Abgestürzt

831 18 1
                                    

„Klinikum Schladming für Christophorus 14? Wir brauchen morgen Früh eine Spezialtrage", sagte Michi ins Funkgerät. Ein Arzt meldete sich und bestätigte den Antrag. „Rudi, ich bin dann weg!", sagte Michi und schaltete die Maschinen ein. Rudi nickte und gab ihm das Startsignal. Michi hob ab und machte sich auf den Weg in die Berge.

Jan und Tobias stapften durch den Tiefschnee. „Aber wieso müssen wir denn jetzt runter?", fragte Jan verärgert. „Weil wir hier oben nichts ausrichten können und es viel zu gefährlich ist. Meine Kollegen werden alles dafür tun, dass deine Freundin überlebt." Jan stapfte trotzig durch den Schnee. Er wäre gerne bei seiner Freundin geblieben. Von weitem konnte man schon den Hubschrauber hören. „Wo seid ihr denn?", fragte Michi und suchte mit den Augen den Weg ab. „Wir sind fast unter dir!", rief Tobias. „Okay, ich kann euch nur mit dem Tau mitnehmen. Am Parkplatz lass ich euch dann einsteigen, damit ihr euch die Pfoten nicht abfriert", sagte Michi amüsiert. „Oh wie nett von dir", stichelte Tobias zurück. Er hakte sich und Jan mit einem Karabiner zusammen und wartete bis das Tau aufhört zu schwanken, damit er sich einhaken kann. Als Tobias sich eingehakt hatte, ging Michi wieder hoch und flog zu einem Parkplatz.

Verena stand vor dem Krankenhaus und trat von einem Bein auf das andere. Schnell zückte sie ihr Handy und wählte Michis Nummer. Die Mailbox ging an. „Arschloch", zischte Verena und machte sich auf den Weg nach Hause.

Katharina und Markus bauten gemeinsam das Zelt auf und hüllten Alexandra in Decken. Katharina misst ihre Temperatur. „Wie viel?", fragte Markus neugierig. „28,5 Grad. Das ist nicht sehr viel." Markus seufzte und setzte sich neben Alexandra. „Was hast du da oben nur gemacht?", flüsterte er. „Okay, sie schläft jetzt. Der Körper muss sich erst einmal erholen", murmelte Katharina. Sie war sich ziemlich unsicher dabei, was sie tat. Markus merkte das und sagte: „Du kannst das. Das weiß ich. Wir werden das schon schaffen." Katharina lächelte ihm dankbar zu. Sie packte eine Thermosflasche aus und füllte etwas in den Becher. Sie hielt es Alexandra hin. „Alexandra? Du musst etwas trinken", sagte Markus und tätschelte ihre Wange. Sie machte nur langsam die Augen auf. Katharina gab ihr etwas von dem heißen Tee. „Der wird dich wärmen", sagte Katharina. Alexandra nickte und schloss die Augen wieder, nachdem sie getrunken hatte.

Jan und Tobias stiegen in den Heli. „Alles frisch?", fragte Michi und reichte Jan einen Helm. „Klar", sagte Tobias und setzte sich neben Michi. „Wo soll's denn hingehen?", fragte Michi. „Nach Hause, würde ich sagen." „Alles klar. Dann mal los." Tobias warf einen Blick nach hinten. Jan saß ruhig auf seinen Platz und klammerte sich an seiner Hose fest. „Alles klar da hinten?", fragte Tobias. „Ja, alles super. Mir wird nur leicht schlecht", sagte Jan und schluckte. „Du brauchst mir aber nicht den Heli voll kotzen", sagte Michi drohend. „Ach komm schon Michi", sagte Tobias vorwurfsvoll und grinste Jan an: „Er ist immer so." „Scheiße!", rief Michi plötzlich. „Was ist?", fragte Tobias sofort. „Der Wind ist stärker geworden. Fuck!" Tobias schluckte. Er wusste, was das heißt, wenn Michi einmal sagt, dass es Probleme gibt. Er schaute sich zu Jan um und sagte: „Alles ok. Sind nur leichte Komplikationen." Plötzlich klingelte Michis Handy. Tobias schaute auf das Display und grinste: „Verena ruft an. Sag mal was läuft eigentlich zwischen euch beiden?" Michi schüttelte den Kopf: „Ganz schlechter Zeitpunkt." Tobias schaute nach links und sagte etwas beängstigt: „Äh Michi? Die Gletscherwand neben mir siehst du aber schon oder?" „Was? Da ist eine Gletscherwand? Ne! Die hätte ich jetzt fast übersehen, weil sie so klein ist!", rief Michi sarkastisch. Er konnte nur mit Mühe den Helikopter halten. „Scheiße, das schaff ich nicht!", rief Michi angestrengt. Sie bewegten sich nur sehr langsam fort. Plötzlich kam ein Windstoß und trieb den Helikopter immer weiter zur Gletscherwand. „Michi!", rief Tobias panisch. „Jetzt scheiß dir nicht in die Hosen. Ich bring uns schon heil da runter", sagte Michi wütend. Langsam ließ er den Helikopter nach unten. Sie waren noch immer ziemlich hoch oben, als die Blätter des Helis den Gletscher streiften. „Scheiße! Festhalten!", rief Michi und drückte irgendwelche Knöpfe. „Notlandung!", sagte er und der Heli ging steil nach unten. „Michi?", fragte Tobias panisch. Er hatte das Gefühl, dass Michi den Heli nicht mehr unter Kontrolle hatte und das stimmte auch. „Jetzt mach schon du Drecksding!", rief Michi sauer und versuchte den Heli etwas hochzuziehen. „Werden wir sterben?", fragte Jan von hinten. „Nein, werden wir nicht!", rief Michi und kämpfte mit dem Heli. Der Boden kam immer näher und der Heli sauste mit einer Geschwindigkeit darauf zu, dass man danach nicht mehr sehr lebendig aussah. „Komm schon!", rief Michi und ruckelte am Hebel herum. „Tu doch was!", rief Tobias. „Ja! Ich mach ja schon!", rief Michi. Der Boden war nun ziemlich nahe und in letzter Sekunde konnte Michi den Heli bremsen und etwas hochziehen, doch er krachte trotzdem mit einer ziemlichen Geschwindigkeit am Boden auf und rutschte noch einige Meter dahin. Der Heli war in einer Waldlichtung gelandet.

„Hast du Empfang?", fragte Markus. Katharina nickte. „Warum hat sie dann nicht angerufen?", fragte Markus. „Vielleicht ist ihr Handy kaputt gegangen." Katharina wählte Verenas Nummer. „Hallo?", ging Verena sofort ran. „Hi Verena, ich bin's Katharina. Ich brauche deine Hilfe. Ich konnte dich im Krankenhaus nicht erreichen." „Was ist denn los?", fragte Verena. Sie ging gerade zu einem Taxi. „Wir haben hier eine Verletzte mit Verdacht auf Wirbelsäulenfraktur und innere Verletzungen. Wie kann ich sie am besten stabilisieren?" „Ihr seid jetzt noch im Berg?", fragte Verena erstaunt. „Ja, das war eine etwas außergewöhnliche Rettungsaktion." „Okay, also am besten hältst du sie warm. Leg ihr eine Infusion gegen die Schmerzen, falls sie welche hat." „Das ist es ja. Sie spürt nichts." „Okay, dann müsst ihr dafür sorgen, dass sie die Nacht übersteht. Sie darf nicht auskühlen und ihr dürft sie auf keinen Fall bewegen." „Okay, danke." „Untersuch sie noch ob sie sonst irgendwo Verletzungen hat." „Ja mach ich. Sag mal, wo bist du eigentlich?" „Ich bin gerade auf dem Weg zu einem Taxi. Mein Auto ist kaputt gegangen und Michi hat versprochen er holt mich ab." „Ja, wir hatten einen Einsatz, aber mittlerweile müsste er schon am Heliport sein. Das ist jetzt schon eine halbe Stunde her, dass er Tobias und Jan abgeholt hat", sagte Katharina. „Ich kann ihn nicht erreichen", murmelte Verena. „Vielleicht versorgen sie gerade den Heli. Mach dir keine Sorgen", sagte Katharina. „Naja, der Heli ist doch schon einmal abgestürzt." „Ach was, jetzt mal nicht den Teufel an die Wand. Danke für deine Hilfe, aber ich muss jetzt Schluss machen", sagte Katharina. „Klar, gerne. Tschüss", sagte Verena und stieg ins Taxi. „Zum Marthalerhof, bitte", sagte sie zum Taxifahrer.

Tobias hatte seinen Kopf an die Wand des Helikopters gelehnt. Seine Augen waren geschlossen. Langsam kam er zu sich, streckte sich und stöhnte. Er drehte seinen Kopf langsam nach hinten und schaute zu Jan. Er saß wie versteinert in seinem Sitz und starrte aus dem Fenster. „Bei dir alles ok?", fragte Tobias. Jan nickte. Er hatte nicht wirklich etwas abbekommen. Er hatte nur einen Schock, der ziemlich tief saß. Tobias schaute zu Michi. Er stupste ihn an und sein Körper kippte etwas zur Seite. „Michi? Bist du ok?", fragte er zögernd. Michi gab ihm keine Antwort. „Scheiße!", sagte Tobias und erhob sich von einem Sitz. Er kletterte zu Michi hinüber und fühlte seinen Puls. „Okay, er hat Puls." Er blutete am Kopf. Er hatte sich den Kopf ziemlich fest gestoßen. „Michi! Hey! Wach auf. Komm schon!", sagte Tobias und tätschelte seine Wange. Langsam kam Michi zu sich und stammelte verwirrt: „Was... was ist passiert?" „Wir sind mit dem Helikopter abgestürzt. Es ist alles ok. Tut dir was weh?", fragte Tobias. Michi schüttelte den Kopf. Plötzlich spürte er auf seiner Hand etwas Warmes. „Nicht drauf schauen!", sagte Tobias sofort. „Was ist das? Ist das Blut?", fragte Michi. „Ja, das ist Blut. Du hast dir etwas in den Fuß gerammt, wobei ich noch nicht ganz weiß, was es ist." „Ich spür gar nichts." „Das wird der Schock sein. Ich hol Hilfe ok?", sagte Tobias und zückte sein Handy. „Scheiße, kein Empfang. Jan? Gibst du mir mal bitte einen Verband aus dem erste Hilfe Koffer?", fragte Tobias. Er versuchte ganz ruhig zu bleibe. Mit fahrigen Fingern löste Jan den Koffer vom Sitz und öffnete ihn. Er reichte Tobias mit zitternden Händen den Verband. „Okay Michi, das wird jetzt vielleicht ein bisschen weh tun, aber das muss sein", sagte Tobias und drückte mit einer Mullbinde fest auf die Wunde von Michi. „Ah! Du Arschloch!", rief Mich im Reflex. „Na also, kann ja gar nicht so schlimm sein, wenn du schon wieder fluchen kannst", sagte Tobias und zwinkerte ihm zu. Er wickelte einen Verband um Michis Arm und hoffte, dass die Blutung bald aufhört. Er war kein Sanitäter und war ziemlich nervös. Jan stand noch immer unter Schock und sagte kein einziges Wort. „Alles ok?", fragte Tobias und schaute Jan zweifelnd an. Jan nickte mechanisch. Michi lehnte seinen Kopf an die Fensterscheibe und schaute hinaus. Den Heli konnte er vergessen. Er war nur froh, dass er seinen Freund und den Jungen heil runter gebracht hat. Sein Schädel brummte wie verrückt. Er wusste gar nicht wo ihm der Kopf stand. Tobias saß neben Michi und rüttelte an der Helitür. „Scheiße! Komplett verbeult!", rief er wütend. Er versuchte mit all seinen Körperteilen die Tür aufzumachen, aber er schaffte es nicht. Er warf sich mit der Schulter dagegen, versuchte mit dem Fuß die Tür einzutreten, aber es half alles nichts. Er musste feststellen, dass das bei allen Türen so war. Der Heli kam ziemlich hart am Boden auf und wurde über den Boden geschleift, dadurch haben sich die Türen verbogen. Tobias seufzte und lies sich in den Sitz fallen. Er schaute hinüber zu Michi, der noch immer seinen Kopf an der Fensterscheibe hatte. „Michi?", fragte Tobias beunruhigt. Er kletterte zu ihm und drehte seinen Kopf zu sich. „Scheiße! Michi! Wach auf!", rief Tobias und tätschelte seine Wange.

Die Bergretter - AbgestürztWo Geschichten leben. Entdecke jetzt