27.

308 27 5
                                    

,,Und, wie lebt es sich hier so?", frage ich Tobias.

,,Also ich denke mal, es ist nicht so sehr von Memphis zu unterscheiden. Abgesehen davon, dass hier nicht so viele Menschen sind. Möchtest du die Ställe sehen?"

,,Ihr habt schon Ställe? Wow?", sage ich beeindruckt.

,,So beeindruckend ist es jetzt auch nicht. Wir haben nur fünfzehn Pferde. Wie viele hat Memphis denn?"

,,Fünfundvierzig."

,,Siehst du. Das sind dreißig Pferde mehr. Das ist schon ein gewaltiger Unterschied. Wir brauchen nicht so viel Holz wie ihr es zum Beispiel braucht.", erwidert Tobias.

,,Okay. Dann führ mich rum.", befehle ich.

Nur Sekunden später bemerke ich, was ich da eigentlich eben gesagt habe.

,,Oh Entschuldige Tobias! Ich bin gar nicht so wirklich gewöhnt mit einem Freund zu sprechen. In Memphis ist man eigentlich nur von Laufburschen umgeben.", entschuldige ich mich eilig.

Tobias zieht eine Augenbraue hoch und sieht mich leicht argwöhnisch an: ,,Laufburschen?"

,,Oh. Stimmt ja, das war ja mein Name für sie. Damit meine ich Kämpfer, die das Befehle überbringen übernehmen.", erkläre ich ihm leicht verlegen.

,,Wie auch immer. Dann komm mal mit."

Mit einer Handbewegung deutet Tobias mir, ihm zu folgen. Auch ohne das Zeichen hätte ich das gemacht. Ich kenne hier einfach niemanden und werde wahrscheinlich nur eine Klette sein, solange ich hier bin. Aber wie lange wird mein Aufenthalt tatsächlich sein? Denn für immer werde ich sicherlich nicht bleiben. Jahwe ist einfach nicht mein Zuhause.

Während wir auf dem Weg zu den Ställen sind, gucke ich mich genau um.

Es ist wirklich faszinierend hier, denn hier gibt es kein festes Häusersystem. Hier sind einfach die Häuser neben dem Verarbeitungshaus und so geht es auch mit den anderen Tätigkeiten; Neben dem Schießplatz sind Häuser, neben dem Kampfplatz ebenfalls.

Für mich ist das ein komisches Gefühl, wo anders zu sein. Seit Monaten ist Memphis mein Zuhause, und seitdem habe ich keine andere Gegend mehr gesehen. Es fühlt sich einfach fremd an, hier zu sein. Ich weiß auch nicht.

,,Ich warne dich. Viele von unseren Pferden sind sehr bissig, aber niemand weiß warum.", warnt Tobias mich.

,,Keine Angst, ich werde ihnen schon nicht zu Nahe treten.", scherze ich.

,,Das hoffe ich für dich. Wenn du nämlich gebissen wirst, werde ich einfach sagen, dass ich dich gewarnt habe. Wahrscheinlich werde ich auch noch lachen.", erläutert er mir grinsend.

,,Wenigstens bist du ehrlich."

Lachend führt er mich zu dem Stall.

Tatsächlich haben sie sich die Mühe gemacht, ein ganzes Haus zu bauen, nur für die Pferde. Davon ist Memphis noch etwas entfernt. Klar, wir planen einen Stall schon seit langem, aber das würde enorm viel Holz in Anspruch nehmen und zur Zeit trauen wir uns noch nicht, besonders viel vom Wald abzuholzen. Denn wir haben schon nicht gerade wenig für die Häuser und allem drum und dran gebraucht. Wir versuchen gerade in einem abgeholzten Teil von dem Wald neben Memphis, neue Samen zu pflanzen. Wenn wir einen Teil vom Wald abholzen, haben wir uns vorgenommen, dort die Stämme raus zu buddeln und neue Samen einzupflanzen. Denn einerseits brauchen wir das Holz und andererseits brauchen wir den Wald.

Der Stall von Jahwe hat allerdings nicht so etwas wie ein Tür; Es ist ein offenes Haus.

Sprachlos betrete ich den Stall, vor mir Tobias.

,,Ach ja. Habe ich ganz vergessen. Komm mit.", sagt Tobias, nimmt mich an die Hand und zieht mich zu einer Box.

Gespannt schaue ich in die Box und sehe Ilana Fressen.

,,Hey Ilana.", sage ich und halte meine Hand hin.

Sofort kommt sie zu mir und untersucht meine Hand nach irgendwelchen Leckerlies. Typisches Pferdeverhalten. Immer zuerst Fressen. Aber ich kann es den Pferden nicht verübeln, ich würde genauso ticken.

Als sie merkt, dass ich nichts habe, dreht sie sich wieder um und frisst genüsslich weiter.

Kopfschüttelnd drehe ich mich zu Tobias um: ,,Danke, dass ihr sie vorerst aufnehmen konntet. Ich hoffe, sie nimmt euch nicht allzu viel Platz weg."

,,Auf keinen Fall. Als wir den Stall geplant haben, haben wir ihn eigentlich viel kleiner geplant und tja. Das ist rausgekommen. Insgesamt haben wir vier Boxen zu viel. Jetzt drei.", winkt Tobias ab.

,,Dann seit ihr wohl nicht die besten Architekten.", lache ich.

,,Es lässt sich schwer architektieren beziehungsweise Skizzen malen, wenn man kein Geodreieck hat, oder wenigstens ein Lineal. Denn niemand weiß genausten, wie breit ein Zentimeter ist und das ist ein Problem.", redet sich Tobias leicht beleidigt raus.

,,Ihr wisst doch, dass ihr mit solchen Problemen euch immer an die Dux wenden könnt? Devon und ich hätten euch sicher geholfen. Immerhin wäre es jetzt nicht so schlimm gewesen, ein Lineal zu entbehren. Zugegeben, ein Geodreieck haben wir auch nicht.", sage ich.

,,Ich weiß nicht. Irgendwie dachte ich, mit dem Problem alleine fertigwerden zu können. Aber irgendwie ist das nicht so meine Stärke - mit Problemen alleine fertig zu werden."

Tobias zuckt nur kurz mit den Schultern ehe er sich umdreht und etwas zu einem Kämpfer sagt, der am Eingang steht. Der Kämpfer entfernt sich und Tobias kommt wieder zurück.

,,Was hast du zu ihm gesagt?", frage ich neugierig.

,,Nichts wichtiges.", winkt Tobias ab.

,,Also. Was gibt es in Jahwe den lieben langen Tag zu tun?"

,,Ah. Langweilst du dich schon so sehr? Tut mir Leid, aber Jahwe ist leider kein Vergnügungspark oder so etwas in der Art, falls du das glaubst.", lacht Tobias, ehe er den Kopf schüttelt.

,,Gibt es bei euch denn nichts zu tun?", frage ich fassungslos.

,,Du könntest.. Schießen.", schlägt er mir vor.

,,Ich hab grade keine Lust auf Schießen. Habt ihr noch irgendwas anderes hier zum machen?"

,,Leider nicht. Hey, Saphira. Langsam muss ich mich auch wieder an die Arbeit machen. Wäre es schlimm, würde ich jetzt verschwinden? Nimm es mir nicht übel, aber ich bin der Dorfdux und habe auch nicht gerade wenig zu tun."

,,Jaja. Geh ruhig. Ich komm klar."

,,Bist du dir sicher? Wenn du willst, kannst du auch mitkommen. Ich hätte kein Problem damit.", hakt Tobias nochmal nach.

,,Nein, nein. Ich werds schon überleben. Geh nur.", nicke ich.

Zögernd verlässt Tobias daraufhin den Stall.

Wie konnte er mich bloß alleine lassen? Ich kenne mich hier weder aus, noch kenne ich hier irgendjemanden! Er ist der einzige Bekannte und dann lässt er mich auch noch alleine! Hat er denn nicht irgendein Taktgefühl? Wie ist er denn bitte mit so einer Einstellung Dorfdux geworden?

Manche Menschen haben überhaupt kein Rückgrat!

Regina Bellum - Schrammen der VerzweiflungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt