Alles war wie immer, nichts hatte sich verändert außer mir. Ich saß lange auf einem Felsen und starrte auf mein Zuhause, oder zumindest auf das Haus, von dem ich dachte es wäre mein Zuhause. Aber erst jetzt wurde mir klar, dass ich mir all die Jahre etwas vorgemacht hatte. Das hier war nie mein Heim gewesen und wird es auch nie sein. Auch wenn sie es nie wirklich gesagt hatten, so war ich hier dennoch unerwünscht. Ich passte einfach nicht in das Gesamtbild der schönen, perfekten Familie. Ich war zu hässlich gewesen. Meine Familie hatte nie gemerkt, wie sehr ihre Worte und ihre Abneigung mich verletzt hatten. Würde meine Mutter noch leben, wäre sicher alles anders gekommen. Für sie waren wir alle etwas Besonderes, jede auf ihre eigene Art und Weise. Sie liebte uns bedingungslos und ging nicht nach unserem Aussehen, wie mein Vater. Doch dann starb sie, ganz plötzlich, zusammen mit unserem ungeborenen Geschwisterchen. Mein Vater hatte lange um sie getrauert, er hatte sie aufrichtig geliebt. Doch er klammerte sich mehr an meine Schwestern und ließ mich links liegen. Gerade in dieser Zeit hätte ich einen Vater gebraucht, der mir zur Seite stand, mich tröstete, mir über diesen Verlust hinweghalf. Doch er war nicht da, nie wenn ich ihn gebraucht hatte. Diese Tatsache machte mich wütend, sogar sehr wütend, dass ich mich am liebsten sofort rächen wollte. Doch ich musste mich gedulden. In einem Moment der Unvorsichtigkeit würde ich zuschlagen. Ich würde ihm das liebste rauben, das er auf der Welt besaß und gnadenlos umbringen - meine Schwester April.
Ich schwamm auf das Schloss zu, indem ich meine Kindheit verbracht hatte. Am Eingangstor wurde ich von den Wachen aufgehalten.
„Wer bist du?", grölte einer. Natürlich erkannten sie mich nicht, jetzt da ich komplett anders aussah.
„Ich bin es, Meredia.", antwortete ich und sah die beiden an. Sie tauschten vielsagende Blicke und einer schwamm sofort los, während der andere mir weiterhin den Weg versperrte. Er schwamm vermutlich zu meinem Vater. Kurz darauf erschien der Wachmann zusammen mit meinem Vater am Tor.
„Meredia, ...", begann mein Vater, „was ist mit dir passiert?", fuhr er fort.
„Das ist eine lange Geschichte, Vater. Aber vertrau mir, ich bin es, deine Tochter Meredia!"
Er beäugte mich ebenfalls misstrauisch, doch als er seinen Blick über meinen Körper schweifen ließ, hellte seine Miene sich auf.
„Du bist auf einmal so schön!", rief er aus. „Naja, bis auf deine Schwanzflosse..."
Ich schaute an mir herunter, zuckte nur mit den Schultern. „Ich mag sie.", erwiderte ich.
Mein Vater nickte und ich folgte ihm durch das Tor ins Schloss, wo meine Schwestern sich alle am großen Tisch im Thronsaal versammelt hatten. Sie alle schauten mich verwirrt an, sie konnten nicht begreifen, dass aus ihrer hässlichen kleinen Schwester eine strahlende Schönheit geworden war. Als mich an den Tisch gesetzt hatte, begannen alle mich mit Fragen zu löchern. Was genau passiert ist, warum ich nun so aussah und dergleichen. Und ich erzählte meine Geschichte, von meinem Reißaus, weil man mir den Oberflächenbesuch verweigert hatte, die Trümmerteile des versunkenen Schiffes, das Öl. Nur die Tatsache, dass ich einen Mann brutal ermordet hatte, ließ ich außen vor. Das musste ich ihnen nun nicht auf die Nase binden, wenn ich vorhatte meine Schwester April umzubringen. Die mich in diesem Moment auch ziemlich feindselig ansah. Bislang war sie bei jedem Abendessen der Star, alle scherten sich um sie und um ihr Leben. Nun war sie einmal nicht der Mittelpunkt des Geschehens und ich sah ihr an, wie sehr sie das wurmte. Ich warf ihr ein freundliches Lächeln zu, doch sie zog nur die Nase kraus und beachtete mich nicht weiter. Doch das sollte mir nur recht sein, schließlich war ich sie eh bald los.
Nach dem Abendessen wollte ich mich mit meinen Schwestern in unser Zimmer verziehen, doch meine Schwester April hielt mich am Arm fest und zog mich von den anderen weg.
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Die kleine Meerjungfrau - einmal anders
FantasyTief unten im Meer lebte die kleine Meerjungfrau als Jüngste von den sechs Töchtern des Meerkönigs. Sie war schon immer anders als ihre Schwestern gewesen, sie hatte nicht so langes goldenes Haar wie sie und auch ihr Fischschwanz war nicht so glänze...