Kapitel 6:

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Ich stand auf und während ich mich streckte tippte Nika mir auf die Schulter. "Ey, schau mal.", flüsterte sie und zeigte unauffällig auf den Schatten einer Person. Auch wenn man das Gesicht dieses Menschen nicht erkennen konnte, wusste ich wer er war... Robyn! "Ach du...", ich verkniff es mir, den Satz zu beenden, denn den Rest konnten sich sicherlich alle denken. Meine Augen weiteten sich. Nika sah mich fragend an. "Was? Was ist?" "Das ist Robyn! Der Robyn, von dem ich dir heute so ausführlich erzählt habe." Ich flüsterte. Eigentlich hatte ich überhaupt keine Lust, noch mal auf ihn zu treffen. "Was? Echt jetzt?" Sie sah erst verwundert zu mir, dann zu dem jungen Mann, welcher gerade in Richtung des hölzernen Stegs lief. Ich verdrehte genervt die Augen. "Seine Art geht mir einfach tierisch auf die Nerven.", meinte ich nur trocken. "Wobei, eigentlich...", überlegte ich, "ist er hier in meinem Territorium." Nika sah mich misstrauisch an, als ich anfing sie anzugrinsen. "Komm, wir gehen schwimmen!", meinte ich daraufhin nur. "Na gut...", sie folgte mir in Richtung des Stegs. "Ach... sieh einer an..." Ich versuchte ein wenig Spott in meine Stimme zu legen, leider klappte es nicht besonders gut, es klang eher eingebildet wie ich fand. Mit beiden Händen in die Hüfte gestemmt, musterte ich ihn mit desinteressierten Blicken. Er fuhr sichtlich erschrocken zusammen und drehte sich mit einer schnellen Bewegung um. Überrascht, da er wohl jemand anderes hinter sich vermutet hatte, sah er mich an und zog eine Augenbraue nach oben. "Hallo.", entgegnete er trocken. Die Sonne sank Stück für Stück tiefer und strahlte seine schillernd grünen Augen an. Für eine Sekunde zögerte ich, sprachlos über die Farbe seiner Augen. Zu meinen Glück konnte ich mich ziemlich schnell wieder fangen. "Jetzt bin ich mal dran zu fragen, was du hier verloren hast? Das hier ist wohl ganz klar mein Revier!", ich funkelte ihn an. Annika, welche etwas Abseits stand, sie dachte sie würde sonst stören, beobachtete das ganze klang und heimlich. "Sorry...", er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Was? Warum entschuldigt er sich denn jetzt? Völlig aus dem Konzept gebracht, entspannte sich meine Haltung etwas. Er lächelte kurz, was mich etwas irritierte. Sein Lächeln war sehr warm. "Aber da du dich auch in meinem Revier rum treibst, mach ich jetzt halt auch." Sein Lächeln wandelte sich schnell wieder in ein hämisches Grinsen. Ich verdrehte erneut die Augen. Der wird sich wohl nie ändern, dachte ich.

Ohne ein weiteres Wort an ihn zu verschwenden, lief ich an ihm vorbei und sprang ins kalte Wasser. "Platz da!", hörte ich Nika rufen. Es ging nicht lang und sie war neben mir im Wasser. Robyn würdigte ich keines weiteren Blickes und schwamm ein Stückchen weiter in den See rein. Ich hörte nur, dass er ebenfalls ins Wasser gesprungen war. "Let, schwimm lieber nicht zu weit rein!", rief Nika. Ich drehte mich zu ihr. Sie war ein ganzes Stück von mir entfernt. "Alles gut. Hier ist es nicht allzu tief, keine Angst!" Ihr Blick sah besorgt aus. "Na, wenn du das sagst..." Sie klang nicht besonders überzeugt, also tat ich ihr den Gefallen und bewegte ich mich wieder in die Nähe des Ufers.

Von weiten konnte ich schon das Bellen von meinem Hund hören, es ging auch nicht lang, bis Loveday und Willow zu sehen waren. Ich schwamm zu Annika zurück. "Lass uns raus gehen, mir wird langsam kalt und Loveday ist da." Ich deutete zu dem Platz, an dem wir unsere Handtücher ausgebreitet hatten. Sie nickte. "Ich friere auch langsam." Unbewusst suchte ich den See nach Robyn ab. Er war relativ weit raus geschwommen und war schwer zu erkennen, da die Sonne schon zu gut wie untergegangen war.

Wir gingen aus dem Wasser raus und wickelten uns in die frischen Handtücher, die Loveday uns mitgebracht hatte. "Na ihr beiden? War es schön?", sie lächelte und wir nickten einstimmig. Während wir uns abtrockneten sah ich, wie Robyn auf der anderen Uferseite den See verließ. Ich war gerade dabei, Willow davon abzuhalten, ins Wasser zu stürmen, denn keiner von uns hatte Lust, einen vor Nässe triefenden Hund mit nach Hause zu nehmen, als ich ihn sah. Komischer Kauz...

Wir begaben uns langsam aber sicher auf den Heimweg, die Sonne war schon nicht mehr zu sehen, nur der Mond und die unzähligen Sterne am wolkenlosen Himmel beleuchteten unseren Weg. Willow trabte gemütlich neben mir her und Loveday fragte uns über den Tag aus.

Als wir zu Hause in meinem Zimmer saßen, Annika auf meinem Bett und ich auf der Anrichte vor meinem Fenster, war es bereits 22:30 Uhr. Für meine Verhältnisse eigentlich nicht besonders spät, dennoch musste ich gähnen. "Sag mir bitte nicht, dass du schon müde bist!" Nika sah mich mit einer Mischung aus Enttäuschung und Verwunderung an. Ich schüttelte kurz den Kopf. "So richtig müde bin ich nicht, nein..." Sie sah mich nun fragend an. "Was dann?" Ich zuckte nur kurz mit den Schultern und sah aus dem Fenster. "Einfach ein bisschen erschöpft, glaub ich.", erwiderte ich trocken.

Gegen 1:20 Uhr in der Nacht sollten, laut Google, über eintausend Sternschnuppen den Himmel über uns durchqueren. Ich hatte schon seit langer Zeit keine Sternschnuppen mehr gesehen und hatte daher die Hoffnung, heute Nacht welche zu sehen. Es war nicht so, dass ich mir von ihnen etwas wünschen wollte...nein... ganz im Gegenteil sogar, eigentlich war ich zur Zeit wunschlos glücklich. Ich hörte vor einiger Zeit eine Geschichte über einen kleinen Jungen, der in einer Nacht voller Sternschnuppen keinen einzigen Wunsch, der ihn bereichern würde, äußerte. Sein bester Freund hingegen wünschte sich Reichtum, unvorstellbare Macht und weltweite Bekanntheit. Der einzige Wunsch, den der kleine äußerte war ein ganz wundervoller gewesen. Er hatte sich von dem hellsten fallenden Stern des Abends gewünscht, dass dieser einen Gruß an seine verstorbene Mutter mit sich, in die weiten den Universums, nimmt. Jetzt spaltet sich die Geschichte. Die einen erzählen sich, dass der Junge in dieser Nacht von seiner Mutter im Traum besucht wurde und sie sich für die Grüße bei ihm bedankte, in dem sie ihm den Reichtum und die Macht, die seinem besten Freund verwehrt blieben, schenkte. Andere munkelten, dass durch diesen Wunsch, der Junge und seine gesamte Familie verflucht wurden, warum auch immer, diesem Teil hatte ich nie wirklich Beachtung geschenkt, er war mir zu düster... Nachdem ich mich wieder an das kleine... nennen wir es Märchen... erinnerte, beschloss ich ebenfalls mit einer großen, hellen Sternschnuppe meine Grüße an meinen Opa zu senden. Der Gedanke daran war einfach schön und erfüllte mein Herz mit einer angenehmen Wärme.

Ich gähnte erneut. Irgendwie wurde ich immer müder. Noch ein Gähnen. "Keine Ahnung warum ich jetzt auf einmal so müde bin...", merkte ich beiläufig an. Annika grinste. "Ich bin bis jetzt noch nicht müde, aber ich bin auch ausnahmsweise mal früh ins Bett gestern Abend.", sie lachte. "Ich bin halt eine totale Nachteule. Frühes Aufstehen tut mir einfach nicht gut... glaube ich zumindest.", ich stimmte in ihr Lachen mit ein. Ich stand auf und streckte mich. "Lass uns irgend etwas machen. Irgendwann schlafe ich sonst noch ein.", ich grinste schief. Annika nickte. "Dito... Ich werde sonst müde."

Wir zogen uns beide etwas wärmere Kleidung an und ich packte meinen Hausschlüssel ein. Anschließend verließen wir zusammen das Haus, so leise wie es nur ging, denn wir wollten Loveday ja nicht aufwecken.

Die Straße zum MondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt