Karla
Auch am nächsten Tag brachte ich Mia nicht in die KiTa.
Am vorherigen Abend hatte ich Niall angerufen und ihm von meinen Erkenntnissen erzählt. Zunächst hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil ich einfach so Lenis Geheimnisse weitererzählte, aber eigentlich fühlte es sich nicht falsch an und ich hatte das Bedürfnis, mit jemandem darüber zu sprechen.
Niall hatte vorgeschlagen, ich solle der Klinik doch einfach einen Besuch abstatten und da ich bereits selbst mit dem Gedanken gespielt hatte und keine andere Idee hatte, die meine Suche vorantreiben könnte, tat ich genau das.
Ich hatte bei der Klinik angerufen und mich und Mia angekündigt. Es gab scheinbar feste Besuchstage und heute war keiner davon, doch nach einigem hin und her ließ sich die Dame dann doch überreden, uns zu empfangen.
Bevor wir los fuhren hatte ich noch einmal bei Leni vorbei geschaut. Sie lag weiter im Koma, der Zustand blieb stabil und die Ärztin hatte gemeint, das würde wohl noch ein bis zwei Tage so bleiben.
Die Fahrt hatte ein wenig über zwei Stunden gedauert. Mia war nach circa einer halben Stunde eingeschlafen und so hatte ich Zeit gehabt, mir einen Plan zurecht zu legen.
Ich parkte mein Auto auf dem Besucherparkplatz und sah mich um. Die Klinik lag mitten in einer parkähnlichen Anlage und im Grünen - die nächste größere Ortschaft hatte ich vor 10km passiert.
Das Gebäude selbst war strahlend weiß und erinnerte an ein kleines Schlösschen, ein Landsitz vielleicht.
ich weckte Mia und zusammen gingen wir die Steintreppe zum Eingangsportal hinauf. Eine automatische Tür öffnete sich, als wir nähre traten. Dahinter tat sich eine Empfangshalle mit einer jungen Frau an einem Tresen auf.
Ich staunte nicht schlecht über den marmornen Boden, die edlen Holztreppen und den schlichten Kronleuchter.
Dann trat ich an den Empfangsschalter. Ich versuchte so selbstbewusst wie möglich zu wirken.
"Guten Tag. Wie kann ich Ihnen helfen?"
"Mein Name ist Karla Göppel. Ich habe einen Termin mit Doktor Jordan. Paula betreffend."
"Oh, natürlich..."
Die Empfangsdame rief über eine Kurzwahlnummer bei Frau Jordan an und wandte sich wieder mir zu.
"Frau Doktor Jordan erwartet Sie bereits. Ich werde Sie zu ihrem Büro geleiten."
Sie lief schweigend voraus, ohne meine Reaktion abzuwarten und so blieb mir nichts weiter, als ihr zu folgen, Treppen hinauf und hinab, scheinbar endlosen Gängen entlang.
Vor einer der Türen blieb sie stehen, klopfte und wir traten anschließend ein, ohne eine Antwort abzuwarten.
"Miss Göppel", begrüßte mich eine ältere Dame. Ihr alter konnte ich schwer einschätzen; während ihre Haut an Händen und Gesicht nur wenige Lachfalten und Altersflecken aufwies, noch jung wirkte, war ihr Haar, das in sanften Locken bis zu den Schultern fiel, von einem strahlenden Weiß, dass sie sehr alt wirken lies.
"Guten Tag Doktor Jordan. Danke, dass sie mich empfangen."
"Gerne. Aurora, wenn Sie bitte Mia mitnehmen und in das Spielzimmer bringen würden? Dann können Miss Göppel und ich mich in Ruhe unterhalten..."
"Hast du Lust Mia?", fragte Aurora, die Empfangsdame und ehe ich etwas einwenden konnte war Mia schon freudestrahlend zu ihr gelaufen und hatte nach ihrer Hand gegriffen.
Als sich die Tür hinter den beiden schloss, ergriff die Doktorin das Wort:" Sie sind als Miss Göppel. Magdalena hat mir erzählt, dass sie für alles zuständig sein würden, sollte sie jemals nicht dazu in der Lage sein. Wie steht es um sie?"
Ich berichtete also, was vorgefallen war und wunderte mich im Stillen, dass Doktor Jordan über mich Bescheid wusste, ich jedoch noch nie von ihr oder ihrer Institution gehört hatte. Zumindest würde ich es so leichter haben, antworten von ihr zu bekommen, oder?
Immer schön das positive sehen, ich konnte ja doch nichts ändern.
Als ich meinen Bericht abgeschlossen hatte - Doktor Jordan hatte während der ganzen Rede keine Miene verzogen - stieß sie einen tiefen Seufzer aus.
"Das arme Kind, als hätte sie nicht schon genug mitgemacht..."
Auf der herfahrt hatte ich mir überlegt, wie ich die Sache angehen wollte. Ich hatte Lenis Patientenverfügung dabei, damit wollte ich Frau Jordan davon überzeugen, dass Leni mir vertraute und ich in ihrem Sinne handeln sollte. Nach den einleitenden Worten Frau Jordans zu Anfang, nämlich dass ich "für alles" (wofür auch immer) zuständig sei, war dies natürlich unnötig. Ich beschloss, direkt mit der Türe ins Haus zu fallen.
"Es tut mir leid, aber was genau hat es hiermit", ich zeigte auf die Umgebung, " auf sich. Leni hat nie etwas erzählt."
Eigentlich hatte ich keine Antwort erwartet. Keine so ruhige zumindest. Ich hatte erwartet, dass sie sich aufregen würde, doch Frau Jordan blieb ganz gelassen.
"Die Sache ist ein wenig kompliziert und ich denke, sie wollte nicht, dass Sie nachfragen. Im Grunde ist es so: Magdalenas Tochter, Paula, die Zwillingsschwester von Mia, befindet sich hier in Behandlung und Pflege. Die Behandlung haben wir vor einigen Wochen, auf Magdalenas Wunsch hin, abgebrochen. Sie hatte eh kaum Aussicht auf Erfolg und Magdalena wollte Paula die Behandlung nicht länger zumuten.
Magdalena hat verfügt, dass Sie nur in ihrem Todesfall über die genauen Umstände informiert werden sollen. Ich kann Ihnen jedoch einige Informationen über Paulas Behinderung übergeben. Und Sie können sie natürlich kennen lernen."
Während Frau Jordan gesprochen hatte, versuchte ich, die Informationen in meinem Kopf zu sortieren. Warum nur hatte Leni nie etwas gesagt? Hatte sie sich geschämt? Dachte sie, ich würde sie rausschmeißen?
"Hier."
Doktor Jordan reichte mir einen Schnellhefter voller Blätter.
"Die hat Magdalena eigenständig für sie zusammengestellt. Es sind alle Informationen enthalten, die Sie benötigen könnten. Für alle Entscheidungen sind nun Sie zuständig. Sie sollten dies daher lesen. Vielleicht am besten Zuhause, wenn Sie etwas mehr Zeit und Ruhe habe. Möchten Sie jetzt vielleicht Paula kennenlernen?"
Auf dem Schnellhefter klebte ein Foto. Das Mädchen auf dem Bild musste etwa so alt sein, wie Mia. Sie sah auch ein wenig aus, wie Mia, nur, dass eine Narbe ihr Gesicht verunzierte. Sie verlief Quer einmal über das Gesicht, machte sie auf dem linken Auge blind und verzog ihre Nase sowie den rechten Mundwinkel nach unten.
Ich schluckte und nickte dann als Antwort auf Doktor Jordans Frage. Zumindest wusste ich nun, was auf mich zukommen würde, richtig?
Als ich mich erhob zitterten meine Beine.
"Ich weiß das ist viel, das alles auf einmal zu erfahren, aber Sie meistern das soweit großartig", sagte Dr. Jordan, die dies bemerkte und sich nun bei mir einhakte.
"Warum hat sie mir nichts gesagt?", fragte ich.
Zu meiner Überraschung erhielt ich eine Antwort: "Anfangs wollte sie es Ihnen nicht sagen, weil sie Angst hatte, Sie würden sie rauswerfen. Dann, als sie Sie besser kannte und als 'Ersatz-Vormund' einsetzte, da hatte sie Angst, Sie wären enttäuscht, dass sie es Ihnen nicht früher sagte, würden die Freundschaft kündigen oder sonst etwas. Sie hatte Angst vor Ihrem Urteil und vor den Fragen, nach dem Grund.
Ich habe ihr immer wieder gesagt, sie solle es Ihnen erzählen, dass das besser sei, doch Sie kennen Magdalena: man kann sie nicht überreden.
Denken Sie in Ruhe über alles nach und dann verzeihen Sie ihr, wenn Sie können. Wenn nicht, wird es Magdalena das Herz brechen, aber damit muss sie dann eben leben."
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Zweimal love-to-go, bitte?! (1D FF Niall)
FanfikceLeni ist, wie man so schön sagt, mit Kind und Kegel nach Irland geflüchtet. Sie ist alleinerziehend, gerade mal volljährig, meist etwas überfordert, hat Geldsorgen, bewegt sich am Rand der Legalität und hat eine Vergangenheit, die sie vor allen gehe...