Hat jemand von euch einen Führerschein?
Tolle Sache, dieses Teil!
Man verteilt es an Jugendliche, die sich unter der Woche die volle Dröhnung geben und nur zum Prüfungstermin nüchtern sind und erteilt ihnen damit die Erlaubnis, wie in GTA Penner und Obdachlose zu überfahren.Ich bin weder abhängig, noch trinke ich, aber in meinem funkelnagelneuen Mercedes über die Autobahnbrüstung zu krachen, ja, dieser Gedanke ist mir des öfteren gekommen.
Wie lange ich noch fahren könnte, bis sich mir ein Baum in den Weg stellt, dessen dicker Stamm die Motorhaube wie ein Akkordeon zusammenknautscht oder krachend über den brummenden Blechkasten zusammenbricht und seine Äste das Dach durchschlagen.Wenn ich Glück habe, bin ich da schon tot. Was eigentlich auch das Ziel ist. Kurz und schmerzlos von einer Welt in die Andere. Wenn ich Pech habe, lande ich wieder im Krankenhaus und werde als nicht zurechnungsfähig eingestuft. Und das wird dann echt ätzend!
Du redest mit einer imaginären Person namens Gloria!, fällt mir ein. Du bist nicht zurechnungsfähig! Diese Erkenntnis gefällt mir noch weniger. Gloria ist schuld, dass ich ständig Bus fahre. Gloria ist schuld, dass ich mich konsequent an die Geschwindigkeitsregeln halte, Gloria ist schuld, dass ich selten alleine fahre, sondern immer noch andere mitnehme.
Es ist Glorias Schuld, dass die ganze Welt mich für einen guten Menschen hält.Es scheint, als würde sich alles nach ihr richten. Sogar meine Eltern sind Dank meiner freudlosen Bemühungen, die die Diskussionen mit Gloria hervorgerufen haben, noch nicht geschieden. Sie haben es mir gerade mitgeteilt. Und genau das war der Moment, in dem ich mir meinen Mercedes und eine fünfzig Meter hohe Brücke herbei wünschte.
"Wir werden es versuche!", hat mein Vater gerade gemeint, dabei hält er die Hand meiner Mutter. "Dank dir!"Nur habe ich nichts damit zu tun gehabt. Das war Gloria gewesen. Aber die ist plötzlich verschwunden. Sobald es brenzlig wird, lässt sie mich stehen! Na Gracias!
"Müsst mir nicht danken!", nuschel ich. Ich habe es satt! Ich drehe den Spieß um! "War Gloria."
Die Tasse meiner Mutter fällt ihr aus den Händen und sie schlägt sich die Hand vor den Mund. Mein Vater läßt sie los und starrt mich an.
"Wer?", flüstert er heißer.Bye, Tasse!, denke ich sarkastisch und sehe kurz auf den ehemaligen Keramikbehälter herab.
"Gloria", wiederhole ich mich. "Wäre sie hier, müsste sie mir jetzt zustimmen."
Meine Mutter gibt komische trompetende Geräusche von sich und rennt raus. Heult sie gerade?
"Seit wann weißt du von Gloria?", fragt mein Vater vorsichtig."Seit Jahren!" Im Kopf überschlage ich, wie viel Zeit und Küchentücher ich bräuchte, um die Sauerei am Boden wegzumachen. Besser, ich fange sofort damit an.
"Und warum hast du uns es nie gesagt?", fragt mein Vater weiter. Ich bleibe vor dem Tisch stehen, als mir auffällt, dass irgendwas an dieser Situation grotesk ist. Und damit meine ich nicht die Tasache, dass meine Mutter gerade etwas zerstört hat und danm abgehauen ist.Die Tücher in der Hand verharre ich kurz. Seine Stimme klingt anders. Nicht so hart wie sonst. Eher weicher, gefühlvoller, fast schon human. Seit wann klingt er so? Und warum? Hat er aufgehört zu rauchen?
"Warum? Als ob es wichtig wäre!", antworte ich und kauere mich auf den Boden und fange an, die Flüssigkeit aufzuwischen.
"Es... es tut mir leid!", höre ich meinen Vater zögernd sagen. "Eigentlich hätte das niemals passieren dürfen!"Fühlt er sich etwa schuldig? Das erklärt die veränderte Stimmlage! Und ich dachte, er würde mal auf seine Gesundheit achten!
Ich erhebe mich vom Boden und bringe die dreckigen Tücher in den Abfall. Danach sehe ich mich suchend um. Wo ist die Kehrschaufel?
Mein Vater sitzt immer noch da wie ein Ölgötze.
"Du hättest niemals von ihr erfahren dürfen!", beteuert er.
"Nicht sehr hilfreich!", gebe ich zurück. War sie nicht sonst immer unter dem Kühlschrank?"Ich verspreche dir, wir werden alles versuchen, damit du dich nicht schlecht fühlst!", redet er weiter. "Wir lieben dich wirklich, Vera!"
"Mit Liebe kommt die Tasse da auch nicht weg!" Langsam fällt mir auf, dass meine Mutter noch nicht zurück ist. Fantastisch! Mein Vater weiß bestimmt nicht mal, was eine Kehrschaufel ist!"Du musst verstehen!" Genannte Person erhebt sich endlich und kommt auf mich zu. "Zwei Kinder! Das hätten wir uns nicht leisten können! Wir waren Studenten!..."
"Hör auf!" Wie ein Geist steht meine Mutter plötzlich da und schreit ihn an. "Als ob sie das jetzt interessieren würde!" Ihre schrille Stimme klingt in meinen Ohren."Schatz!", sie kommt auf mich zu. "Wir lieben dich wirklich über alles! Und nichts in der Welt kann das ändern!" Interessiert mich nicht, wo ist die Kehrschaufel?
"Wir wussten ja nicht, was der Preis war!", jammert die Frau vor mir weiter. Ich überlege, ob ich einfach gehen sollte. Aber immerhin liegt da eine tote Tasse auf dem Boden!
"Tasse!", sage ich genervt und starre meine Eltern feindselig an.Beide starren geschockt zurück.
Na gut, ich kann mir auch so helfen!, denke ich trocken, knie mich wieder hin und fange an, die Überreste mit bloßen Händen einzusammeln.
"Du wirst jetzt sicher denken, es war alles nur Zufall, aber das war es nicht!", beginnt meine Mutter wieder. "Es war Schicksal, dass du es geschafft hast!"
Ein Stück schneidet in meine Hand. Hurra, Schmerz! Ich sehe mich suchend um. Nein, ich habe alles!"Vera!" Meine Mutter sieht auf mich herab. "Bitte vergib uns!"
Wieder aufrecht, gehe ich wortlos Richtung Mülleimer. Der Boden ist wieder sauber!
"Vera!", ruft mein Vater mir hinterher. Ich bleibe stehen. Die Tasse ist weg, aber inzwischen war wohl ein anderes Problem aufgetaucht. Ich habe meine Eltern noch nie so aufgeregt gesehen. Immerhin halten sie nicht mehr Händchen."Ich sehe nicht ein, warum ich mich entschuldigen muss!", sagt mein Vater plötzlich. "Du warst eh nicht richtig da!" Jetzt hat er mich. Auf philosophische Diskussionen hatte ich keine Lust.
"Was?", frage ich zurück. Irgendwie klinge ich ziemlich angespannt.
Meine Mutter reißt ihm am Arm.
"Was soll das, was tust du da?", fragt sie panisch."Ich habe doch recht!", reißt mein Vater sich los. "Sie erinnert sich doch an nichts, mein Gott, sie war nichts! Sie hätte genauso gut abgesägt werden können!"
Meine Mutter heult laut auf.
"Hör auf!", kreischt sie.
Ich hebe die Hand.
"Lass ihn ausreden!", befehle ich. Die zerbrochene Tasse halte ich immer noch fest. Inzwischen sind noch mehr Schnitte entstanden und als ich den Arm bewege, tropft Blut nach unten.
Ich sollte es aufwischen. Wo sind die Tücher?"Na schön!", mein Vater kam auf mich zu. "Wir waren gerade erst verheiratet! Wir hatten kein Geld, nichts! Und auf einmal hat sich dann der Strich gefärbt. Gut, ein Kind war in Ordnung, aber ihr musstet ja zwei sein!" Seine Stimme wurde immer lauter. Konnte man das Volumen irgendwo leiser drehen? "Glaub mir, unsere Variante war billiger und bequemer! Der Arzt meinte, er könnte uns einen lassen. Ich sagte, den Rechten. Tja, den Linken hat er dann abgesaugt."
Ich senke den Blick auf den Boden.
Rot!, denke ich. Das ist aber ne Menge Blut.
"Du hast dich geschnitten!", sagt mein Vater. Er ist wieder leiser. Sein Gesicht ist besorgt. Ich sehe ihn wieder an.
"Den Linken?", hacke ich nach.
"Zellhaufen.", ergänzt mein Vater. Meine Mutter wimmert auf. "Aus dem Rechten hast du dich entwickelt. Jetzt weißt du, warum ich mich nicht entschuldigen werde! Gloria hat nie existiert! Sie ist einfach nur ein Gedanke von deiner Großmutter und ihrer altmodischen Ansichten. Sie hat sich den Namen ausgedacht und behauptet immer noch, dass es Gloria wirklich gegeben hätte!"Während er redet, mache ich eine wichtige Entdeckung: meine Hände haben sich geballt und die Überreste der Tasse konnten sich so in mein Fleisch schneiden.
Als er aufhört, mache ich eine zweite Entdeckung: ich habe also eine Großmutter. Außerdem hatte meine Mutter mal eine Abtreibung.
Ich sortiere die Entdeckungen nach Dringlichkeit und sehe dann meinen Eltern in die Augen:
"Ich habe Blut an meinen Händen!", sage ich.
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Das Suizid-Dilemma
Roman pour Adolescents"Wenn ich ins Gras beiße, will ich einen möglichst großen Abgang haben, mit Pauken und Trompeten. Am Besten ein ganzes Orchester! Niemand wird es nachvollziehen können, wenn ich mich einfach von der Brücke stürze!" Vera will sterben. So schnell wie...