Es war kalt... Sehr kalt.
Ich konnte kaum die Augen öffnen, doch als ich es endlich geschafft hatte merkte ich, dass es dunkel war. Alles was ich erkennen konnte, war der große, runde Vollmond mitten am Himmel und mein Atem, der deutlich zu sehen war.
Ich musste bei meinem nächtlichen Ausritt wieder eingeschlafen sein, denn ich erkannte wo ich war. Es war mein Lieblingsplatz, ein großer Baum mit starken Wurzeln, die Äste voller Blätter und durch die Krone strahlte das kühle Licht des Mondes.
Eigentlich war es mir nicht erlaubt, mich hier aufzuhalten, denn der Baum war abseits der Straße, die auch "die Straße zum Mond" genannt wurde. Sie führt von der Stadt weg in eine kleine Gegend mit zwei Häusern. Folgt man der Straße, so kommt man zum Anwesen der Familie Van der Linden, meiner Familie. Es ist ein sehr großes Haus, das eher einem Schloss gleicht, denn es hat an das Haupthaus angeschlossen, einen kleinen Turm, in dessen Obergeschoss sich mein Zimmer befindet.
Folgt man jedoch dem Pfad, der in den Wald führt, dann kommt man auf dem Berg an, auf dem eine Burg steht. Im Gegensatz zu unserem Haus, von Pflanzen und Natur umgeben, sieht die Burg der Familie Lacroix eher heruntergekommen aus. Zugegeben, von innen hatte ich das Haus noch nie gesehen und hatte es eigentlich auch in naher Zukunft nicht vor.
Ihr müsst wissen, dass sich unsere Familien nicht besonders gut miteinander verstehen... Unsere Väter sind, wie Mama das gerne sagt, Streithähne der gehoben Klasse.
Die Familie Lacroix besteht aus dem Vater, Roy Lacroix, und den drei Söhnen: Marcus, Eric und dem Jüngsten, Robyn. Alle samt eingebildet und hochnäsig, wie ich finde. Die Mutter ist wohl vor ein paar Jahren abgehauen, wenn ich das richtig mitbekommen habe. Sie hatte die ewigen Streitereien satt und ist runter in die Stadt gezogen.
Centralia ist nur 20 Minuten zu Fuß von unserem kleinen Vorort Moondyke entfernt.
Nun zu meiner Familie. Meine Eltern, Matthew und Eleonora Van der Linden, leben mittlerweile seit 25 Jahren in der kleinen Villa. Zusammen mit meiner kleinen Schwester Lena und mir, Lettie, außerdem einer Hand voll Pferden, zwei Katzen und einem schwarzen, zotteligen Labrador Mischling.
Jetzt aber genug davon. Der Grund, warum ich nicht hier sein sollte ist ganz einfach. Ich wollte keinem von der anderen Familie begegnen, denn das war weder bei meinen Eltern, noch bei den Lacroix' gern gesehen. Vermutlich durfte ich mir zuhause wieder eine Standpauke anhören, da Mama sich sicher schon denken konnte wo ich war.
Ich sah mich um und stand auf. Nicht weit von mir graste mein Apfelschimmel, Dayala.
Schnell packte ich meine Sachen und stieg auf mein Pferd um mich auf den Heimweg zu machen.Als Dalaya gerade in den Galopp wechselte sah ich eine Gestalt am Wegrand, traute mich aber nicht genauer hinzusehen. Mist, dachte ich. Ein Gesicht konnte ich nicht erkennen, aber das war egal, denn an die Gesichter der Söhne von Roy konnte ich mich sowieso nicht mehr erinnern, es war schon zu lange her. Ich hoffte nur inständig, dass es keiner von ihnen war.
Zuhause angekommen striegelte ich das Pferd und verstaute Sattel und Zaumzeug. Anschließend schlich ich nach oben in den Turm in mein Zimmer.
Zu meinem Glück waren alle am schlafen, nur die Katzen maunzten vor sich hin und tobten durch die Gänge, aber das war ich schon gewohnt.
Ich zog mir meine Schlafkleidung an und schlupfte unter die Decke. Es war bereits 2 Uhr und es dauerte nicht lange, bis ich seelenruhig einschlief.