.:22:. Meredia

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Ich stand auf einer Lichtung und versuchte mich krampfhaft daran zu erinnern, was Noah mir über Raven gesagt hatte. Wie man die Hexe rufen konnte, doch mir fiel es nicht mehr ein. Frustriert ließ ich mich auf den Boden fallen und fuhr mir durch die Haare. Wie sollte ich Noah helfen, wenn ich es nicht einmal schaffte, die Hexe herbeizurufen? Ich hob den Kopf und sah mich um. Dann rief ich nach Chensit, der sofort erschien. Ich war froh, dass ich mich mittlerweile fast blind auf ihn verlassen konnte.

„Chensit, ich glaube ich muss deine Hilfe noch einmal in Anspruch nehmen, wenn ich das darf.", begann ich. Ich hatte das Gefühl, dass er genau wusste, worum es ging, denn er nickte nur und so fuhr ich fort: „Ich suche die Hexe Raven, doch ich habe keine Ahnung wie ich zu ihr gelangen oder wie ich sie herbeirufen soll."

„Man kann nicht zu Raven gelangen, man kann sie nur rufen, dann entscheidet sie ob sie erscheint oder nicht. Du musst dich hinstellen und in jede einzelne Himmelsrichtung laut ihren Namen rufen.", sagte Chensit. Ich stand auf und wollte schon ihren Namen rufen, als ich mich noch einmal an Chensit wandte.

„Kennst du sie?", fragte ich ihn.

„Ich bin ihr nie persönlich begegnet. Aber ich habe Geschichten von ihr gehört. Manchen waren grausam, andere berichteten von ihrer Großherzigkeit. Ich weiß nicht, was ich von dieser Hexe halten soll. Doch eines kann dir ich mit auf den Weg geben. Egal ob es sich um eine schwarze oder eine weiße Hexe handelt, mit ihnen ist nicht zu spaßen. Deswegen sollte man aufpassen, was man sagt und vor allem wie man es formuliert. Sie verdrehen sehr gerne die Tatsachen, sodass man es hinterher bereut, mit ihnen geredet zu haben.", sagte er. Ich ging zu ihm und umarmte ihn, ich war ihm so dankbar für all das, was er für mich getan hatte.

„Danke, Chensit, für alles.", sagte ich leise, während ich mein Gesicht in seinem Fell verbarg.

„Du brauchst mir nicht zu danken, Meredia. Das habe ich alles aus freien Stücken getan und ich tat es gern. Nur jetzt kann ich dir leider nicht beistehen. Die Sache mit Raven, die musst du ganz allein schaffen. Dabei kann dir niemand helfen.", sagte er und ich hörte das aufrichtige Mitgefühl aus seiner Stimme heraus. Ich ließ ihn los, sah ihn an und nickte.

„Ich schaff das schon.", sagte ich bestimmt. Dann begann ich mich in jede Himmelsrichtung zu drehen und Ravens Namen laut zu rufen.

Sobald ich ihren Namen ein viertes Mal gerufen hatte, verdunkelte sich der Himmel und gespenstischer Nebel stieg auf. Kurz darauf lichtete der sich wieder und er ließ eine dunkelgekleidete Silhouette zurück. Die Lichtung war in ein unwirkliches Grau getaucht und ich hatte das Gefühl, die Umgebung um mich herum schimmerte. Die Gestalt kam auf mich zu und ich erkannte eine junge Frau, mit einem grünen Kleid, bestickt mit mittelalterlichen Runen. „Raven.", sagte ich schlicht.

„Die bin ich.", antwortete sie. „Was willst du von mir, Meredia?"

„Du kennst meinen Namen?", fragte ich irritiert.

„Aber natürlich, ich kenne jeden Namen von denen, die mich rufen. Also sag mir, was ist dein Begehr?"

„Ich will, dass du den Fluch, den du über Noah gelegt hast, zurücknimmst. Er soll nicht für das büßen, was ich getan habe. Das hat er nicht verdient. Nimm stattdessen lieber mich.", sagte ich und war froh, dass meine Stimme fest klang. Innerlich fühlte ich mich wie ein kleines Häufchen Elend. Ich war mit der Situation gerade überfordert, doch das wollte ich mir nicht ansehen lassen. Sie legte den Kopf schief, so als ob sie erst überlegen musste, wer Noah war. „Ah, der junge gutaussehende Mann, der mich rief und bat, ihm zu sagen, wo er ein Heilmittel für dich finden konnte. Ich erinnere mich an ihn. Wirklich ein sehr schöner Mann. Wie geht es ihm denn mit seinem neuen Aussehen?", fragte sie und ich hörte die Scheinheiligkeit aus ihrer Stimme. Ich antwortete ihr nicht und ihr Gesicht verzog sich zu einem bösen Grinsen.

Die kleine Meerjungfrau - einmal andersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt