„Dies ist die Mailbox von Priscila Ferro. Ich bin im Moment verhindert, bitte hinterlassen Sie eine Nachricht." Ein Stein fällt mir vom Herzen, ehe es schwer wird. So ein Mist. Ich hatte gerade genug Mut zusammen gekratzt und dann geht meine Mutter nicht ran. Ein Teil von mir atmet erleichtert aus, während der andere sich verkrampft. Dann muss ich sie erneut anrufen. Noch einmal überwinden. Allein bei dem Gedanken bekomme ich es wieder mit der Angst zu tun. „Und?", frage Federico nach und mustert mich. Meine zitternde Hand führt das Smartphone von meinem Ohr und lege auf. „Mailbox", hauche ich atemlos. Ich muss dies erst einmal verdauen. Ich habe sie angerufen! Mein erstes Lebenszeichen an meine Familie. Da ich mich aber davor gar nicht gemeldet habe ist dies eine Steigerung von 100%, trotzdem hat es einen faden Beigeschmack. Fede nimmt mich in dem Arm, was eine beruhigende Wirkung auf mich hat. „Ich habe eine Idee", nuschelt mein Freund. „Was?", möchte ich wissen. Federico lässt mich los und greift mein Handy: „Ich muss es nur mit León klären." Verdutzt sehe ich zu ihm: „Fede, es ist Wochenende. Wir müssen nicht in die Firma, also warum willst du León kontaktieren?" „Das wirst du noch sehen", meint er und setzt zum Gehen an: „Zieh dir schon mal was warmes an!" Bitte was? Total verwirrt erfülle ich Fedes Aufforderung. Warum sollte ich mich warm anziehen? Es hat zwar gestern geschneit, aber es ist nur eine hauch dünne Schneedecke und die Temperaturen sind zwar kalt, aber mehr als –2 Grad wird es heute sicher nicht. Ich befürchte eher niedrige Plusgrade. Also warum das Ganze? Wenn ich nur in seinen Kopf gucken könnte, dies wäre ein großer Vorteil. Will er mich etwa wieder auf ein Dach bringen? Was hat überhaupt León damit zu tun? Durch mein Nachdenken bin ich unaufmerksam geworden und habe Federico gar nicht bemerkt. Er zieht sich bereits Schuhe und Jacke an. Ich tue es ihm nach und dann fahren wir nach unten und steigen in Federicos Wagen.
Den ganzen Weg löchere ich meinen Freund mit Fragen, der sie alle nur mit einem frechen Grinsen beantwortet. Wir fahren durch China Town an eine Ankerstelle und als ich da ein Schiff sehe geht mir endlich ein Licht auf. Ich habe zwar keine Ahnung welches Baumodell es ist, wie teuer und luxuriös es ist oder wie viel PS es hat, falls man überhaupt Pferdestärken bei einem Schiff hat. Seepferdchenstärken wären da einleuchtender oder? Der Name des Schiffes ziert es in goldener, geschwungener Schrift. Lion. Nun wird mir klar, was Vargas damit zu tun hatte. Früher, als ich sprechen gelernt habe und schon mit León gespielt habe, konnte ich seinen Namen nicht aussprechen, weswegen ich ihn Lion nannte. Er hatte nichts dagegen und anscheint hat ihm der Name gefallen oder er hat keine Kreativität, weswegen er die Idee eines kleinen Mädchens geklaut hat. Es beginnt zu schneien. Die großen Flocken rieseln leise auf die Erde. Ich schaue zu Fede und werfe ihm einen fragenden Blick zu: „Willst du etwa bei Schnee mit einem Schiff fahren? Macht man das nicht eher im Sommer?" Grinsend führt er mich zu Vargas' Schiff und wir gehen hinein. Ich will gar nicht wie viel Geld León in dieses Schiff gesteckt hat, aber der Einrichtung nach muss es viel gewesen sein. Das Schiff setzt sich in Bewegung und die Flocken häufen sich. Als wir vor Liberty Island anlegen und an der Freiheitsstatur empor gucken können, gehen wir auf das Verdeck. Es schneit so stark, das die New Yorker Skyline dem Bild einer Schneekugel gleicht. „Wow", hauche ich überwältigt, „Du Spinner!" Gespielt enttäuscht sieht mich mein Freund an: „Da will ich dir eine Freude machen und nennst mich einen Spinner?!" „Mein Spinner", lächle ich und falle ihm um den Hals. Wir setzen uns auf das Verdeck und genießen den Ausblick. Wir unterhalten uns über unsere gemeinsame Vergangenheit und unsere gewünschte Zukunft. Das ist wieder einer dieser kleinen, perfekten Momente, wie das erste Mal auf der Dachterrasse oder das zweite Mal, auf dem Rockefeller Center oder das heutige Frühstück. Ich weiß nicht wie Federico dies schafft, aber es werden immer schöne Momente, die ich nie vergessen werde. Sollte morgen die Welt untergehen, weiß ich: Ich habe es versucht meine Mutter zu erreichen, es war die richtige Entscheidung nicht zu heiraten und ich liebe Federico unglaublich sehr. Was will ich im Hafen der Ehe, wenn ich im New Yorker Hafen sein kann – mit meinem Lieblings Spinner? Der Schnee hängt mir schon in meinen blonden Haaren und durchnässt sie so langsam, aber das ignoriere ich. Das Einzige was jetzt zählt ist er und dieser Moment.
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Ludmila Story - In my mind I call you home.
FanfictionLudmila lebte ihr lebenlang in New York City, bis ihre Eltern und sie nach Californien ziehen. Ludmila hat damals ihre Freunde und ihren Freund verlassen müssen. Nun etwa 5 Jahre später 'flüchtet' sie zurück nach Big Apple, da sie nach dem sie ihren...