Kapitel 29

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MS HELLMAN

Ich hatte in meinem Leben viele Notlagen erlebt, manche waren schwieriger als andere. Alles von mit acht einen Welpen zu verlieren, bis hin zu mit neunzehn ausgeraubt und vergewaltigt zu werden. Aber nichts, nichts ist schlimmer als das Gefühl, dass man bekommt, wenn man seinen eigenen Sohn verbeult und blutunterlaufen, kaum wiederzuerkennen, in seiner eigenen Blutlache liegen sieht. Ich ließ Rosemary sofort mit ihm ins Krankenhaus fahren, doch ich hatte ihn bis jetzt noch nicht besucht. Während ich versuchte die plötzliche Panik und die anstrengenden Fragen, ob er lebte oder nicht, auszublenden, musste ich meine Anstalt leiten. Und ebenso daran arbeiten, sie besser zu leiten, um sicherzustellen, dass so etwas nie wieder passierte. Ich musste jegliches Unheil loswerden, dass die Anweisungen und die Aufrechterhaltung von Wickendale verhindern könnte. Es scheint, als würde ich diesen Ort von nun an eher als ein Gefängnis leiten müssen, anstatt eine psychiatrischen Einrichtung; immerhin waren sie Kriminelle.

Doch ausnahmsweise mal ging es hier nicht um Wickendale. Es ging um meinen Jungen. Meinen wunderschönen, problematischen, kleinen Jungen. Er war fast zweiundzwanzig, für sein Alter war er sehr schlau und trotz allem war ich stolz auf ihn. Und dieses Monster, dieser Harry, hatte ihn beinahe zu Tode geprügelt. Also musste ich natürlich etwas dagegen tun. Irgendwas, um mir ihn und seine kleine Freundin für eine Weile vom Leib zu halten, etwas, dass sie hoffentlich vor dem aufhalten konnte, was auch immer sie versuchten, zu tun. Ich glaube, die Elektroschocktherapie hatte ihren Zweck erfüllt. Ich kann mich immer noch an den gloriosen Moment erinnern, als Schock und Schmerz in den Augen dieses Jungen aufblitzten, als Rose von der anderen Seite der Tür aus schrie und weinte. Dieser Moment gab mir Kraft, er erinnerte mich daran, dass, egal was ich auch tat, ich die Kontrolle hatte. Sie waren schlichtweg Figuren in dem Spiel. 

Und ich würde gerne sagen, dass Harry es verdiente. Ich würde gerne denken, dass er derjenige war, der diese Frauen gehäutet hatte, doch tief in mir drin und auch wenn ich mir es kaum eingestand, wusste ich, dass das nicht der Fall war. James war schon immer anders gewesen, und ich hatte ihn immer gedeckt und für ihn gelogen, während er sich an seine Aktivitäten dranmachte. Er erklärte nie was diese "Aktivitäten" waren, doch der Verleugnung irgendwie zugrundelegen, wusste ich, dass es stimmte. Aber ich versteckte diese Intuition und schloss den Gedanken weg, legte ein komplettes Selbstbewusstsein darüber, dass mein Sohn ein gutes Kind war. Ich weigerte mich, mir und meinem Sohn zuliebe, zu glauben, dass das die Wahrheit war.

Ein kleines Geräusch, eine Regung in dem Krankenhausbett brachte mich aus meinen Gedanken. Das Bett war ganz hinten an der Wand, ein kleiner Schreibtisch an der anderen. Es gab einen Schrank mit Medikamenten an der linken, so wie einen Infusionsständer. James lag unter einer weißen Bettdecke vor mir, während ich wartend in einem Plastikstuhl saß. Er trug eine Halskrause, einen Verband um seine zertrümmerte Nase, einen Eisbeutel an seinem Kopf festgebunden, der regelmäßig ausgewechselt werden musste, eine zerschnittene Lippe und ein scheußlich angeschwollenes Auge. Da waren noch so viele andere Verbände auf seiner Haut und schmerzlindernde Medikamente in seinem Blutkreislauf, doch er schien bei Bewusstsein zu sein. "James," sagte ich. Sein Kopf wiegte zur Seite, als er bestätigend nickte. "Kannst du mich hören?"

"Ja," krächzte er. Er hatte vermutlich noch kein Wasser getrunken. "James, das was du gestern getan hast war völlig unangebracht. Wie konntest du so ein Idiot sein?"

Er schien nicht überrascht oder neugierig zu sein, von was ich sprach. Keine Verwirrung. "Ich wusste..." sagte er flüsternd, hielt dann jedoch inne, um Luft zu holen. "Ich wusste, dass du es tun würdest." Mittlerweile wusste ich genau, was er meinte. Er hatte gewollt, dass Harry ihn zusammenschlug, sodass er bestraft werden konnte. Ich war mir jedoch nicht ganz sicher über seinen Gedankengang, und ich wollte nicht fragen.

Psychotic » German TranslationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt