Psychotic » German Translation

Kapitel 30

HARRY

In den debilen Tagen, die sich auf ungefähr eine Woche beliefen, war ich zu der Schlussfolgerung gekommen, dass ich nicht den Verstand verlor, wie ich es zuvor festgelegt hatte. Ich war lediglich in einem Wirbel von schrecklichen Erinnerungen und verschwommener Realität verwirrt gewesen. Ich dachte nur, dass ich meinen Verstand verlor, wenn ich mich in Wirklichkeit in ihm verloren hatte. Aber langsam wurde der Dreck weggewischt und das Durcheinander wurde klar. Mit jeder vorübergehenden Sekunde, in der ich Rose und ihre völlig schreckliche Uniform betrachtet hatte, wurde eine Erinnerung aufgerüttelt. Wenn ich zum Beispiel auf ihre Lippen schaute und mich plötzlich  klar daran erinnern konnte, wie ich sie in einer dunklen Zelle geküsst hatte, als wir ausnahmsweise mal allein waren. Auf dieses schreckliche, blaue Outfit zu starren, erinnerte mich an sie in einem noch schlimmeren, verblasstes Weiß mit unpassenden, kurzen Ärmeln und einer seltsamen Form. Doch ich erinnerte mich ebenfalls daran, dass der Kragen ein bisschen zu kurz geschnitten war und der Saum ein klein wenig zu kurz war, was es an ihr nicht so schlimm aussehen ließ. Ich erinnerte mich an ihre Augen, als ich ihn sie blickte, um zu sehen, wie meine Worte sie beeinflussten. Ich erinnerte mich daran, wie sie geschockt, ängstlich, verwirrt, fröhlich, bewundernd und alles ähnliche waren.

Und mit diesen Erinnerungen an sie kamen mehr Erinnerungen, die sie involvierten, und mehr Erinnerungen, die diese Erinnerungen involvierten. Bald machte ich eine langsame Rückkehr zu dem, was beinahe Normalität war. Beinahe. Es war jedoch immer noch etwas da. Etwas in meinem Hinterkopf, dass an meinen Gedanken knabberte, auf meinen Gefühlen und Impulsen herumhackte. Als würde eine Erinnerung an die Elektrizität, die jeden Nerv und jeden Muskeln durchwog, langsam zurückkehren. Da war ein leicht nervöses Gefühl, wie wenn man kurz davor ist eine aufregende Achterbahn zu fahren, außer das es dieses Mal mit verhängnisvolleren Nerven war. Und ich fühlte mich verängstigt, anstatt aufgeregt.

Aber das war okay, denn ich wusste, dass diese grausame Bestrafung ein paar Nebenwirkungen haben würde. Und ich konnte mit den impulsiven Wellen von seltsamer Ängstlichkeit umgehen, denn wenigstens erinnerte ich mich daran. Ich erinnerte mich an Rose und alles was wir waren, alles was ich fühlte, wenn ich bei ihr war. Ich erinnerte mich ebenfalls an James und meinen Hass auf ihn. Ganz zu schweigen von seiner monströse Mutter. Bilder von meiner eigenen Familie bahnten sich ebenso ihren Weg in meine Gedanken, auch wenn diese Erinnerungen womöglich besser vergessen geblieben wären.

All diese Dinge begannen langsam die Teile zusammenzufügen, und ich war beinahe bei einem vollständigen Puzzle. Doch ein paar Teile fehlten immer noch; wie die willkürlichen, unbekannten Impulse. Und die Albträume. Die Albträume waren das Schlimmste. Wie eine Silhouette von einem Grauen, ein schwaches Bild von einer meiner tiefsten Ängsten. Außer dass ich in diesen Albträumen noch nicht einmal wusste, was Angst war. Die Erinnerungsblöcke waren das Stärkste in meinen getrübten Träumen, und die Tatsache, dass ich überhaupt nicht wusste was mich verfolgte, machte es wesentlich beängstigender.

Aber noch schlimmer war es, als die Albträume klarer wurden. Ich träumte von Dingen, wo ich es hasste, mich an sie zurückzuerinnern, es hasste überhaupt darüber nachzudenken. Also entschied ich das nicht zu tun und zündete stattdessen eine Zigarette an, steckte sie zwischen meine Lippen. Oh ja, das war gut. Ich musste von diesen verdammten Sachen loskommen, das wusste ich. Nur nicht heute. Heute war es zu zufriedenstellend.

Ich lehnte meinen Kopf an die Wand, saß mit hochgelegten Beinen auf dem quietschenden Bett. Ein Rauchschwall verteilte sich in der Luft, bemalte sie kurz mit einem scheußlichen Weiß, ehe er verschwand. Als er verschwand blieben nur noch die dunklen, schmutzigen Wände und die Bilder von meinen schrecklichen Albträumen übrig, die darüber tanzten.

ROSE

Der einzige Mensch, den ich an diesem einsamen Ort hatte, fand langsam wieder zu sich zurück. Sein Lächeln war voll und wieder einmal überwältigend, und ich sah zu, wie seine trüben Augen über endlose Tage hinweg heller wurden. Harry war so kurz davor wieder Harry zu werden. Natürlich wurden immer noch Fragen gestellt und Verwirrung war immer noch in der Falte zwischen seinen Augenbrauen zu sehen, doch seine Sätze waren flüssig. Er sprach mit dieser vertrauten, schokoladig tiefen Stimme und hatte sogar ein paar sarkastische Kommentare gemacht.