Niall
Seit vier Wochen befand ich mich auf der grünen Insel, die einst meine Heimat gewesen war. Das kleine, gemütliche Haus in Ballinskelligs, in welchem Alistair mich unterbrachte, gefiel mir jeden Tag besser. Aber ich durfte nicht beginnen, mich heimisch zu fühlen, denn spätestens nach meiner Aussage vor Gericht würde ich Irland für immer Lebwohl sagen.
Alistair beehrte mich nach unserer Ankunft noch ganze sechs Tage mit seiner Gesellschaft, bevor er wieder nach London zurückkehrte. Seitdem trafen in unregelmäßigen Abständen Pakete ein. Diese enthielten meine persönlichen Sachen, wie Lehrbücher und Kleidungsstücke, die bei der Anreise nicht in die beiden Koffer gepasst hatten.
Als der Postbote zum ersten Mal an der Haustür klingelte und ein Paket für James Edwards abgeben wollte, geriet ich, mental betrachtet, gehörig ins Straucheln. Den Satz „Der wohnt hier nicht", verkniff ich mir jedoch in letzter Sekunde, als ich realisierte, dass ich mich nun besser doch an meinen neuen Namen gewöhnen sollte.
Mittlerweile klappte das einwandfrei, zumindest wenn die Post anrollte. Selbst die neue Unterschrift hatte ich jetzt intus; kein Wunder, denn ich übte täglich daran, damit diese immer einheitlich wirkte.
Während der ersten Tage seiner Abwesenheit vermisste ich Alistair sehr, doch nach und nach gewöhnte ich mich daran, alleine zu sein. Zukünftig würde das auch nicht anders aussehen, also sollte ich wohl mich besser damit abfinden.
Es war nicht das Schlimmste, eine Weile auf Alistairs Gesellschaft verzichten zu müssen, viel zermürbender war die Tatsache, dass ich jeden Tag an Sienna dachte. Sie fehlte mir unglaublich, obwohl wir im Grunde genommen nur hin und wieder Zeit miteinander verbracht hatten. Aber genau diese Stunden kristallisierten sich nun als besonders wertvoll heraus.
Es schien wie eine glückliche Fügung des Schicksals zu sein, dass ich ausgerechnet auf diese Frau traf. Umso härter empfand ich den Entzug von ihr. Wie gerne hätte ich sie noch einmal gesehen, mit ihr gesprochen und sie in meinen Armen gehalten.
Sienna macht mich glücklich.
Dieser simple Satz kreiste immer wieder durch meinen Kopf und ließ mich spüren, dass mein Herz viel tiefer in die ganze Sache involviert war, als ich dies je beabsichtigte. Mein Plan, einen Black Room aufzusuchen, um guten Sex zu erhalten, hatte zwar funktioniert, doch zu welchem Preis? Nun litt meine Seele, weil ich von dieser wunderbaren Frau Abschied nehmen musste. Vielleicht war es besser so, denn mein zukünftiges Leben glich einem Versteckspiel inklusive dem Zurücklegen einer Marathonstrecke, deren Ziel noch gar nicht vorhersehbar war.
Und je weniger Menschen in diesen Wirrwarr hineingezogen wurden, desto besser und sicherer würde es laufen.
Da ich nun glücklicherweise alle meine Lehr- und sonstige Bücher wieder mein Eigen nennen konnte, verbrachte ich seitdem sehr viel Zeit mit Lesen. Obwohl mir die Prüfung zum Priester erspart blieb, musste ich doch alles beherrschen, was in dieser Hinsicht verlangt wurde. Deswegen lernte ich beinahe täglich und da meine Gehirnerschütterung inzwischen vollkommen auskuriert war, bereitete mir dies auch keine Kopfschmerzen mehr.
Natürlich nahm das Studieren über den Büchern nicht meinen kompletten Tagesplan ein, denn ich spielte ebenso regelmäßig auf der Gitarre, weil ich Spaß daran hatte und weil dies mein Gemüt ungemein beruhigte. Außerdem tat ich etwas für meine körperliche Fitness, indem ich täglich joggte. Der Strand eignete sich bestens für diese Unternehmung, vor allem der Weg zu den alten Ruinen gehörte zu meinen Präferenzen, was das Laufen anging.
Seit mehreren Tagen hatte ich jedoch das komische Gefühl auf Schritt und Tritt verfolgt zu werden. Am Sonntag bemerkte ich zum ersten Mal einen jungen Mann, mit langen, leicht gelockten, braunen Haaren. Er trug einen schwarzen Hut, eine Sonnenbrille und schwarze Kleidung. Seine Gesichtszüge wirkten erschrocken, als wir im Supermarkt an der Kasse beinahe zusammenstießen.
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Black Room
FanfictionDunkel, aufregend und geheimnisvoll. - Sienna, jung und lebenslustig, entschließt sich, die Vorzüge eines sogenannten „Black Room" zu nutzen, in welchem man absolut nichts sieht. Dort trifft sie auf Niall, der ihr Leben binnen weniger Wochen komplet...