Kapitel 48 - Nicolás

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Ich starre in diese Augen, diese wunderschönen Augen. Hundert Fragen schwirren in meinem Kopf rum, hämmern gegen meinen Schädel. Meine Augen brennen etwas vom Salz des Wassers. Ich ignoriere alles, nur diese Augen sind in diesem Moment von Bedeutung - seine Augen. "Lu?" Es ist Federicos Stimme, die da spricht. Und kurz darauf spüre ich ihn neben mir. Meinem Gegenüber geht es ähnlich. Auch er starrt mich an und es scheint als interessiere uns unsere Umgebung einen Moment lang nicht.

"Nicolás." Damit beende ich meine Starre und wende meinen Blick auf den Sand. "Was machst du hier?", fragt mein Ex und er schielt kurz zu Fede rüber. "Ich muss mit dir reden." "Worüber willst du noch reden? Ist nicht alles gesagt?!" Er klingt nicht mehr so verwirrt, aber verletzt und gekränkt. Und diese Tatsache versetzt mir einen Stich, denn das liegt nur an mir. "Bitte", flehe ich. Er überlegt. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, aber schließlich nickt er.

"Ich gehe zurück zum Haus", erklärt Fede mir und drückt mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange, ehe er geht.

"War es wegen ihm?" Nicolás hört sich nun noch verletzter an. Ich antworte nicht, da ich es nicht kann. Ich will ihn nicht noch mehr verletzen, wenn das überhaupt möglich ist, also schweige ich.

Wir laufen eine Weile stumm neben einander her. Die Stille ist unangenehm, aber mir fehlen die richtigen Worte.

"Nicolás, ich muss dich um Verzeihung bitten. Ich war dumm und ich habe schreckliches getan, was nicht zu entschuldigen ist. Ich...ich weiß auch nicht. Es tut mir einfach schrecklich leid!", erkläre ich den Tränen nahe.

"Warum?"

"Ich hatte Zweifel. Sie wurden immer größer und ich begann an all meinen Entscheidungen zu zweifeln. Ich hatte Angst ein Fehler zu machen oder ihn bereits gemacht zu haben. Ich war einfach zu jung."

"Weißt du, ich bin an diesem Tag zur Kirche gefahren. Ich wurde von meiner Familie, meinen Freunden empfangen und stand da, am Altar und wartete. Ich wartete auf die Frau, die ich liebe und die ich immer an meiner Seite haben wollte, aber sie kam nicht. Ich wartete zehn, zwanzig, dreißig Minuten, aber nichts. Kein Wagen mit meiner Braut fuhr vor. Es wurde mit jeder Minute unruhiger und ich machte mir mehr und mehr Sorgen. Schließlich kam mein zukünftiger Schwiegervater und verkündete mir die Nachricht. 'Ludmila ist nicht da', hatte er gesagt, 'und sie wird auch nicht kommen. Sie ist weg und das Einzige, was sie hinterlassen hat, ist ein Zettel.' Den Zettel drückte er mir in die Hand und führte mich raus. Erst im Auto realisierte ich die Worte deines Vaters und las den Zettel. Er zerriss mir mein Herz, das was ich dir geschenkt hatte. Ich kann diese Gefühle, die zu dem Zeitpunkt in mir herrschten nicht beschreiben. Ich war wie in Trance, ein benommener Zustand. Unsere Eltern sagten alles ab. Und ich war ein Wrack. Mit jedem Tag etwas mehr."

Mir wird kalt. Ein Kloß bildet sich in meinem Hals und kleine Tränen bannen sich einen Weg über meine Wangen. Ich bin ein schlechter Mensch! Ich bin herzlos, egoistisch und ohne jegliches Mit- und Taktgefühl. Ich schluchze leise.

"Und jetzt", fährt er fort, "steht diese Frau vor mir und bittet mich um Verzeihung. Was glaubst du? Was sollte ich tun? Meiner großen Liebe verzeihen?"

"Ich war deine große Liebe?", frage ich atemlos, im Moment bin ich das Wrack. Ich bin kaum in der Lage sinnvoll zu denken.

"Du bist meine große Liebe. So komisch das auch ist. Du hast mir mein Herz raus gerissen, mich blamiert und erniedrigt, aber ich liebe dich immer noch, trotz allem. Ich glaube, mein Herz weiß nicht, dass ich bereits verloren habe." Er atmet einen Moment durch und kneift die Augen zusammen. Der Grund dafür ist sicherlich nicht der Salzgehalt in der Luft, sondern Tränen - seine Tränen. In seiner Erzählungen hat er kein Wort darüber verloren, ob er geweint hat, so glaube ich, dass er es nicht getan hat. Nicolás ist nicht nah am Wasser gebaut, eher in einer Wüste. So bin ich der Überzeugung, er lässt erst jetzt alles Angestaute los. Die Tränen, die Gefühle alles nimmt seinen Lauf. Und ich kann nicht anders als ihn zu umarmen. Ich bin mir bewusst, dass es das nur schwerer macht. Aber das ist das einzige was mir tröstendes in den Sinn kommt.

So stehen wir am Ufer in einer Umarmung, die sich eine Weile zieht. Schließlich lasse ich ihn langsam los und Nicolás sieht mir in die Augen. Unsere Gesichter nur ein paar Zentimeter entfernt, die immer weniger werden. Es ist komisch und etwas fremd aber nach allem immer noch vertraut. Und es wird mir bewusst, dass ich ihn damals geliebt habe. Der Abstand wird kleiner und kleiner und ich spüre seinen warmen Atem schon auf meinen Lippen.

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Hey. (:

Mir tut Nicolás mehr als leid.:/

Ob er Ludmila küsst? Das seht ihr im nächsten Kapitel, aber eure Meinung interessiert mich brennend, also schreibt sie mir. :D

Liebe Grüße und schönen Sonntag. :) (Habt ihr morgen eigentlich auch frei? (: )

Lex.

Ludmila Story - In my mind I call you home.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt