Kapitel 5

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Ich wollte nicht. Ich wollte nicht zu diesem Ort zurück. Aber sich vor der Schule drücken ist nicht wirklich einfach, vor allem wenn man Abby hat. Ich stand unten in der Küche und war gerade dabei den letzten Rest Müsli in der Schüssel auszukratzen, während Abby verzweifelt versuchte alles aus mir heraus zu quetschen. Anscheinend hatte Traver sie nicht angerufen, zu meinem Glück. Konnte ich ihm jetzt mehr vertrauen? „Bleib hier! Erst wirst du mir erzählen was gestern geschehen ist! Sonst bekommst du dein Sandwich nicht." Mit einem siegessicheren Blick wartete Abby meine Reaktion ab, in der Hoffnung, dass ich aufgeben würde. Klar! Genervt verdrehte ich meine Augen. „Abby, gestern, ist und wird auch nie was passiert sein und wegen dem Sandwich." Sie sah mich erwartungsvoll an. Ich schüttelte leicht den Kopf. Dann holte ich tief Luft. „ Die gehen mir am Arsch vorbei." Dann drehte ich mich um und ging aus der Haustür heraus, ohne mich noch einmal umzudrehen und in ihre Augen zu schauen. Ich war ihr zu nahe gekommen und das hatte ich gestern gespürt. Das musste ich wieder ändern. Ich durfte keine Menschen zu nah an mich heran lassen. Das würde mich nur wieder zerstören und sie mit. Es war das Beste. Da war ich mir sicher. Ich ging die Straße runter, immer weiter. 3,4, ich hielt kurz inne, ging dann aber weiter. Er war nicht da. Ich folgte dem Weg immer weiter und irgendwann stoß Julius zu mir. „Morgen Lia. Alles klar? Geht's dir besser?" Seine fröhliche Stimme war heute grausam. Grausam anzuhören. „Ja, danke der Nachfrage." Monotone, knappe Wörter. Das eiskalte Mädchen. Es war besser so. Julius schien es gemerkt zu haben, ging dennoch fröhlich pfeifend weiter neben mir her. Er wollte mir zeigen, dass er da war. Ich konnte nicht anders. Ich war ihm dankbar. Wir gingen durch die Gänge der Schule, an dem Labor vorbei, das mir einen Schauer über den Rücken jagte, zu unserem Klassenraum. Als die Mädchen mich entdeckten, schauten sie erst mich giftig an, dann erwartungsvoll hinter mich, aber er war nicht da und das konnte man klar in ihren Gesichtern erkennen. Die Enttäuschung, wenn es nicht sogar schon Einsamkeit war. Fühlte ich das gleiche? Nein. Ich ließ mich auf meinem Platz fallen und Julius setzte sich diesmal neben mich. Er zögerte kurz. Er wollte mich wohl was fragen, traute sich aber nicht. Nahm ich ihm nicht übel, so wie meine Aura gerade war, müsste er wohl damit rechnen, dass ich ihn erst sein feines Gesicht demolieren und anschließend seinen Mund zunähen würde. Ich hörte wie er tief einatmete, wahrscheinlich um sich vorzubereiten, auf das was gleich kommen würde. Seine Nervosität konnte ich klar spüren, doch dann war sie abrupt weg und ich drehte meinen Kopf zu ihm, um ihn in die Augen zu schauen. Sein Blick war eisern, herausfordernd und dennoch freundlich. Ich war immer wieder fasziniert davon, wie er das schaffte. Das hatte er schon immer gemacht, wenn er für Gerechtigkeit sorgte, aber hier konnte er das nicht, also was wollte er? „Wirst du heute wieder dorthin zurück gehen?" Fragend sah ich ihn an. Er zögerte kurz. „Du weißt schon was ich meine. Das Labor." Ich hielt seinem Blick weiter stand. „Wenn ich muss, dann muss ich. Wieso interessiert dich das?" Jetzt wurde sein Blick weich. Er hatte schöne Augen, die jedem Menschen einen starken Eindruck von ihm hinterließen. „Wir wollen nicht, dass dir was passiert. Egal was gestern da geschehen ist, es besteht immer noch die Wahrscheinlichkeit, dass es wieder geschehen wird." Fragend hob ich eine Augenbraue. „Wir?" Er guckte verlegend runter. „Du weißt schon. Dane und ich..." Er stoppte kurz. „Sind deine Freunde. Und wir wollen noch ein bisschen was von dir haben." Sein Blick traf jetzt wieder meine Augen. Meine Freunde? Ich wurde glaube ich rot, denn Julius fing an zu schmunzeln. Ich senkte den Blick und versuchte wieder klar zu denken und richtige Sätze zu bilden. „ Danke. Ich weiß, dass ich auf euch zählen kann. Aber wenn sie mich auffordern, dann bleibt mir keine andere Wahl." Ich wusste es wirklich. Auch wenn es mir nicht gerade gefiel, aber ich hatte das Gefühl, dass ich ihnen vertrauen konnte. So viel zu meinem Plan, dass ich mehr Abstand wieder schaffen wollte. Seufzen fuhr ich mir mit meiner Hand durchs Haar. „Ich.." Weiter kam ich nicht, denn Julius packte mich am Arm und zog mich an sich und nahm mich in fest in seine Arme. Mein Herz fing schneller an zu schlagen und ich spürte, wie auch seins einen Satz machte. Sein Mund glitt langsam zu meinem Ohr. „Du bist nicht alleine." Etwas Nasses lief über meine linke Wange. Wieso weinte ich? „Also echt." Julius lachte und ließ mich los. Er kramte kurz in seiner Tasche rum und reichte mir dann ein Taschentuch. „Hier. So emotional kennen wir dich ja gar nicht" Er lachte. Ich verpasste ihm einen leichten Stoß an die Brust und trocknete meine Tränen. Ein Krächzten kam aus den Lautsprechern und jeder zuckte erschrocken zusammen. Dann ein Räuspern und die Stimme unseres Direktor erklang. „Guten Morgen meine lieben Schüler und Schülerinnen. Entschuldigt diese so frühe Störung, aber ich habe eine wichtige Nachricht, die ich euch mitteilen muss. Auf Grund spezieller Ereignisse wird der praktische Unterricht für diese Woche ausfallen. Für diejenigen, die diese Woche für die es das erste Mal gewesen wäre, entschuldige ich mich vom ganzen Kollegium aus. Euch steht es dennoch frei, die neu gewonnene Zeit selbst zu gestalten, aber sie müssen abgesessen werden. Die Pläne werden nach der Mittagspause ausgehängt. Des Weiteren bitte ich Lia Loreen Lorett sofort ins Sekretariat zu kommen. Danke, einen erfolgreichen Schultag noch." Julius und ich sahen uns verwirrt an. Was wollten die von mir? Hatte es etwas mit gestern zu tun? Ich machte mich wie befohlen sofort auf den Weg in Sekretariat. Julius wollte mich begleiten, aber ich hatte ihm gesagt, dass sie ihn wohl erwähnt hätten, wenn er hätte mitkommen sollen. Darauf hatte er nachgegeben und ließ mich ziehen. Die Gänge der Schule waren leer und dann stand ich vor der Tür. Ich wusste nicht was mich dahinter erwarten würde. Ich holte tief Luft, bevor ich meine Hand auf die Klinke legte und sie runter drückte. Der Duft nach frisch gedrucktem Papier lag in der Luft und ich schloss die Tür hinter mir. Hinter dem Tresen saß eine ältere Dame mit einer weißen, kurzen Lockenpracht und einer auffälligen roten Brille. Als sie mich bemerkte hob sie den Kopf und zeigte auf die Tür links neben mir. Ich nickte und klopfte an der Tür. Die Stimme des Direktors bat mich herein und ich ging ins Zimmer. Ein kleiner Raum mit zwei großen Fenstern, die aber von Jalousien bedeckt waren. Helle Beleuchtung und bunte Bilder und Zertifikate an der Wand, machten diesen Raum einladend und wohlfühlend. Bei den Fenstern stand ein Schreibtisch und vor ihm zwei Stühle. Hinterm Schreibtisch saß der Direktor, der mich freundlich anlächelte. Auf dem einem Stuhl davor saß Traver, der mich zwar anlächelte, aber mit einer Spur Mitleid im Blick. Also würde etwas von mir verlangt werden, was ich nicht gerade gut heißen würde und das wusste Traver ganz genau, denn von allen hier arbeitenden Menschen, kannte er mich am besten und wusste wie ich ticke. Was aber nicht ganz auf Gegenseitigkeit beruhte, denn er hatte diese schreckliche Angewohnheit mich da immer wieder zu überraschen, aber diesmal war ich sicher. Mich würde etwas Großes erwarten. Der Direktor räusperte sich. „Lia, schön das du so schnell her gefunden hast." Natürlich, besuche ja jetzt schon lang genug diese Zwangsanstalt, aber das konnte ich ja schlecht sagen, also nickte ich ihm nur freundlich zu. „Bitte setz dich doch." Ich ließ mich neben Traver auf dem Stuhl nieder und schaute dem Direktor genau in die Augen. „Also. Was soll ich für sie erledigen?" Sagte ich mit eiserner Stimme. Er hob überrascht die Augenbrauen. „Lia." Traver stupste mich zurechtweisend an. „Lass sie ruhig Traver. Sie hat das Recht misstrauisch zu sein. Das haben wir uns selber zu zuschreiben, schließlich haben wir sie per Lautsprecher her degradiert. Da kann man doch nur böses ahnen und da liegst du auch nicht falsch." Er lehnt sich weiter nach vorn und stützt sein Kinn auf seinen zusammen gefalteten Händen ab und lässt mich nicht aus seinem Blick. „ Lia, mir wurde berichtet was gestern geschah. Zum Teil habe ich es ja auch miterlebt, aber leider nur das was in dieser Welt geschah. Der andere Teil wurde mir von Traver berichtet. Nur haben wir jetzt ein großes Problem. Maschinen können uns nicht alles sagen und so stehen wir vor einem großen Rätsel. Wir müssen herausfinden was sich verändert hat und warum. Und vor allem, in wie fern es sich auf Leute wie dich auswirkt. Auf deine gleich Gesinnten. Verstehst du was ich meine?" Ich seufze. „Also wollen sie, dass ich mich dorthin begebe, mich diesem Ding stelle und es ausfrage? Oder doch lieber gleich fressen lasse? Wieso nehmen wir nicht gleich noch mehr Weltenwandler mit als Vorspeise!?" Ich sprang auf und haute beide Hände auf den Tisch und sah dem Direktor ganz klar in die Augen. „Das ist Wahnsinn", sagte ich mit eiskalter, aber ruhiger Stimme. „Lia! Jetzt reicht es aber!" Traver packte mich Arm und zog mich zurück auf den Stuhl. Der Direktor seufzte. „Wir haben sie nicht ohne Grund ausgesucht. Sie haben sehr viel Erfahrung was das Weltenwandeln angeht und kennen sich mit den Eigenschaften und Verhalten der Geister bestens aus. Kurz gesagt, sie sind in diesen Bereich die beste ausgebildete Schülerin die wir haben. Wir brauchen dich Lia. Du bist die Einzige, die herausfinden kann was sich verändert hat. Ich habe sie beobachtet. Sie und ihre Testergebnisse. In kürzester Zeit haben sie die Geisterwelt zu ihrer eigenen gemacht." „Ich habe mich ihnen angepasst und nicht rebelliert.", protestierte ich. „Das wissen wir.", erwiderte Traver. „Dennoch bist du die Einzige, die uns da weiter helfen kann. Habe mehr vertrauen in deine Fähigkeiten Lia. Du kannst das und du weißt das auch. Ich kann verstehen das du Angst hast." Angst? Nein, das war keine Angst, das war als würde ich zum Tod persönlich gehen und sagen hay, hier bin ich, komm und hol mich. Das war geisteskrank, aber sie hatten Recht. Wenn ich es nicht tun würde, müsste es jemand machen, der weniger Erfahrung als ich hatte und würde wahrscheinlich sofort scheitern. Genervt rieb ich meine Stirn. „Also schön, ich mach es." Ich dachte ich sah für einen Moment Erleichterung in ihnen zu sehen, aber dieser Moment war schnell vorbei. „Wann?", fragte ich. Traver sah mich an. „Von mir aus jetzt. Die Mission wurde schon vorbereitet." Fragend sah ich ihn an. Er zuckte mit den Schultern. Er wusste ganz genau, dass ich zustimmen würde. Wir machten uns sofort auf den Weg zu den Laboren, aber nicht in die Gewöhnlichen wie sonst, nein. Wir gingen in das Missioncenter. Das Zentrum der Schule. Es war ein großes Glasgebäude, wo man von außen nicht reingucken konnte. Es war verboten es für Schulischen Unterricht zu nutzen. Es wurde einschließlich für wichtige Mission jeglicher Gaben benutzt und auch nur von denen, deren Ausbildung fast oder schon lange beendet war. Und genau dieses Gebäude betrat ich gerade. War ich nun ein vollständiger Teil dieser Gemeinschaft? Wir folgten einen langen Korridor, der überall Türen hatte mit Überschriften der verschiedenen Gaben. Hellsehmagie, Gestaltenwandlermagie, Universumwandlermagie und noch viel mehr. Wir bogen rechts ab und hielten vor der letzten Tür. Es war die Einzige in diesem Gang. Der Direktor steckte eine kleine Karte ins Schloss, das klickte und die Tür öffnete sich.




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