Monika. Beltane.

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Monika vergrub sich unter ihrem Kopfkissen. Wütende Tränen hatten es längst durchnässt. Draußen trommelte der Regen im Takt ihrer Schluchzer gegen die Fensterscheibe. Schamesröte schoss ihr immer wieder in die Wangen, wenn sie an die Zurechtweisung dachte, die sie so eben von Anna erhalten hatte und auch, wenn ihr der morgendliche Streit mit Britta mit all seinen Details in den Sinn kam. Immer wieder sah sie Tomos Blick vor sich, und immer wieder gab es ihr einen fiesen Stich.

Sie liebte diesen Mann seit sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Es war bereits ein Jahr her – stellte sie verwundert fest – dass er völlig nass geregnet vor ihrer Tür gestanden hatte, wie ein streunender Straßenköter.

Damals hatte sie ihm die Tür aufgemacht, denn außer Joseph war sie die Einzige im Haus gewesen. Er erklärte ihr, dass er einen Aushang im Supermarkt gesehen habe, bei ihnen sei ein Zimmer zu vermieten, und dass er dringend eine Bleibe brauche.

Sie hatte ihn erst einmal herein gebeten, ihm einen Tee gekocht, ein Handtuch gegeben, und die Gelegenheit, sich aufzuwärmen. Ein wirkliches Gespräch war nicht aufgekommen, und so hatte sie ihm das Zimmer gezeigt und den Garten. Er ließ sich nicht anmerken, ob ihm das alles gefalle; fast machte er den Eindruck, als hätte er wirklich jegliches Zuhause akzeptiert, wenn er nur nicht wieder in den Regen hinaus musste. Im Flur hatte sein großer blauer Treckingrucksack eine Pfütze auf dem Laminat hinterlassen.

Anna hatte später ein längeres Gespräch mit ihm geführt. Worum es dabei gegangen war, hatte Monika nie erfahren.

Das Ergebnis war jedenfalls gewesen, dass er noch am selben Tag bei ihnen einzog. Und darüber war sie beileibe nicht böse gewesen. Fortan hatte sie einen großen Teil ihrer Zeit damit verbracht, Tomo auf eine stille, vorsichtige Weise zu beobachten. Niemals wäre sie dabei jedoch derartig dreist geworden wie Britta.

Wieder stieg ein Schluchzer ihre Brust hinauf, gerade als sich der Tränenfluss etwas beruhigt hatte.

Er hatte Britta auch noch verteidigt! Gegen sie, die ihn ja nur hatte beschützen wollen.

Einem Teil von ihr war längst klar, dass ihre Gedanken irrational, lächerlich und unfair waren, aber noch hielt die Wut sie davon ab, das auch einzusehen.

Ach, wie vermisste sie Karim in diesem Augenblick! Er hätte ihr mit seiner wunderbar ironischen Art den Kopf gewaschen, wie er es immer getan hatte, wenn sie sich daneben benahm. Sie hätte schließlich über sich selbst lachen müssen, und alles wäre halb so schlimm gewesen. Aber Karim war nicht mehr da, und seit ihr bester Freund fort war, war sie ziemlich einsam gewesen. Und erst recht, seit Britta da war, und dessen Platz in der WG eingenommen hatte.

Karim war vor zwei Monaten nach Ägypten zurückgegangen, um seiner Mutter beizustehen, denn sein Vater lag im Sterben. Für ihn als schwulen Liberalen war das eine wirklich schwierige Entscheidung gewesen. Zu allem Überfluss hatte er auch noch deutsches Recht studiert, womit er im Ausland nicht besonders viel anfangen konnte. Bestenfalls konnte er juristische Texte übersetzen, oder wenn er außergewöhnlich viel Glück hatte, in der deutschen Botschaft unterkommen.

Monika hoffte manchmal immer noch, einen Anruf von ihm zu bekommen, in dem er ihr mitteilte, dass nun alles geregelt sei und er zurückkomme. Aber sie wusste, dass ein solches Ereignis, wenn überhaupt, dann erst in einer einigermaßen fernen Zukunft stattfinden konnte. Er als ältester Sohn hatte nunnimmerhin seine Mutter und seine vier Geschwister zu versorgen.

In der Küche hörte sie die anderen lachen. Sie stand auf, und stellte sich auf den kleinen lila-farbenen Balkon, der zur Straße hinunter ging, um sich eine Zigarette anzuzünden. Es nieselte nur noch und die Luft roch schwer und frühlingsnass. Seufzend nahm sie ihr Handy zur Hand und ging die Telefonliste durch. Mit wem könnte sie den Abend verbringen?

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