine Mutter legte mir ein altes Handtuch neben den Teller. "Du putzt das nach dem Frühstück direkt auf und du Leila lässt jetzt endlich einmal deinen Bruder in Ruhe, haben wir uns verstanden?" Sie atmete laut in ihre Kaffeetasse und auch wenn mir noch einige Beleidigungen auf der Zunge lagen wusste ich, dass jetzt ein ungünstiger Zeitpunkt war sie hinterherzuschieben. Also schluckte ich sie hinunter und riss mir stattdessen ein Stück Küchenrolle für meine klebrigen Finger ab.

Schmollend ließ sich Leila von ihrem Stuhl rutschen und verzog sich in ihr Zimmer, natürlich nicht ohne mir beim Vorbeigehen triumphierend die Zunge rauszustrecken. 

Regenkinder (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt