Gibt es Hoffnung?

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Verdammt noch mal! Hier findet mich doch nie jemand. Es ist vorbei. Wieso musste ich auch so dumm sein und bei so einem Wetter auf den Berg zu gehen. Ich hätte doch auf meine innere Stimme hören sollen und nicht auf diesen gottverdammten Berg gehen sollen. Das hab ich jetzt davon. Ich liege in irgendeiner beschissenen Gletscherspalte und kann mich nicht bewegen. Hilfe kann ich auch nicht rufen, weil mein Handy bei dem Sturz kaputt gegangen ist. Ich spüre meine Fingern und meine Zehen nicht mehr. Es ist kalt und der Wind bläst mir sogar hier unten um die Ohren. Wie soll ich das nur überstehen? Ich muss an Christina denken. Ich hätte ihr bescheid sagen sollen, aber dann hätte sie mich nie gehen lassen. Ich will sie nicht alleine lassen. Sie hat doch nur noch mich. Es schneit und stürmt noch immer. Die Bergrettung wird sich nicht vor morgen früh aus dem Haus trauen. Das wäre heute viel zu gefährlich. Kann ich bis morgen durchhalten?

Es war schon weit nach Mitternacht und die drei Bergretter und Jan stapften durch den Tiefschnee. Sie befanden sich bereits auf dem Wanderpfad, aber es war nicht wirklich etwas zu erkennen. „Los kommt schon!", rief Markus und eilte voraus. Er konnte es gar nicht abwarten, das Mädchen zu finden. „Markus! Jetzt warte doch mal. So wie du rennst können wir doch gar nichts finden!", rief Tobias der etwas weiter hinten mit Jan lief. „Alexandra!", rief Markus immer wieder. Der Schnee dämpfte seinen Schrei deutlich ab. Katharina ging noch ein Stück hinter Tobias und Jan. Tobias schaute sich nach seiner Schwester um. „Kommst du?", fragte er ungeduldig. Katharina nickte: „Jaja, ich brauche noch eine Weile. Geht ihr schon mal vor!" „Bist du dir sicher?", fragte Tobias und schaute sie skeptisch an. „Ja klar. Ich hab ja das Funkgerät." „Okay, alles klar." Tobias schloss wieder zu Markus und Jan auf, die schon ein stück weiter vorne waren.

„Alexandra!", rief Markus wieder. Der Schnee wehte ihm ins Gesicht und auf seinem Bart waren schon lauter kleine Schneeflöckchen zu sehen. „Markus, warte!", rief ihm Tobias hinterher. Markus blieb widerwillig stehen und wartete auf Jan und Tobias. „Was ist denn?", fragte Markus genervt. „Wenn du so schnell läufst, dann kannst du doch gar nichts finden!", rief Tobias. „Sag mir nicht, wie ich meine Arbeit zu machen habe!", rief Markus angespannt. „Sag mal, was ist eigentlich mit dir los? Wieso brennst du so darauf, dieses Mädchen zu finden? Ich helfe auch gerne Menschen, aber irgendwo gibt es eine Grenze und wir sind schon lange über der das Ziel hinausgeschossen. Weißt du eigentlich, dass wir nur wegen dir diesen Scheiß hier machen? Das ist sau gefährlich, also krieg dich mal wieder ein!", rief Tobias wütend. Markus schaute ihn wütend an. Ihm wird aber relativ schnell klar, dass Tobias recht hat. Er schaute sich um und fragte: „Wo ist Katharina?" Tobias deutete mit dem Daumen hinter sich: „Sie ist noch weiter unten!" „Alleine?", fragte Markus skeptisch. „Ja, Markus! Alleine." Markus schaute über die Schulter von Tobias. Er war unsicher, was Katharina betraf. Jan hatte seine Hände in die Hüfte gestützt und schnaubte. „Kanns weiter gehen?", fragte Jan. Tobias nickte und sagte: „Ja, komm! Der Markus muss erst mal wieder runter kommen." Jan nickte und ging mit Tobias weiter. Markus legte die Stirn in Falten und stampfte in den Schnee. Er riss seinen Helm vom Kopf und setzte sich missmutig auf einen Stein, der aus dem Tiefschnee herausragte. Er strubbelte sich durch die Haare und warf seinen Kopf in seine Hände. „Aaaaaah!", rief er aus voller Kraft. Er gab sich die Schuld daran, dass Alexandra verschwunden ist. Er hätte einfach nie den Tod seines Vaters nachforschen sollen, dann wäre Alexandra auch nicht auf die absurde Idee gekommen in die Berge zu gehen. Aber nachdem Katharina Markus gesagt hatte, dass sein Vater sein biologischer Vater ist, konnte er nicht anders.

