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"Als erstes musst du jeden Kontakt zu den Leuten aus deinem alten Leben abbrechen!"
"Ha, das fällt mir nicht so schwer!", lache ich künstlich, "ich hatte ja niemanden der mir wichtig war und dem ich jetzt mitteilen müsste, dass ich noch lebe." Es ist hart mich selbst das hören zu sagen. Aber so ist es nun mal. Ich bin mein ganzes Leben alleine gewesen. Alle Personen um mich herum hatten sich nie für mich interessiert, mich nur fertig gemacht oder waren eine Lüge gewesen.
"Die nächste Zeit müssen wir erst mal aufpassen, dass man dich nicht sieht. Also den Calum, den sie kennen", Luke stand auf und ging zu einer Kiste in der Ecke des Raumes. Er öffnete sie und holte seinen schwarzen Hoodie heraus.
"Den wirst deshalb erstmal brauchen", er entstaubt den Hoodie und schmeißt mir ihn mir zu, "so lange, bis die Welt vergisst, was geschehen ist."
Ich sah ihn mit großen Augen an. Was heißt das "bis die Welt vergisst"?
"Bist die Welt vergisst, was passiert ist?", wiederhole ich und schaue Luke fragend an. Er nickt und kommt zu mir zurück: "Bis dein Fall aus den Nachrichten verschwindet und dein Gesicht nicht jeder gleich erkennt. Aber du solltest vielleicht etwas verändern. Die Leute die dir nah gestanden haben", er holt Luft als ich ihm mit einem Blick signalisieren will, dass ich niemanden gehabt habe, der mir nah gestanden hat, "also Leute dich täglich gesehen haben, wie Klassenkameraden, deine Eltern, Nachbarn."

Ich schaue auf meine Hände. Verändern? Wie soll ich mich verändern? Wie stark muss ich wohl verändern? Was bedeutet das dann für mich?
"Darüber denken wir aber später nach. Der tust's auch erstmal!", Luke zeigte auf den Hoodie.
Er geht in die Mitte des Raumes. Wegen der hohen Decke sind nochmal einmal Metallträger zwischen Decke und Boden montiert, damit die Wände stabilerer sind. Luke springt hoch und zieht sich mit Leichtigkeit auf einen der Träger hoch und schaut zu mir runter:
"Außerdem muss ich dir zeigen, wie du ihm Ernstfall schnell genug weglaufen kannst, denn das Leben ist jetzt erstmal nicht mehr so sicher wie gewohnt", mit einem Satz landet er wieder mit festem Stand auf dem Boden.
"So?", ängstlich schaue ich ihn an. Das werde ich doch niemals schaffen irgendwo hoch zu klettern, geschweige denn von irgendetwas runter zu springen. Luke lacht und zuckt grinsend mit den Schultern: "Vielleicht. Aber das machen wir wenns die besser geht und du sich wieder richtig bewegen kannst. Das größte Problem wird erstmal dich in die Wohnung zu bekommen",
Luke schaut wieder im Richtung der Metallträger und dann zu mir, "in der Zeit in der du geschlafen hast, musste ich hier unten lassen, weil ich dich unmöglich mit da hoch hätte tragen können."
"Ich muss da hoch? Gibt es nicht noch einen anderen Weg?" Ich werde es niemals schaffen auf die Metallträger zu klettern. Sie sind zu hoch angebracht, dass ich so danach greifen kann. Ich müsste mich dann auch noch aus eigener Kraft daran hochziehen. Wahrscheinlich wäre es sogar unmöglich für mich, wenn ich nicht verletzt wäre.
Doch Luke schüttelt nur den Kopf.
"Es führt kein Weg daran vorbei. Du willst du ein Klo und ne Dusche haben oder?"
Da hat er Recht. Ich habe ziemlich das Bedürfnis mich mal abzuduschen nach den ich fast 2 Tage ohnmächtig in dem dunklen Raum gelegen habe. Meine Klamotten riechen auch außerdem nach Gas und Krankheit.
"Ich helf dir bei ersten Mal", Luke springt erneut ab und zog sich zum Metallträger hoch, "jetzt du!"
Ich nehme etwas Anlauf, da ich ganz genau weiß, dass ich aus dem Stand niemals so hoch springen könnte, dass ich den Träger zu fassen bekäme. Das Laufen und der anschließende Sprung schmerzt ungeheuerlich. Zum Glück hält mir Luke seine Hand hin, die ich beim Sprung fassen kann, da ich ca. immer noch einen Meter von dem Träger entfernt bin. Ich versuche mich an Lukes Hand zum Metallträger zu ziehen, doch ich habe kaum Kraft in meinen Armen.
"Ok, Calum. Nimm noch meine andere Hand!", Luke reicht mir seine zweite Hand und zieht mich hoch, bis ich mit meinen Händen den Träger zu fassen bekomme. Ich hangele mich hoch zu der Oberseite des Trägers und schaffe es gerade noch so meinen Oberkörper ein Stück hochzuhieven, sodass ich mich der Hälfte meines Gewichts auf den Träger legen kann und ich nicht mehr wie nasser Sack and dem Träger hänge. Das wars dann auch. Ich bin so fertig, dass ich mich kaum noch bewegen kann und einfach da hängen bleibe.
"Das war doch schon mal nicht so schlecht", lacht Luke und zieht mit Leichtigkeit mich das restliche Stück hoch. Schwer atmend und zusammen gekrümmt sitze ich auf dem Träger und meiner ganzer Körper brennt wegen der starken Belastung. Meine Lungen fühlen sich an als würden sie platzen und tun weh als ob sie gerade wieder Schläge und Tritte abbekommen hätten. Ich zwinge regelrecht zu atmen, da es so dolle schmerzt. Luke reicht mir seine Hand: "Komm wir wollen weiter!" Ich nehme seine Hand und er hilft mir mich wieder auf die Beine zu ziehen. Langsam und durch Lukes Hilfe schaffe ich es dann mich wieder aufrecht hinzustellen. Ich hoffe, dass ich diesen Weg erstmal nicht mehr machen muss. Ich werde ihn unmöglich alleine schaffen. Wenn ihn überhaupt runter schaffe. Auf was habe ich mich da eingelassen. Ich drehe mich wieder zu Luke, der mir schon winkt, dass wir weiter gehen wollen. Ich schleppe mich auf den, zum Glück sehr breiten Metallträgern, hinter Luke her. Am Ende der Metallträger ist ein Loch in der Wand, durch dass wir uns hindurch zwängen und gelangen in ein Treppenhaus.
"Warum sind wir nicht einfach die Treppen gelaufen?", frage ich leicht verärgert, weil ich mich ja gerade die Metallträger hochgequält habe, dass ja meinen Zustand nicht gerade verbessert hat. Luke atmet laut aus und schaut mich an, als hätte ich gerade das dümmste gesagt, was er je gehört hat: "Tja kannst du ja beim nächsten Mal machen." Er geht die Treppenstufen der Treppe, die ein Stockwerk höher führt hoch. Ich folge ihm mit etwas Abstand, da ich noch nicht so schnell die Stufen hochgehen. Als ich am Treppengeländer links hinunter auf die Stockwerke schaue, erklärt sich warum wir nicht die Treppe genommen. Die Treppen zwischen dem 5 und 6 Stock fehlen komplett. Nur noch die Stahlrippen und die Treppen darunter lassen einen erahnen, dass sich dort auch mal Treppen befunden haben. Schweigend gehen Luke und ich weiter bis in den 9. Stock. Wir verlassen das Treppenhaus und gehen in einen Flur mit lauter Türen. Jetzt wird mir klar, dass ich gerade überhaupt keine Ahnung habe, wo ich hier bin. Ich kenne dieses Gebäude nicht. Ich weiß nicht, in welchem Teil der Stadt wir gerade sind oder ob wir überhaupt noch in der Stadt sind. Am Ende des Ganges bleibt Luke vor einer blauen Tür stehen und öffnet diese. Dahinter ist tatsächlich eine Art Wohnung. Anscheinend Lukes Wohnung.
"Hier wirst du dich die ersten Wochen aufhalten!", sagt Luke und führt mich in den großen Raum der Wohnung. Der Raum ist nicht sehr groß möbliert. Eine alte Coach, eine Matratze und eine Art Kommode befinden sich auf der rechten Seite des Raumes. Auf der anderen Seite hing ein Boxsack und Ding, das so ähnlich aussieht wie ein Kratzbaum für Katzen.
"Du kannst auf der Coach schlafen, wenn du willst."
Ich nicke und lasse mich auf die alte Ledercoach fallen. Mein Blick wandert durch die Wohnung. So sieht es also aus, wenn man komplett von vorne anfängt. So wird jetzt erstmal mein Leben aussehen. Ich werde die nächsten Wochen erstmal an einem Ort verbringen, den ich nicht kenne und wo ich keine Ahnung hab, wo ich eigentlich bin. Luke setzt sich auf die Matratze und zieht seine Schuhe aus.
"Da vorne übrigens", er zeigt in die Richtung zweier Türen am Ende des großen Raumes, "da ist da Bad und ein Kühlschrank und ne Mikrowelle." Ich nicke erneut.
Luke faltet seine Hände und schaut mich an: "Die nächsten Wochen wirst die Wohnung hier erstmal nicht verlassen. Erstens, weil du noch zu verletzt bist und erstmal wieder zu Kräften kommen musst. Und zweitens, damit dich keiner auf den Straßen sieht."
"Aber ich dachte, dazu habe ich den hier?", ich halte den Kapuzenpulli hoch, den mir Luke vorhin gegeben hat.
"Auch", er spielt mit den Ring an seinem Zeigefinger und seufzt, "am Anfang bleibst du aber lieber noch mal hier. Ich muss doch ein paar Sachen genauer erklären, bevor du raus gehst." Mein Leben hat sich echt schlagartig geändert. Vorher bin ich den Menschen aus dem Weg gegangen, weil ich lieber alleine sein wollte, weil sie mich sowieso nur fertig gemacht haben. Und wenn sie mich nicht gesehen haben, haben sie mich auch nicht fertig gemacht und beleidigt. Jetzt muss ich ihnen aus dem Weg gehen und sie dürfen mich nicht sehen und erkennen, denn sonst würde ich zu meinem alten Leben zurückkehren müssen und alles würde nur noch schlimmer werden.

A/N: Fehler werden später berichtigt. Ich wollte euch nämlich möglichst bald ein Update liefern können. Ich das Kapitel gefällt euch❤️

Disappear | cakeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt