,,Bist du bereit?", fragt Daniel mich.
,,Ich weiß nicht so ganz. Ich glaube, ich fühle mich noch nicht bereit, Devon zu sehen", zweifele ich.
,,Er wird dir doch nichts antun oder so.", lacht Daniel kopfschüttelnd.
,,Das meine ich doch nicht. Ich habe Angst, ihm irgendwas anzutun, weil ich eben noch diese Wut in mir habe. Weißt du eigentlich wie oft ich schon Vorstellungen hatte, ihn zu töten? Oder jedenfalls Vorstellungen, wie er stirbt. In mir ist dieses Verlangen, ihm einfach die Kehle durchzuschneiden.", erkläre ich ihm.
,,Jetzt werd' mal nicht zu einem Psycho, Saphira. Das ist gruselig. Du wirst ihm außerdem schon nichts tun. Manchmal hab ich solche Mordgedanken auch mal mit Eléonore und sieh mich an. Bis jetzt hab ich ihr noch nicht weh getan und ich weiß, ich werde auch in Zukunft nicht mal ein kleines bisschen meine Hand gegen sie erheben und ihr ein, noch so kleines, Härchen krümmen. Weil ich sie liebe, genauso wie du ihn liebst.", beruhigt Daniel mich.
,,Ich weiß nicht, ob ich ihn liebe."
,,Nicht dein Ernst. Mach jetzt nicht einen auf Dramatikerin. Du liebst ihn, du weißt das, Schluss. Wer hat diesen Satz eigentlich erfunden? Denn der ist totaler Schwachsinn. Wenn man jemanden liebt, weiß man das, und da gibt es dann auch nichts zu zweifeln.", regt sich Daniel auf.
So schlimm ist dieser Satz jetzt auch nicht. Er trifft sogar zu. Naja, halbwegs. Es ist einfach so, dass ich ihn liebe, aber ich weiß, dass ich ihn nicht mehr lieben sollte. Das was er getan hat, hat einfach zu sehr wehgetan. Da können auch die Worte von Daniel nicht mehr helfen.
Es ist geschehen und daran gibt es nichts mehr zu ändern, geschweige denn schön zureden.
,,Wie auch immer. Gehen wir dann?", frage ich.
,,Ja. So schnell wie möglich. Eléonore und ich haben uns vor Kurzem wieder vertragen und ich kann es kaum erwarten, sie wieder in die Arme schließen zu können."
,,Kannst du damit aufhören?", bitte ich Daniel augenrollend.
,,Mit was denn?"
,,Mit dieser Liebesschnulze. Im Moment will ich von glücklichen Pärchen nämlich nichts mehr wissen.", erkläre ich und reibe mir meine Schläfen.
Diese ganze Situation ist einfach viel zu Nerven aufreibend. Ich bräuchte dringend mal eine Pause. Eine echte Pause. Irgendein Ort, wo mich niemand findet, wo ich alleine sein kann. Schade eigentlich, dass der Krieg alles zerstört hat. Jetzt hab ich keine Chance mehr, nach Hawaii zu fliegen und zu entspannen.
Ich war noch nie in Hawaii. Aber ich hätte es gerne mal gesehen. Irgendwelche halbnackte Frauen und Männer die Hula tanzen und dabei aus einer Kokosnuss trinken. Zugegeben, ich hasse den Geschmack von Kokosnuss aber die Vorstellung ist einfach herrlich. Am besten dann noch am Strand beim Sonnenuntergang.
Doch leider zu schön um wahr zu sein. Unrealistisch.
,,Dann komm.", sagt Daniel, nimmt meine Hand und wir gehen zusammen zu den Pferden.
Dort steht schon Tobias mit ein paar anderen Leuten. Höchstwahrscheinlich Kämpfer.
,,Schade. Jetzt hab ich dich nicht mehr um mich.", sagt Tobias lächelnd. ,,Aber vielleicht ist es auch besser so."
,,Was soll das denn jetzt bedeuten?", lache ich.
,,Naja. Also manchmal warst du schon nervig.", gibt er lächelnd zu.
,,Gar nicht wahr!", entsetzt gucke ich ihn an.
,,Naja. Egal. Wir werden uns jetzt glaub ich lange nicht mehr sehen.", seufzt Tobias.
,,Weinst du jetzt?", frage ich und ziehe eine Schmolllippe.
,,Ja klar. Bei mir kullern schon die Tränen.", sagt Tobias grinsend. ,,Aber versprich mir, dass du mir schreibst."
,,Vielleicht."
,,Nicht vielleicht, Saphira. Weißt du eigentlich, wie lange wir uns schon kennen? Viele Jahre. In diesen Jahren haben wir Beide so viel verloren. Familie, Freunde, Bekannte und Feinde. Die einzige Person, die ich von früher noch kenne beziehungsweise die noch lebt, bist du. Dann will ich wenigstens mit dir angeregten Kontakt halten.", sagt Tobias ernst.
,,Ich werde dir auf jedenfall schreiben. Vielleicht kannst du ja auch irgendwann mal nach Memphis kommen. Du wirst auf jedenfall ein Ehrenplatz bekommen.", lächele ich.
,,Lass dich drücken."
Tobias schlingt seine Arme um mich und drückt mich ganz fest an sich. Ich kriege sogar kaum noch Luft, aber das ist mir in diesen wenigen Sekunden auch egal. Ab morgen werde ich ihn nämlich für eine lange Zeit nicht sehen. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass ich ihn nie wieder sehen werde. Doch dagegen kann ich nichts machen. Wir haben einfach beide Verpflichtungen, an die wir uns auch halten müssen. Da hilft leider Gottes nichts gegen.
Auch wenn er es nur ungern zugeben würde, er hat ich einfach ungern hier. Tobias hat mit der Verantwortung des Dorfes einfach viel zu viel zu tun, als dass er mich für eine längere Zeit belustigen könnte, wie man so schön sagt.
Ich hoffe aufrichtig ihn wiedersehen zu können. Wenn auch nur für eine kurze Weile.
,,Wir müssen dann mal gehen. Sonst schaffen wir heute nicht mehr viel.", unterbricht Daniel unsere Umarmung.
Leicht zögernd lösen Tobias und ich uns voneinander.
,,Also dann. Auf Wiedersehen.", flüstert Tobias.
,,Ja. Auf Wiedersehen.. denke ich mal."
Tobias hilft mir auf Ilana rauf und nickt mir noch ein letztes Mal zu, ehe Daniel und ich unsere Pferde antreiben.
Brav laufen sie los.
,,Wie lange werden wir reisen müssen?", frage ich.
,,Zwei Tage.", antwortet Daniel.
,,Nur? Ich hab etwas länger gebraucht."
,,Es ist schon ein Unterschied, wenn man herumirrt, bis man irgendetwas findet, oder wenn man gezielt auf etwas zureitet.", erklärt Daniel.
,,Achso. Aber eine Frage hätte ich noch.. Woher wusstet ihr, du und Devon, wo ich mich befinde?"
,,Tobias. Er hat uns einen Brief geschickt, in dem stand, dass du dich in Jahwe befindest. Anscheint wollte er, dass du wieder zurück nach Memphis kommst. Du scheint ihm einiges zu bedeuten."
,,Ja. Er ist so etwas wie mein Bruder.", stimme ich zu.
,,Und auch nicht mehr?", hakt Daniel vorsichtig nach.
,,Weißt du noch, als ich in der Lagerhalle von meiner besten Freundin und meinem besten Freund erzählt habe?"
,,Dieses Miststück, das dich verraten und es mit dem Typen getrieben hat?"
,,So würde ich es zwar nicht ausdrücken, aber ja. Dieser Typ war Tobias.", erkläre ich seufzend.
,,Dann musst du doch sicherlich noch Gefühle für ihn haben."
,,Hab ich auch. Aber nur brüderliche. Außerdem erzählte er mir, dass er mich nie geliebt hat. Er hat immer nur Tony - also meine beste Freundin- geliebt.", erzähle ich Daniel von meinem Vergangenem.
,,Ganz ehrlich Saphira: Du hast einfach nur scheiß Freunde gehabt.", seufzt Daniel.
,,Ich weiß."
(Ich möchte jetzt etwas verkünden. Denn es wird einen dritten Teil von Regina Bellum geben. Dieser wird dann der aller letzte und abschließende Teil von Regina Bellum sein. Ich würde mich freuen und hoffe, dass jeder Leser, der hier mitgelesen hat, auch seine Nase in den dritten Band reinstecken wird. Keine Angst: Dieses Kapitel ist nicht das letzte. Ich werde euch wissen lassen, wenn das letzte Kapitel kommt.)
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Regina Bellum - Schrammen der Verzweiflung
Science Fiction****WATTYS 2016 WINNER**** -TEIL 2.- »Vertrauen ist keine Eigenschaft. Es ist ein Privileg. Doch schenkt man es dem Falschen, kann es sich leicht zur Katastrophe umwandeln.« Seit sechs Monaten herrschen im Land die vier Nationen; Bellum, Fortite...