Kapitel 32

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HARRY

Sicht. Geräusche. Berührung. Geschmack. Geruch. Die geläufigen und üblichen fünf Sinne. Alle von ihnen jeden Tag von deinem Leben durchlebt. Ich hatte jedoch sehr schnell gelernt, dass das nicht alle Sinne waren. Es gab einen weiteren Sinn, der Sinn zu fühlen. Und es war nicht wie der Tastsinn, einen Stoff oder eine glatte Oberfläche zu fühlen. Es war nicht so ein Gefühl, sondern vielmehr irgendetwas in einem drin. Die fünf Sinne schlossen die Erfahrung von vielen Dingen ein, aber keinen Schmerz. Keine Liebe. Keine Angst. Und dieser sechste Sinn, der Sinn zu fühlen, war der Schlimmste von allen, denn es war der einzige, der in meinen Albträumen existierte. Ich erinnere mich nicht an Berührungen, wenn ich aufwache. Ich erinnere mich nicht irgendetwas zu sehen, um Angst hervorzurufen. Ich erinnere mich an keine schrecklichen Geräusche, scheußlichen Geschmäcker oder schlechte Gerüche. Ich erinnere mich nur daran, zu fühlen. Was ich gefühlt hatte wusste ich nicht genau, aber es war etwas Schreckliches. Vielleicht war es der Schmerz, ausgepeitscht zu werden, bis die Haut auf meinem Rücken nichts als ein Durcheinander von blutigen, tiefen Schnittwunden war. Vielleicht war es die entsetzliche Folter, zu spüren, wie jeder einzelne Nerv, Muskel und Knochen in meinem Körper mit stechenden, elektrischen Krämpfen anstieg. Oder vielleicht war es der tiefere Schmerz vom Verlust Nahestehender, was diese Albträume so furchterregend machte.

Der, den ich heute Nacht hatte, war bis jetzt der Schlimmste gewesen. Mein Körper schoss so plötzlich hoch, dass er wehtat, als ein jagender, dröhnender Schrei durch meine Kehle raste. Das einzige was zu hören war, war dieser heisere Schrei von Wahnsinn, der mitten in der Nacht durch die dunklen Flure hallte. Meine Brust hievte und mein Körper war schweißgebadet, heiß mit schlafbedingtem Adrenalin, das durch meine Venen pumpte. Für einen Moment war ich wie gelähmt vor Angst und meine Augen waren geweitet, als sie nach einem flüchtigen Blick von Licht suchten. Ich konnte nichts sehen und alle Ideen wo ich sein könnte, waren abwesend. Doch dann erinnerte ich mich. Wickendale. Ja, da war ich. In meiner Zelle. Es war nur ein Albtraum. Die im Umriss dargestellten Schrecken, die nicht in Erinnerung behalten werden wollten, waren nicht real. Oder vielleicht waren sie es, doch sie waren in dem Moment nicht präsent. Jetzt ging es mir gut. "Scheiße," hauchte ich. Und zusammen mit einer Welle- nein, einem verdammten Tsunami- von Erleichterung, kehrten die Sinne wieder zurück. Ich konnte das Mauerwerk von den nahen Wänden gerade so erkennen und mein weißes Bettlaken kaum sehen. Ich konnte meine Uniform auf dem Boden liegen sehen, hatte mich während der scheinbar heißen Nacht in dem Gebäude, dass extra beheizt wurde, bis auf meine Boxershorts ausgezogen. Unter mir konnte ich die Federn in der Matratze spüren und die Schweißtropfen auf meiner Stirn. Ich konnte meinen faden Atem schmecken und ich konnte mein eigenes Luftschnappen hören. Ich konnte den Schimmel von diesem schmutzigen Ort riechen. Und, am allerbesten, ich spürte keinen Schmerz. Es war das erste Mal, dass ich wirklich glücklich war in dieser Zelle zu liegen, anstatt irgendwo anders.

Es wäre wesentlich besser, wenn Rose neben mir wäre, um meine vagen Ängste zu beschwichtigen und mich wieder zurück in die Realität zu bringen. Doch sie war einen ganzen Korridor entfernt. Ich fragte mich, was sie gerade tat. Hatte sie ebenfalls Albträume? War sie aufgewacht, hatte sich gewünscht das ich neben ihr läge? Oder hatte sie Glück gehabt und Schlaf gefunden? Es gab keine Möglichkeit das herauszufinden, also war alles was ich tun konnte mich an die kalte Wand zu lehnen, das Bettlaken um meine Fäuste gekrampft, als ich mein Bestes versuchte, wach zu bleiben.

ROSE

Das Wort, dass oft für diesen gegenwärtigen Zustand von mir und Harry benutzt wurde, war dieses; Ratlosigkeit. Da sie in diesem Wort im Überfluss zu sein schien, strahlten wir sie aus. Wir waren nicht nur ratlos in dem Wissen in Liebe, sondern auch in Umgehung. 

In den intimeren Ebenen von der Realität, wo Präsenz gefordert war, war die Liebe das worum man sich kümmern musste. Ich war von diesem mysteriösen Zauber nie verzaubert worden, und Harry nur einmal. Doch in Anbetracht dessen, dass es dieses Mal andere Umstände waren, waren wir beide Fremde für dieses Gefühl. Und, trotz dem was alle sagen, war die Liebe bis jetzt auf schöne Weise einfach gewesen. Diese Tatsache von der Liebe hätte mich beruhigen sollen, da sie die meisten akzeptieren und nutzen, um sich mit Zufriedenheit zu erfüllen. Doch es gab eine andere Ebene von Realität.

Psychotic » German TranslationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt