6

101 18 2
                                    

6 - Greta

Als ich aufwachte war es Nacht. Ein Blick aus dem stark beschlagenen Fenster verriet mir, dass es fast Vollmond war und deshalb sowohl die Hütte als auch die Landschaft darum noch einigermaßen gut zu erkennen war.

Die letzte Glut flackerte im Ofen und beleuchtete die wie Pilze aus dem Boden ragenden Möbel.

Meine Augen suchten den kleinen Raum nach Helen ab, doch sie war nirgendwo zu sehen.

Die Schwere von vorhin war wie weggeblasen und ich rutschte an die Bettkante ehe ich ganz aufstand. Es gelang ohne Probleme.

Vorsichtig tapste ich über den rauen Boden zu der metallbeschlagenen Holztür und spähte nach draußen, aber Helen war noch immer nirgends zu entdecken.

Am Himmel funkelten tausende kleine Sterne die sich wie ein Schleier um den satten Mond legten und sich wie Nägel durch die Wolkenfetzen bohrten, die vorüber zogen.

Fasziniert von der Schönheit trat ich hinaus. Ich lief durch die langen Reihen von Beeten vor der Hütte, in denen die verschiedensten Dinge wuchsen. Kräuter, Sträucher, kleine Bäume, Gemüse, auch einige Blumen. Alles sorgfältig gepflegt und sehr liebevoll angelegt. Viele der zahlreichen Pflanzen verströmten auch jetzt bei Nacht noch einen einzigartigen Duft und verfeinerten damit das Aroma der warmen Nachtluft.

Am Ende der Beete erstreckte sich eine große Wiese, die bis über den sternengeschmückten Horizont hinauszureichen schien. Das feuchte Gras schimmerte silberlich im fahlen Mondlicht und lies die Wiese wie verzaubert wirken.

Ich ließ verträumt meine Blicke schweifen, die allerdings schon bald an etwas hängen blieben dass nicht in das harmonische Bild passte. Eine dunkle Gestalt.

Ich lief langsam in ihre Richtung, doch als ich näher kam, erkannte ich, dass es nicht Helen war.

Zuerst lies mich diese Tatsache erschrocken zusammen zucken, doch schon einen Bruchteil einer Sekunde später löste sich diese Anspannung wieder in Luft auf, da mir klar wurde, dass von dieser Gestalt nun wirklich keine Gefahr ausging.

Es war ein kleines Mädchen von etwa 6 Jahren mit einem Teddy im Arm. Sie schien mich zudem gar nicht zu bemerken obwohl ich ganz in ihrer Nähe stand.

"Leeeeeeila? ", hallte auf einmal eine weit entfernt klingende Stimme durch die Nacht.

Die kleine drehte sich um und lief zu einem Jungen, kaum älter als ich selbst, der aus der Dunkelheit hervorgetreten war. Er nahm sie an die Hand und fragte was sie denn da draußen machte.

"Ohne Teddy geh ich nicht ins Bett", maulte sie. Er zog sie an der Hand in die Richtung aus der er gekommen war, bis die beiden plötzlich wie im Nichts verschwanden.

Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken und ich schlüpfte schnell zurück in die warme Hütte.


Regenkinder (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt