17. Tourismus

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Helloooo!
It's me!

Halt deine dämliche Fresse, Adele, niemand nimmt deine Entschuldigung ernst, tue einfach deinen verdammten Job und schreibe weiter über Liebe und Schmerz und so nen Kram! Ich meinerseits habe besseres zu tun.

Mit der Faust trommle ich auf die Tür ein und höre erst auf, als sie von innen geöffnet wird.
Basti steht mit perplexem Gesichtsausdruck da.
"Was...", fragte er.
Ich komme in sein Zimmer und halte ihn meinen Zeigefinger unter die Nase. "Was zur Hölle fällt dir ein, mir kryptische Nachrichten aufs Handy zu sprechen und dann auch noch erwarten, dass ich antworte?"

Er sieht mich an, als wäre ich gerade auf Engelsflügeln und einer rosa Wolke durch ein Loch in der Decke herabgestiegen.
"Du warst zehn Monate weg!", redet er sich raus und weiß definitiv nicht, was er sagen soll. "Wir haben uns Sorgen gemacht! Ich war mir zu neunzig Prozent sicher, dass du dich endlich umgebracht hast!"

Wie gut es doch tut, diesen Satz von einem Menschen zu hören, der sich lange Zeit in dein Leben gedrängt hat. Basti starrt mich weiter von oben bis unten an.
"Und jetzt bist du wieder da, mit einer neuen Haarfarbe und komplett braun gebrannt."
"Ich war in Italien. Habe Bergtouren gemacht. Den Ätna bestiegen!" Und habe dabei "Tod durch Lava" von meiner Liste gestrichen. Ich wäre ja verflüssigt, bevor ich den Boden erreicht hätte, so höllisch heiß war es da drinnen.

"Oh, Italien...", stammelt Basti. Ich sehe ihn an. "Mach die Tür zu, es zieht!"
Ohne den Blick von mir abzuwenden tritt er gegen die Tür und lässt sie zuknallen. Dann lädt er mich mit einer Handbewegung ein, Platz zu nehmen und geht mir eine Fanta aus dem Kühlschrank holen.
"Ich bewahre immer eine auf.", sagt er und reicht sie mir. "Für den Fall, dass du mal zurück kommst!"

Gut, dann steht sie jetzt wohl seit zehn Monaten in seinem schimmligen Kühlschrank, ist längst abgelaufen und verpasst mir eine Lebensmittelvergiftung, sodass ich an meiner eigenen Kotze ersticke.
Ich nehme einen langen Zug.
"Warst du nur in Italien?", fragt Basti weiter. Bin ich hier wieder beim CIA gelandet? Das war das letzte Mal schon nicht so prickelnd gewesen. Diese ganzen Sicherheitsvorschriften waren der Horror!

"Ich war in Asien!", sage ich weiter. "Bisschen Harakiri getrieben!"
Basti sieht mich stirnrunzelnd an:
"Was für Zeug?"
"Harakiri!" Noch ein Schluck von dem blassgelben Zuckerwasser, das süß genug ist, um mir Diabetes Typ III zu verpassen. "Rituelle Selbsttötung!", erkläre ich. "Ich bin losgezogen und hab mir im Hof von irgendeinem Fremden ein Katana in die Eingeweide gerammt."
Die Plage meines Lebens schlägt die Beine übereinander und versucht, gelassen auszusehen. "Und?", fragt er. "War dir die Klinge zu schartig oder bist Du abgerutscht?"

Ich stehe auf und ziehe mein T-Shirt aus. Basti starrt mit großen Augen auf meinen roten Spitzen-BH, vielleicht auch auf die längliche Narbe unterhalb meines Brustkorbs.
"Der Hofbesitzer war ein beknackter Chirurg!" Das Gefühl, beim Aufwachen anstatt eines Teufels einen winzigen Japaner zu sehen, war leicht enttäuschend gewesen. "Jetzt habe ich da Einreiseverbot." Kann mir aber auch egal sein. Das Essen war abartig!

"Schicker BH!", Basti räuspert sich. "Ist Dir nicht kalt?" Achtlos werfe ich das Shirt hinter mich und lasse mich ihm gegenüber nieder. "Ich bin hier nicht diejenige, die ihren Hals zu hat!" Und zu meiner Bestätigung räuspert Basti noch einmal.
"Steht darauf nicht die Todesstrafe?", fragt er zögerlich. "Auf Harakiri?"
"Es war ne Win-Win-Situation, stimmt's?" Ich verschränke die Arme vor meiner Brust und Basti vermeidet Blickkontakt mit mir. Feigling!
"Hab ich auch gedacht, aber die haben mich als Europäerin nur ausgewiesen. Der Kamikazeflug war auch enttäuschend." Bruchlandung direkt neben einem kleinen Fischerboot. Fast so, als wollte der Pilot gar nicht sterben.

"Es ist irritierend, wenn Du so da sitzt, könntest du..." Basti starrt aus dem Fenster und macht eine flatterige Handbewegung in meine Richtung. Ich versuche zu verstehen, was er meint. Aber es sind natürlich immer die Frauen mit der komischen Logik. Als seine Hand das Wedeln nicht lässt, halte ich die Fantaflasche dagegen. Verdutzt dreht er seinen Kopf zu mir.
"Verhalte dich mal wie ein Mann!"
Ich lehne mich zurück und warte darauf, dass er trinkt.

"Hast du wenigstens einmal einen Psychiater besucht?", fragt er weiter und die Flasche wandert von der einen Hand in die Andere.
"Vertraue niemals Leuten, die Du bezahlst!" Ich rutsche das Sofa herunter. Es stinkt etwas, eine Mischung aus Kotze und Verbranntem. Verbrannte Kotze? Und ein Hauch von Hochprozentigem Alkohol.
"Wissen deine Eltern, dass Du wieder hier bist?"
"Kannst du vielleicht aufhören, dumme Fragen zu stellen?" Ich sehe mich in seiner Bude etwas um. Von wem sollte ich seine Adresse denn sonst haben? Seinen Eltern etwa? Sehr witzig.

"Lüfte hier mal, hier stinkt es schlimmer als in den Slums von New Delhi! Ich vermisse hier ein paar Tuberkulosekinder oder sind die unter deinem Bett?"
Er nickt mit dem Kopf in meine Richtung. "Du sitzt auf meinem Bett!"
Das ist ja abartig!
"Meine Fresse, bist du arm!"
Nach einem weiteren intensiven Atemzug, der sogar ein bisschen nach verschimmeltem Brot roch, setze ich mich wieder aufrecht hin. "Such dir einen Job!"

Basti grinst nur und nickte mit dem Kopf in eine Ecke, wo ein schimmliger kleiner Kühlschrank stand.
"Bier?", fragt er. "Oder bist du auf Medikamenten?"
Was soll diese Frage jetzt schon wieder? Natürlich nehme ich Drogen. Der einzige Weg, mein Bewusstsein so weit außer Kontrolle zu nehmen, dass ich keine Stimmen mehr höre.
"Okay, das ist unheimlich!"
Krass, was ein unkontrolliertes Bewusstsein alles anstellen kann. Offenbar habe ich laut geredet.

Ich hebe meine Augenbraue und schenke Basti den Blick des stillen Vorwurfs.
"Du solltest echt zu einem Arzt!", meint er.
"Was glaubst Du, woher ich meine Medikamente bekomme?" Denkvermögen eines Goldfisches. Naja, wenigstens ist er hübsch.
"Trotzdem!" Basti sieht mir in die Augen. Dann auf meine Brüste, dann wieder in die Augen.
"Dann gehe wenigstens in eine Selbsthilfegruppe oder etwas in der Art!", fährt er fort. Ich beuge mich vor und starre ihn an.
"Dann kannst du mit a-anderen re-den und..." er wird rot und fängt an, leicht zu stottern. "Was? Lenk ich dich ab?", frage ich. Richtig, ich trage immer noch den BH. Am liebsten würde ich auch meine Hose ausziehen. Nicht aus erotischem Anreiz oder sexuellem Verlangen. Es ist einfach viel bequemer und entspannender, als tausend Schichten Kleidung auf der Haut.
"Kannst du dir bitte was anziehen?", fragt Basti. "Ich meine, Zuhause kannst du meinetwegen auch nackt rumlaufen, aber jetzt bist du gerade in meiner Wohnung, und das letzte Mädchen, dass so rumgelaufen ist, habe ich flach gelegt!"

Halb beeindruckt, dass er anscheinend vielleicht tatsächlich einmal mit einer Person des anderen Geschlechts intimen Kontakt hatte, schüttel ich den Kopf.
"Ich denke nicht!"
Seine Wohnung sagt mir zu. Man müsste noch ein paar Kleinigkeiten ändern, aber das wäre schnell getan. Mit etwas viel Schwung stehe ich auf und stelle mich breit vor ihn hin. Bastis Kopf schnellt nach oben.
"Ich ziehe hier ein, Du solltest dir besser noch eine Luftmatratze holen."
"Du...was?" Er sieht mich mit großen Augen an. "Du kannst hier nicht einfach einziehen."
Als ob Du in dem Alter noch freiwillig bei deinen Eltern wohnen würdest!
"Doch! Also gewöhn dich besser an das hier! Vielleicht lauf ich auch manchmal ohne Hose rum."
Vorsichtig sieht Basti zu mir hoch und vermeidet dabei jeden Blickkontakt mit meiner halbherzigen Oberweite.
"Läufst du auch manchmal nackt rum?", fragt er.
Abwägend, ob ich ihn gleich mit meinen dunkelsten Geheimnissen belasten sollte, zucke ich mit den Schultern.
"Vielleicht."

Suzumeslilworld das ist für Dich, Du Nervensäge!

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 27, 2017 ⏰

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