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Ich öffne meine verklebten Augen.

Es dauert einen kurzen Moment, bis ich zur Besinnung komme, wo ich bin und wieso. Sofort sehe ich mich nach Ilana um und bekomme einen seelischen Anfall, als ich merke, dass sie nicht mehr da ist.

Panisch stehe ich auf und rufe mehrmals ihren Namen.

Nach ein paar Sekunden taucht sie endlich hinter den Bäumen auf und sieht mich an.

Ein Tsunami der Erleichterung überkommt mich und ich hole ihre Trense. Sie beugt ihren Kopf und grast. Okay, was sollte sie denn auch sonst machen?

Langsam komme ich auf sie zu. Ihr eines Ohr bewegt sich, aber ansonsten bleibt sie ganz ruhig und grast. Ich stelle mich neben sie, hebe ihren Kopf und lege ihr die Trense an.

Dann führe ich sie zu einem Baum, binde sie fest und sattele sie.

Mir wird erst jetzt so richtig klar, was für ein tolles Pferd ich eigentlich habe. Denn ich sehe es nicht als so selbstverständlich, dass ein Pferd bei einem Menschen bleibt und sich dann auch noch so ruhig trensen lässt.

Mit leichten Tränen in den Augen umarme ich sie: ,,Du wirst doch nie alleine lassen, oder?"

Natürlich antwortet sie mir nicht, aber das ist mir eigentlich auch egal. Sie ist so ein tolles Pferd und das soll sie auch wissen.

Ich lasse meine Arme wieder sinken und wische mir die Tränen aus den Augen weg.

,,Tut mir Leid Süße. Aber wir müssen weiter.", sage ich.

Ich binde sie los, werfe die Zügel über ihren Kopf und führe sie zu einem Stein, auf den ich raufklettern und schließlich aufsteigen kann.

Dann treibe ich sie an. Zuerst in einem ruhigen Schritt, dann in den Trab und schließlich in einen ruhigen Galopp.

So sehr ich auch vorankommen möchte, auspowern möchte ich sie so schnell nicht.

Ich frage mich langsam wirklich, wann ich mal bei einem Dorf ankommen werde. Immerhin irre ich jetzt schon seit einiger Zeit durch die Gegend. Normalerweise müsste ich schon längst ein Dorf gefunden haben.

Andererseits, wenn mir es schwer fällt ein Dorf zu finden, muss es Devon schwerer fallen, mich zu finden. Wenn ich selber nicht einmal weiß, wo ich bin.

Nur.. will er mich überhaupt finden?

Natürlich will er das! Immerhin ist er immer noch dein Freund und wollte dich zur Ductrix machen! Einen größeren Vertrauensbeweis gibt es nicht.

Vielleicht ist es ja das. Er wollte, dass ich ihm so viel Vertrauen schenke, damit ich gar nicht mehr an seiner Untreue zweifeln könnte oder es auch nur versuchen zu wagen! Dieses kleine verlogene Schwein!

Dieser Typ hat in seinem Leben wahrscheinlich noch nie für irgendetwas wirklich gekämpft. Warum denn auch? Alles fliegt ja nur so auf ihn zu! Kinderleicht wurde er Dux. Es ist ja fast schon lächerlich, wie einfach es für ihn war, zu solch einer Machtposition aufzusteigen.

Wie ich ihn einschätze, bei seiner Arroganz und Besserwisserei, war er wahrscheinlich auch noch ein einser Schüler und dabei auch noch einer der beliebtesten.

Er hat mich nicht verdient!

Er hat gar nichts verdient. Solche Leute müssen einfach mal lernen, was es heißt, wirklich um etwas kämpfen zu müssen.

Ob ich ihn zurück nehmen würde?

Bestimmt.

Ob ich ihm das einfach machen würde?

Auf gar keinen Fall.

Devon ist einer dieser Personen, die nie kämpfen müssen. Die sich nie um etwas sorgen müssen. Super Kindheit, super Noten, super Teeniezeit. Alles super!

Er hat es verdient! Nicht, weil ich es ihm nicht gönne. Devon soll einfach nur lernen was es heißt zu Kämpfen.

Wahrscheinlich denkt er jetzt, ich würde in der nächsten Zeit zu ihm zurück gekrochen kommen. Aber nein. Ich werde ihn kriechen lassen, im Dreck. Wenn er wirklich den Mumm hat, zu Kämpfen, wird er alles tun, worum ich ihn bitten werde.

Wenn er mich wirklich liebt, wird er kämpfen.

Auf irgendeine Weise hört sich das so verbittert an, aber es ist wahr. Ich möchte ihn leiden sehen.

Ich möchte hören, das es ihm schlecht geht.

Das er es bereut.

Das er alles für mich tun würde.

Bis dahin muss ich mich aber alleine durch die Welt schlagen. Nicht einmal Freunde hab ich jetzt an meiner Seite.

Jetzt erst wird mir bewusst, wie abhängig ich eigentlich bin.

Wie sehr ich Freunde brauche.

Ich denke manchmal brauche ich einfach die Aufmerksamkeit um mich wohler zu fühlen, oder um mich etwas wichtiger zu fühlen. Keine Ahnung warum. Vielleicht fühle ich mich zu wenig beachtet oder habe vor mir selber nicht genügend Selbstachtung.

Was auch immer es ist, ich brauche es.

Und das wird mir jetzt bewusst. Denn ich fühle mich alleine, und das bin ich auch.

Na gut. Abgesehen von Ilana bin ich alleine.

Aber Ilana ist ein Pferd, ein Tier. Sie kann keinen Menschen ersetzen, egal wie sehr ich es will. Ich brauche einen Menschen zum Reden.

Oh Gott! Wie ich mich aufhöre! Wie eine ewige Jungfrau!

Manchmal frage ich mich selbst, was eigentlich mit mir los ist, dass ich sooft über reagiere.

Aber ich meine es wirklich ernst. Wenn ich niemanden zum Reden finde, könnte ich im Extremfall psychische Störungen kriegen und das ist im Moment das Letzte, was ich will. Denn psychische Erkrankung steht auf meiner To-Do Liste eher sehr weit unten und ist eher eine Sache, die fürs sehr hohe Alter geschaffen ist. Noch bin ich nicht erpicht drauf.

Und schon wieder schweife ich ab. Definitiv. Ich bin schon viel zu lange ganz allein.

Ein Tag.

Das ist alles andere als lange. Ich bin schon mehr als eine Woche ganz allein zu Hause gewesen und hab mit niemandem geredet und mir gings besser.

Andererseits hatte ich da auch WhatsApp oder Skype um mit Freunden zu Reden. Also es ist nicht genau dieselbe Situation. Ich bin einfach nicht für solche Einzelgängerdinge gemacht wie manch anderer.

Ich brauche Menschen zum Reden. Da helfen auch keine Tiere aus. Keine Ahnung warum so viele denken, einsame Omas holen sich Katzen. Immerhin helfen sie kein Stück.

Höchstens hat man nur jemanden zu Streicheln. Aber nicht mehr. Hm.

Leider kann ich mir auch keine Katzen anschaffen, da es hier leider nichts gibt, was einem Tierheim auch nur ähnelt.

Bevor ich weiter in meinen einsamen Gedanken versinke, sehe ich am Horizont zwischen all den Bäumen ein paar Häuser.

Alamiert treibe ich Ilana an, direkt auf die Häuser zu, denn ich fühle mich, als würde ich an Wassermangel sterben.

Regina Bellum - Schrammen der VerzweiflungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt