Als ich die Augen öffnete lag ich nicht länger im Labor sondern auf der Krankenstation. Noch immer waren die Kopfschmerzen bestialisch und mir war heiß. Ich stöhnte und wollte mich aufsetzen, wobei mir leider schwindelig wurde und ich ins Bett zurückfiel. „Das solltest du besser bleiben lassen" hörte ich eine vertraute Stimme neben mir sagen und fuhr mit dem Kopf herum. „Du schon wieder" flüsterte ich leise und Dane schenkte mir ein Lächeln. „Bloß nicht zu viel Begeisterung. Siehst du hier sonst noch jemand anderen der nach dir sieht? Also ich nicht. Könntest mir wirklich mal dankbar sein." Stöhnend zog ich mir die Decke übern Kopf. „Wäre nicht nötig gewesen. Ich komme auch alleine sehr gut klar." Erwiderte ich störrisch. „Und wie willst du an was zu trinken kommen ohne gleich in Ohnmacht zu fallen?" fragte er belustigt. Verdammt. Da hatte er mal ausnahmsweise Recht. Ich konnte mich ja noch nicht mal aufsetzen. Wieso war er überhaupt hier? Von wem hatte er es erfahren? Machte er sich etwa Sorgen? „Du hast mich ziemlich erschreckt. Als ich in der Pause Traver übern Weg lief, erzählte er mir was passiert war und ich machte mich sofort aufm Weg hierher. Du hast volle zwei Stunden geschlafen. Julius ist gerade los und besorgt dir was zu essen. Weißt du eigentlich wie süß du aussiehst wenn du schläfst?" Ich zog die Decke weg und sah ihn genervt an. Auf einen Schlag sah er ernst aus. „Was ist dort passiert?" Stimmt ja. Ich war ja aus der Geisterwelt geflüchtet. Bei den Gedanken zuckte ich zusammen und Danes Blick verschärfte sich. „Ein riesiges Monster wollte mit mir Fangen spielen. Mehr nicht." Fragend hob er eine Augenbraue. „Und wieso hast du diesem Monster nicht die Fresse poliert?" Er hatte mich. Verdammt. Sachen aus einem herauszukriegen, die man nicht preisgeben wollte, war sein Spezialität. Zögernd sah ich ihn an. „Es hat ein kleines Mädchen ohne weiteres einfach verschlungen und ich wäre wahrscheinlich die nächste gewesen, also habe ich die Verbindung gerissen. Ganz einfach." Danes Blick veränderte sich nicht. „Also hättest du sterben können." Stellte er fest. „Könnte man so sagen. Ich weiß es nicht, wollte es aber auch nicht ausprobieren." Er runzelte die Stirn. „Alleine die Tatsache, dass du die Verbindung so schnell gekappt hast. Du hättest bleibende Schäden davon tragen können, ist dir das klar?" Jetzt sah er wütend aus. Warte? Hielt er mir gerade Vorträge was ich angeblich Falsch gemacht habe, als ich versucht habe mein Leben zu retten und er gemütlich im Klassenraum saß?! „Misch dich nicht in Sachen ein von denen du keine Ahnung hast!" fauchte ich ihn an. „Du weißt ganz genau, dass ich weiß worum es hier geht." Seine Stimme war eisern und entschlossen. Stimmt ja. Er hatte eine ähnliche Gabe wie meine. Nur wanderte der nicht in der Welt wie ich, sondern in komplett anderen. Die ernste Seite kannte ich nicht von ihm. Das war mir doch auch alles zu viel. Auch wenn ich mich versuchte dagegen zu wehren, kamen wieder diese bescheuerten Tränen, die in meinen Augen brannten. Ich war wütend und hatte Angst. Ja, ich fürchtete mich vor dem Unbekannten. Ich war total überfordert. Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Die Matratze sank neben mir ein und kurz darauf packten mich zwei kräftige Hände und zogen mich an Dane heran. Er schloss seine Arme um mich und ich vergrub mein Gesicht in seinem T-Shirt. Sein Kinn ruhte auf meinem Kopf und ich spürte seinen Herzschlag unter meinen Fingern, die an seiner Brust ruhten. Die Wärme und sein Duft beruhigten mich. Schon wieder dachte ich etwas so absurdes. Dabei dachte ich doch, dass ich ihn nicht ausstehen kann, aber wieso fühlt es sich dann so vertraut an? Er drückte mich fester an sich heran, als hätte er selber auch gerade solche Gedanke und ich klammerte mich in sein Shirt. Mein Herz schlug schneller und meine Wangen fingen an zu glühen. Fieber? Sein Mund sank zu meinem Ohr. „So schlimm?"flüsterte er. „Blödmann" Ich schlug ihn leicht gegen die Brust. Er lachte. Plötzlich löste er sich und die Tür ging auf. Julius kam mit einer kleinen Tüte in der Hand hinein und setzte sich auf den Stuhl, wo Dane noch gesessen hatte, der aber nun bei mir mit aufm Bett saß. Peinliche Situation. „Ah Lia, du bist wach. Wie schön. Aber du bist ziemlich rot. Hast du etwa Fieber?" Er musterte mich noch einen kleinen Augenblick, schaute dann aber Dane an. „Oder hast du sie wieder geärgert und sie ist so rot, weil sie wütend auf dich ist?" Er sah Dane erwartungsvoll an. „Ich? Sie ärgern? Würd ich nie tun. Was denkst du bloß von mir. Wir haben uns super verstanden nicht war Lia?" Wieder dieses bescheuerte Grinsen. Jetzt würde ich ihm mal gerne die Fresse polieren. „Er hat mich belästigt." Genervt rollte Julius die Augen. „Selbst jetzt kannst du es einfach nicht lassen. Wer kam bloß auf die Idee euch im selben Jahrhundert zu erschaffen?" „Das würde ich auch gerne wissen" erwiderte ich. Dane sah uns fassungslos an. Anscheinend hatte er ist immer noch nicht verkraftet, dass er gerade die Arschkarte gezogen hatte. „Julius. Du glaubst ihr auch noch? Wie könnt ihr euren besten Freund so hintergehen? Ich bin echt verletzt." Er guckte Julius mit einer gespielten Traurigkeit an. Er ignorierte ihn. War wohl auch das Beste was er machen konnte. „Hier" Julius gab mir eine Bäckertüte, die verdächtig nach Käse roch. Ich lächelte ihn dankend an. Käselaugenstange. „Julius" er sah mich fragend an. „Du bist mein Held" erwiderte ich ernst. Er fing an zu lachen. „Wenn der dein Held ist, muss ich aber dein Gott sein." Sprang Dane dazwischen. „Wohl kaum. Von allen Menschen dieser Welt, bist du der jenige, der am wenigsten Heldenhaft ist. Glaub mir. Die Rolle würde dir nicht stehen." Jetzt musste ich auch lachen. Wieder öffnete sich die Tür und Traver kam herein. Er musterte kurz die belustigte Runde und dann mich. Ein prüfender kurzer Check. Dann lächelte er mich an. „Lia. Wie schön. Anscheinend geht's dir wieder gut. Das freut mich. Meine Herren." Er sah die beiden Jungs an, die sofort verstanden. Traver wollte mit mir alleine reden. Dane blieb noch einmal in der Tür stehen und sah mich an. Er wollte wohl wissen ob es in Ordnung sei. Ich nickte und er schloss seine Augen, drehte sich um, verließ den Raum und schloss die Tür. Jetzt sah Traver mich ernst an. Ich wusste was er sagen wollte. Genau das Gleiche wie Dane. Was ist dort passiert? Ist dir klar was das für ein Risiko war? Mach das nie wieder. Und all so ein Kram würde gleich aus seinem Mund herausgesprudelt kommen. Er setzte schon zu einem Satz an und ich machte mich bereit. „Hattest du große Angst?" Warte was?! Hat er mich das jetzt wirklich gefragt? Ok. Damit hätte ich definitiv nicht gerechnet. Würde ich ihm die Wahrheit sagen? Würde ich ihm sagen, dass ich beinahe vor Angst gestorben wäre oder würde ich versuchen das lässige Mädchen zu spielen, was leicht damit fertig geworden ist. Er sah mich mit seinen ehrlichen, durchdringenden Augen an und ich konnte ihn einfach nicht anlügen. Traver war mit einer der einzigen Menschen in meinem Leben, die sich bemühten mich zu verstehen und es auch teilweise taten. Ihn anzulügen wäre nicht fair ihm gegenüber. Schließlich hatte ich es Dane auch anvertraut und dem vertraute ich sogar weniger. Glaube ich. „ Ja" sagte ich schließlich. Ich hatte meine Augen geschlossen. „Angst ist untertrieben. Ich wäre beinahe gestorben. Ich stand dem Tod gegenüber. Ein Monster. Seine rot glühenden Augen ruhten auf mir und in ihnen spiegelte sich der Tod wieder. Er verschlang ein kleines Geistermädchen und fast hätte ich das gleiche Schicksal geteilt, aber ich habe mich gerettet, in dem ich mich abgekapselt hatte. Riskant, aber ich sah keinen anderen Weg und ich wollte nicht herausfinden, ob ich wirklich sterben würde. Sowas habe ich noch nie gesehen. Bis jetzt hatte alles nie Einfluss auf die Geister, aber" Ich zögerte kurz. „Aber das Ding. Es verändert alles und macht es schwierig. Es raubt mir meine Kraft." Entsetzen breitete sich auf Travers Gesicht aus. Er schien sprachlos vor schock zu sein, fasste sich dann aber wieder. „Mit einer derartigen Umstellung haben wir nicht gerechnet." Konzentriert runzelte er die Stirn. „Ich werde sofort den Schulleiter in Kenntnis setzen. Kommst du alleine klar? Soll ich Dane schicken?" Wieso ausgerechnet Dane?! „Nein. Ich komme schon klar" Er sah mich nochmal ernst an. „Ach und Lia. Überanstreng dich nicht. Ich meins Ernst. Dein Körper ist immer noch sehr geschwächt." Genervt sah ich ihn an. Die Menschheit machte sich eindeutig zu viele Sorgen. „Ja Traver" sagt ich schließlich um ihn zu beruhigen und er verließ den Raum. Nun war ich wieder alleine. Es war still. Nichts Ungewöhnliches für mich, denn ich war immer alleine in meinem Zimmer und starrte die Decke an oder guckte, wie sorglos doch manche Menschen waren, auf YouTube. Doch diesmal war die Stille anders. Nicht beruhigend, eher bedrückend. Ich spürte wieder Danes Umarmung. Dieses wohltuende Gefühl, das sich in mir ausbreitete. War ich wirklich so schwer krank, dass ich in so einem Moment an ihn dachte? Egal wie sehr ich mir versuchte einzureden, dass es mich angeekelt hatte, konnte ich es nicht, denn die Wahrheit war, dass ich es genossen hatte. Ich hatte genossen, dass mich jemand fest in seinen Armen hielt. Mir Halt gab und mich nicht fallen ließ. Ich entschloss mich dafür langsam aufzustehen und mich nach Hause zu begeben. Diesmal klappte es auch und mir wurde nicht noch einmal schwindelig. Ich verließ die Krankenstation und machte mich auf den Weg Richtung Ausgang. Wir hatten gerade Pause, also waren die Gänge der Schule vollgestopft und ich versuchte mich so gut wie möglich durchzudrängeln. Das klappte auch ganz gut, bis ich von einem Haufen kleiner 6 Klässler angerempelt wurde und stolperte, doch bevor ich volle Kanne auf die Fresse flog, packte mich jemand an der Schulter und an der Taillier und zog mich hoch. „Vorsichtig" hörte ich die vertraute Stimme belustigt sagen. Der jenige der mich gerade vor einer peinlichen Situation bewahrt hatte, war Julius. „Julius. Oh danke." „Keine Ursache. Wir müssen ja nicht zulassen, dass du zweimal am Tag umkippst" Er zwinkerte mir zu. „Da hast du Recht" sagte ich und lächelte ihn an. „Wollen wir nach Hause?" Mischte sich eine weitere Stimme ein. Es war Danes. Sofort fing mein Bauch an zu kribbeln und die Gedanken kamen mir wieder hoch. Jetzt bloß nicht rot werden. „Ja würde ich sagen" erwiderte Julius und wir machten uns auf dem Weg. Julius ging in der Mitte, rechts von ihm Dane und links ich. Während des ganzen Weges unterhielten sie sich über irgendein Computerzeugs, aber ich hörte ihnen nicht zu, würde sowieso nichts verstehen und war auch mit meinen eigenen Gedanken viel zu beschäftigt. Er verhielt sich so wie immer. Als wäre nie was gewesen. Er wollte mich anscheinend einfach nur trösten, mehr nicht. Das ist gut. Ziemlich gut oder? Warum denke ich eigentlich schon wieder an ihn?! Hau ab Dane! Raus aus meinen Kopf! Ich dreh noch durch! Meine Gedanken kloppten immer weiter auf mich ein und ich bemerkte gar nicht, wie Julius versuchte mit mir Kontakt aufzunehmen. „Erde an Lia? Hallo? Kannst du mich hören?" Verdattert starrte ich ihn an. „Was ? Ja?" Er seufzte und schüttelte den Kopf. „Du solltest dich wirklich nochmal schlafen legen. Ich muss jetzt abbiegen. Sei vorsichtig. Tschau!" Immer noch leicht benommen, sah ich Julius hinter her, der in eine andere Straße abbog und hinter ein paar Häusern anschließend verschwand. Die leichte Sommerbrise wehte mir ins Gesicht und durch meine Haare. Sie sahen bestimmt furchtbar aus. Keine Frisur überlebt fast zwei Stürze und zwei Stunden Schlaf. Das kann nicht gut gehen. Schweigend gingen Dane und ich nebeneinander her. Seit dem Vorfall im Krankenzimmer hatten wir kein einziges Wort miteinander gewechselt. Jetzt waren wir wieder alleine. Ob er wohl gerade an das Gleiche dachte. Ich riskierte einen kurzen Seitenblick, aber Dane ging stur geradeaus und wenn er etwas bemerkte, ließ er es sich nicht ansehen. Plötzlich blieb er stehen und ich zuckte zusammen. Fragend sah ich ihn an. „Wir sind da" Da? Wo sind wir denn bitte. Doch da fiel es mir wieder ein. Die fünfte Straßenlaterne. „Achso. Ok. Na dann. Tschau." „Tschau" sagte er schlicht weg ohne jede kleineste Mimik in seinem Gesicht und drehte sich um. Ich dachte schon er würde einfach weg gehen ohne noch etwas zu sagen, aber er blieb wieder stehen. „Willst du nicht auch nach Hause gehen?" fragte er, nun aber mit leichter Belustigung in der Stimme. „Hä? Was? Äh ja. Mach Ich" Die letzten Worte waren nur noch ein leises Flüstern. Er seufzte und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, dreht sich wieder um und stellte sich vor mich. Um ihm in die Augen schauen zu können musste ich meinen Kopf heben. Seine grünen Augen fixierten allein mich und in ihnen sah ich seinen wilden Charakter, Belustigung und noch etwas anderes, was den Augen ihren Glanz verlieh, konnte es aber nicht zuordnen. Er grinste. „Was?" fragte ich ihn verwundert. „Wer hätte gedacht, dass du so ein Schisser bist." Was?! Was hatte er gerade gesagt? Doch bevor ich ihn anschnauzen konnte, packte er mich an Schulter und Taille und zog mich an sich. Ich erwiderte seine Umarmung sofort, in dem ich meine Arme um seinen Bauch schlang und mein Gesicht in seinem Shirt vergrub. Sein berauschender Duft ließ mich komplett die Zeit vergessen. Sein Herzschlag beschleunigte sich und er zog mich noch fester an sich heran. Ich hob mein Kopf um ihn in die Augen schauen zu können, um vielleicht aus ihnen etwas abzulesen. Dabei wurde mir Bewusst, wie nah unsere Gesichter aneinander waren. Dane nahm mein Kopf in seine behutsamen Hände. Mit seinem Daume wischte er eine Träne weg und schmunzelte. „Echt mal. Du Heulsuse." Er kam mir noch ein bisschen näher. Nun ruhte seine Stirn gegen meine und er schloss seine Augen. „Du willst mich quälen oder?" flüsterte er leise. „Immer doch." Erwiderte ich und lächelte. Wir blieben noch eine Weile so stehen, für wie lange weiß ich aber nicht. Abrupt löste er sich von mir und schenkte mir wieder ein Lächeln. „Geh jetzt nach Hause und ruh dich aus. Wir sehen uns dann morgen." Das waren seine letzten Worte, bevor er sich umdrehte und ging. Komischer Kerl. Auch wenn ich es ungern zugebe, aber interessant.
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Die Suche nach meinem Ich
FantasyDie sechzehnjährige Lia hat vor zwei Jahren alles verloren was ihr lieb war. Mit der Gabe als Weltenwandlerin ist sie verflucht und tut sich mit ihrer Vergangenheit sehr schwer. Auf der speziellen Schule lernt sie mit ihrer Gabe umzugehen und sie be...