Komische Sache... Ich hielt die Leine fest in der Hand, Willow lief ruhig neben mir her. "Ach Hund...", seufzte ich und lächelte ihn sanft an. Dieser erwiderte das mit einem kräftigen Bellen. Ich lief mit ihm zusammen die Straße entlang, mit dem eigentlichen Ziel in Centralia anzukommen. Ich wollte mal wieder in meinen Lieblings Buchladen rein schauen.Doch als sich die Wege trennten, der eine führte in Richtung Stadt, der Andere führte in den Wald. Ich blieb stehen. Es reizte mich, wieder zu meinem Baum zu gehen, auch wenn es mir verboten wurde. Willow setzte sich und bellte ein mal, dann sah er zu mir hoch und ein leises Winseln war zu hören.
Ich sah zu ihm. "Was hast du denn?" Stirnrunzelnd sah ich in den Wald, ob der Hund vielleicht irgendetwas gesehen hat, doch da war nichts. Ein paar Vögel zwitscherten und man hörte den Wind, der durch die Blätter der vielen Bäume wehte. Ungewöhnlich daran war nichts, also beschloss ich, mit Willow ein Stückchen durch den Wald zu gehen. Wird schon keiner merken, dachte ich.
Der angenehme Geruch von Harz und Gras stieg mir in die Nase. Willow hechelte fröhlich vor sich hin und schaute in der Gegend herum. Ich zog ihn sanft an der Leine, weg von dem kleinen Pfad, mitten in den Wald rein. Einige Meter durch das Dickicht aus Büschen und Baumstämmen, dann kamen wir auf der Lichtung mit dem riesigen Baum an. Willow wedelte mit dem Schwanz. Ich löste seine Leine, lehnte mich gegen den breiten Stamm und genoss das Wetter für den Moment. Solange ich nicht wieder einschlief, war alles in Ordnung.
Ich sah zwischendurch immer mal wieder zu meinem Labrador Mischling, welcher durch die Wiesen tobte. Es schien ihm zu gefallen, das war gut. Vielleicht könnte ich ja auch öfter mit ihm hier her kommen. Ich hörte ein Rascheln von Blättern, welches nicht von dem in Gras liegenden Hund kam. Ich sprang schnell auf und lehnte mich dichter an den Baumstamm.
Eine Gestalt näherte sich der Lichtung. Ich wurde wachsam. Verdammt, damit hätte ich jetzt so gar nicht gerechnet. Mein Herz hämmerte spürbar gegen meine Brust. Mit einem genervten Blick wurde ich gemustert. "Du schon wieder?" Es war Robyn. Er stand nur wenige Meter von mir entfernt. Mein Körper löste sich langsam wieder aus seiner Anspannung und ich sah zu dem Jungen, der einiges größer war als ich. "Dir auch einen schönen Tag.", antwortete ich knapp und mit herablassendem Unterton. Neben mir tauchte Willow nun wieder auf und als er Robyn sah und kurz in der Luft witterte, knurrte er.
Er fletschte die Zähne und sein Körper zitterte. So hatte ich ihn noch nie gesehen und ehrlich gesagt hatte ich in dem Moment auch etwas Angst vor ihm. Robyn schien den Hund auch realisiert zu haben, denn seine Augen weiteten sich und er stolperte ein paar Schritte zurück. "Erst traust du dich wieder in unseren Wald rein und dann hast du dieses Vieh auch noch dabei? Wer denkst du das du bist?", motzte dieser mich an. "Bitte? Euer Wald? Ich wüsste nicht, dass der Wald jemandem gehören kann.", ich zog skeptisch eine Augenbraue hoch. "Und das... Vieh", ich malte zwei fette Anführungszeichen in die Luft, "ist zufälligerweise mein Haustier." Ich streichte vorsichtig über Willows Rücken. Robyn sah mich mit einem Blick an, der nur so vor Spott triefte. "Ach was du nicht sagst." Ich verdrehte die Augen. Ich kannte den Kerl so gut wie gar nicht, und trotzdem hatte ich jetzt schon einen Hass auf ihn. Diese eingebildete Art an ihm brachte mich einfach tierisch auf die Palme. "Und was willst du jetzt noch von mir?" Er kam einen Schritt auf mich zu, doch Willow begann wieder zu knurren und Robyn blieb stehen. "Das frägst du mich? Wer ist denn diejenige, die sich in fremden Territorium aufhält?" Langsam wurde ich auch sauer. "Ich kann hin gehen, wo hin ich auch will, du hast mir nichts zu sagen!", fauchte ich ihn an.
Er seufzte tief. "Sei froh, dass ich keine Petze bin." Das klang geradezu so, als wäre das etwas ganz besonders tolles, für das man ihn loben sollte. Aber nicht mit mir. Mehr als ein knappes Aha von mir bekam er nicht. "Nimm deine Töle und hau ab!, fauchte er zurück und verschwand kurz darauf wieder im Dickicht des Walds.
Was war DAS denn? Verdutzt sah ich ihm hinterher, bis Willow mich mit einem Winseln aus meiner Gedankenwelt riss. "Was ist denn los?" Ich kniete mich zu ihm runter und sah in die braunen, großen Hundeaugen. Der Hund sah mich mit einem sehr Mitleid erregenden Blick an und ich wuschelte ihm durch das Fell. "Sollen wir nach Hause gehen?" Sein Hecheln deutete ich einfach mal als ein ja.
Ich band ihn wieder an die Leine und machte mich daran wieder aus dem Wald raus zu kommen. Das klappte natürlich mit Leichtigkeit, denn ich kannte den Weg schon in und auswendig. Innerhalb von wenigen Minuten standen wir wieder auf der Hauptstraße unseres kleines Dorfes.
Zu Hause angekommen nahm ich Willow die Leine wieder ab und bürstete ihn erst einmal ausgiebig, bis dieser irgendwann keine Lust mehr hatte und ins Haus hinein trabte. Ich verstaute die Bürste. Meine Eltern waren noch nicht zuhause, das erkannte ich daran, dass Beide Autos fehlten. Vermutlich wollte Mama noch Klamotten einkaufen gehen und da Papa meistens keine Lust hatte sie dabei zu begleiten, fuhr er mit seinem eigenen Auto.
Ich überlegte, ob ich vielleicht noch einmal in den Pavillon gehen sollte. Auch wenn es unheimlich wirkte, es interessierte mich, ob der Flügel wirklich von alleine spielen konnte, oder ob mir mein Verstand auf Grund der Erinnerungen von Früher einen Streich spielen wollte. Bevor ich diesen Gedanken zu Ende denken konnte, hatten mich meine Füße schon wie von alleine in den Garten getragen. Zögernd betrat ich den Pavillon und zog die Türe hinter mir wieder zu. Es war still, alles was an Geräuschen in mein Ohr drang, war das Vogel Gezwitscher von draußen.
Ich näherte mich dem Klavier. Es schien alles normal. Ich setzte mich auf den kleinen Hocker, der vor der Seite des Klaviers stand, auf welcher die weißen Tasten waren. Ein Ton erklang, nachdem ich eine der Tasten betätigte.
Früher, als ich noch ein kleines Kind war, wollte ich nie lernen auf einem Klavier zu spielen. Heute bereute ich die Entscheidung. Es klang so sanft und doch so anmutig. Natürlich wäre es mir auch heute noch möglich, es zu lernen, aber mir fehlte die Zeit, die dazu nötig wäre. Wirklich schade. Ich betätigte eine weitere Taste und ein neuer Ton erklang. Ein paar Tasten tiefer schnellten zwei weiße Tasten wie von alleine nach unten und die jeweiligen Töne schallten durch den Raum. Ich hatte mir das also doch nicht eingebildet. Erschrocken wich ich ein Stück von der Klaviertastatur zurück und diese fing an, langsam und Note für Note, die mir altbekannte Melodie zu spielen. Angespannt beobachtete ich wie die Tasten sich bewegten. Die Melodie wurde etwas schneller und die Töne liefen fließend nacheinander ab, so lange, bis das Lied verstummte und die Tasten sich nicht mehr von alleine bewegten.
"Ein schönes Lied, nicht wahr?" Erschrocken fuhr ich zusammen. Mein Vater stand in der schmalen Türe. Er lächelte und betrat darauf den Raum. "Als deine Mutter und ich hier her zogen, spielte sie mir fast jeden Tag dieses Lied vor. Ein zufriedener Gesichtsausdruck lag auf seinen Lippen. Er trat an den Flügel und streichte vorsichtig darüber. "Er klingt noch genau wie früher...", meinte er nachdenklich.
Ich sah zu ihm hoch. "Was ist damals passiert, dass Roy und du, euch so sehr hasst?" Meine Augen verschmälerten sich zu kleinen Schlitzen. Mein Vater seufzte schwer und setzte sich neben mich auf den breiten Klavier Hocker. "Prinzessin... Hör mal...", er legte seinen Arm um mich, "In ein paar Wochen wirst du 18..." Ich nickte. "Ja und ich will endlich wissen, was eigentlich los ist! Weißt du...", er unterbrach mich. "Sobald du 18 bist, erfährst du alles. Ausführlich! Bis dahin bitte ich dich aber, dich einfach noch ein bisschen zu gedulden." Ich seufzte ebenfalls.
Was war denn so wichtig daran, dass ich 18 sein muss, um zu erfahren warum sich zwei Menschen streiten?
Bald sollte ich es verstehen.