Alexandra lag leblos in der Gletscherspalte. Ihre Fingern waren schon ganz blau. Sie hatte einen Handschuh beim Sturz verloren. Hilflos lag sie am Rücken und konnte sich nicht bewegen. Sie zitterte. Verzweifelte schaute sie auf die Halskette, die sie in ihrer Hand hatte. „Ich kann nicht mehr!", hauchte sie in die kalte Nacht hinein. Dieser Satz bildete eine schwache Atemwolke. Plötzlich hörte sie einen Schrei. Ihre Augenlider wurden langsam schwach, aber dieser Schrei, den sie gerade gehört hatte, gab ihr wieder neue Kraft. Es war jemand hier. Vielleicht suchte sie jemand. Es würde wohl keiner so dumm sein, um bei so einem Wetter auf den Berg zu gehen. „Hallo?!", rief sie voller Kraft. Aus ihrem Mund kam aber nur ein klägliches Krächzen. „Hilfe", rief sie nun etwas lauter. Ob das ausreichen wird, dass sie jemand hört.

Der Schnee knirschte unter Katharinas Schuhen. Sie blieb keuchend stehen. Ihr Kopf pochte wie verrückt. Sie spürte wie das Blut durch ihre Adern gepumpt wird. Sie hätte sich doch etwas Zeit lassen. Der Sturz vorhin, war doch nicht so ganz ohne. Aber jetzt war es schon zu spät. Jetzt musste sie weiter. Sie konnte Markus in dieser Situation nicht alleine lassen. Sie wusste zwar nicht warum Markus das Ganze so wichtig war, aber es wir schon seinen Grund. Früher oder später wird er es ihr sagen und bis dorthin kann sie warten. Sie ging wieder ein Stück weiter. Hier war der Weg ziemlich flach und vor ihr ragte ein riesen Gletscher in die Höhe. Mit ihrer Taschenlampe leuchtete sie den Weg ab. Keine Spur von dem Mädchen.

Hatte Markus da gerade jemanden gehört? Er streckte seinen Kopf und schaute sich um. Er wartete darauf, dass noch einmal etwas kam, aber er hörte nichts. Jetzt wurde er verrückt auch noch. Er durfte jetzt nicht die Nerven verlieren. Er stand auf und wollte sich wieder auf den Weg machen. Tobias und Jan waren schon ein ganzes Stück weiter vorne.

Katharina konnte Markus schon sehen. Er schaute sich suchend um. „Markus!", rief Katharina und keuchte. Markus schaute nach hinten und sah Katharina, die sich gerade den ganzen Weg zu ihm kämpft. Er schaute sie besorgt an. „Geht es dir gut?" Katharina nickte: „Ja, es geht schon." „Bist du dir sicher. Du siehst nicht gut aus." „Ja, ich bin ok. Vielleicht hab ich das ganze etwas unterschätzt, aber jetzt ist es auch schon egal. Habt ihr irgendetwas gefunden?", fragte Katharina und stützte sich bei Markus ab. Markus schüttelte den Kopf. Er schluckte und wurde sich gerade darüber klar, dass es keinen Sinn mehr hat. Er bringt seine Freunde unnötig in Gefahr und verlangt Großes von ihnen. Er zog sein Funkgerät hervor. „Was machst du da?", fragte Katharina. „Es hat keinen Sinn mehr", sagte Markus traurig. „Tobias für Markus?", sagte er missmutig. „Ja hier Tobias. Habt ihr was gefunden?", fragte er. „Nein und ihr?", fragte Markus. „Nein leider nicht." „Okay, wir brechen ab", sagte Markus.

Ben und Christina hörten von der Zentrale alles mit. Christina lies sich in einen Stuhl fallen. Wie erstarrt starrte sie nur in eine Richtung. Langsam liefen ihr die Tränen die Wange runter. „Das war's dann?", fragte sie leise. Ben schluckte. Er wollte es selbst nicht wahr haben. „Naja, zumindest für heute. Morgen werden sie weiter suchen!", sagte er hoffnungsvoll. Er versuchte Christina aufzubauen. Christina schüttelte mechanisch den Kopf: „Nein, das wird es nicht. Alexandra wird da draußen erfrieren. Das weißt du genau. Es herrschen eisige Temperaturen da oben." Sie stand langsam auf und ging zur Tür. „Danke für eure Mühe", sagte sie leise zu Ben und öffnete die Tür. „Warte! Wir werden sie suchen!", rief Ben ihr hinterher. „Nein, das hat keinen Sinn mehr."

„Scheiße! Warum hört mich denn keiner?", dachte sich Alexandra. Sie kühlte langsam komplett aus. Sie wollte gar nicht wissen, wie es um ihre Körpertemperatur stand. Langsam fielen ihre Augenlider zu und ihr Kopf kippte zu Seite.

Die Bergretter - AbgestürztWo Geschichten leben. Entdecke jetzt