9. Kantine

105 13 17
                                    

Jeder kennt die Gerüchte über das Schulessen: teuer, undefinierbar und widerlich!
So sehr ich versuche, mein Leben aus der schlechtesten und pessimistischsten Seite zu betrachten, hier muss ich zugeben: Das Schulessen ist so ziemlich das Einzige, auf das ich mich während meines Bildungsweges freue.

Das und der Geschichtsunterricht, wo unser anscheinend leicht sadistischer Lehrer uns genaustens über den Hinrichtungsprozess der Guillotine während der französischen Revolution informiert.

Wie dem auch sei, heute war Schnitzeltag.
Ich liebe Schnitzel!
Während meiner ganzen Recherchen über das Jenseits in verschiedenen Religionen habe ich keine Einzige gefunden, die besagt, dass es im Himmel oder was auch immer uns dort erwartet Schnitzel gibt.

Das, was dem am nächsten kommt, wäre das Christentum, schließlich sind siebzig Jungfrauen und dergleichen nicht gerade mein Typ.
Und bei meinem Lebensstil wäre ich in meinem nächsten Leben bestimmt ein Haufen Kacke oder so.

Und mit dieser Metapher schließe ich zurück auf das Schulessen auf meinem Tablett.
Es war eine Mischung aus verkochtem Pfannengemüse und einen Kleks Kartoffelbrei, vesteckt unter einem gigantischen panierten Stück Fleisch.

"Dir ist schon klar, dass du die Einzige bist, die dieses Essen mag?" Basti schob sich ein selbstgemachtes Butterbrot in den Mund.
"Dann sollen sie sich ihr Essen selber mitbringen!", ohne vorher ein Stück abzubeißen, spieße ich das Schnitzel auf die Gabel auf und schiebe es mir genüsslich in den Mund.

"Dazu sind sie zu faul!", kommentiert mein ständiger Begleiter und beißt noch ein Stück ab.
"Dann ist es ihr Pech!", murmel ich, während das köstliche Aroma des Fleisches sich in meinem Gaumen ausbreitet.
Ja, ich bin ein Antivegetarier! Ich brauche Fleisch. Ich muss etwas essen, das Eltern hatte, das ein schönes Leben gehabt hat.

"Guck mal, da ist Luise!"
Ich beginne, in meinem Kopf nach einer dazugehörigen Person zu wühlen.
Ach, ja! Die Eine von meiner verhassten Geburtstagsparty! Was wohl aus ihr geworden ist?

"Dir sind deine Mitmenschen echt egal, oder?", meint Basti, der gerade offenbar Meister des Gedankenlesen geworden ist. ("Das sind nicht die Droiden die ihr sucht!")

"Müsste ich mich zwischen sagen wir Tony Stark und dem Schnitzel hier entscheiden, würde ich das Schnitzel nehmen!", stelle ich trocken fest. "Und Tony ist reich!"

"Was hast du gegen Iron Man?", entsetzt sieht Basti mich an. Ich nehme noch einen Bissen:
"Man darf ihn nicht essen!", erkläre ich mit vollem Mund. "Und alles, was man nicht essen darf, ist meiner Meinung nach überflüssig!"

Basti beachtet mich gar nicht mehr. Er sieht wieder nach vorne zu Luise. Steht er auf sie?
Ich durchforste mein Hirn nach einem letzten hinterbliebenen Rest von Kuppelei... und gebe auf. Soll er sich selber darum kümmern.
"Hey!", Basti stößt mich begeistert an. "Zickenkrieg!"

Genervt werfe ich einen Blick nach vorne. Vanessa hat sich zu Luise gestellt und beide reden miteinander. Naja, bis jetzt redet nur Vanessa und Luise sieht eher aus, als würde sie gleich rumflennen.

"Hilf ihr mal!" Basti sieht mich auffordernd an. Der hat sie doch nicht mehr alle.
"Iiiiich?", frage ich entrüstet.
"Ich bin nicht der Mann hier am Tisch! Das ist deine Chance der Öffentlichkeit zu beweisen, dass du mehr Eier hast als ich. Obwohl wir beide wissen, dass das nicht stimmt!"

"Aber du bist schuld, dass sie sich streiten!" Basti lehnt sich zurück und grinst mich provozierend an.
"Was soll denn das jetzt wieder heißen?", schnaube ich und nehme, einfach weil ich es kann, noch einen Bissen Schnitzel.

"Sie streiten sich wegen Jonas.", erklärte mir Blondie. Wäre er ein zu Verhörender in einem amerikanischen Krimi, hätte ich seinen Kopf schon längst auf die Tischplatte schlagen dürfen. Vielleicht geht es ja auch so.

Das Suizid-DilemmaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt