Kapitel 15:

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Wir saßen beide noch immer auf dem Boden, Robyn hielt das Buch in den Händen und blätterte darin herum. "Unglaublich... Das ist eine der wenigen Originalfassungen die es heute noch gibt. Ich hätte niemals gedacht, dass ich eines davon einmal in den Händen halte." Verwirrt beobachtete ich ihn, wie er immer wieder vereinzelte Passagen las. "Und was genau hat es jetzt mit diesem Buch auf sich?" "Also...", begann Robyn. "Es ist etwas kompliziert. Wenn du etwas nicht verstehst, dann sag mir bescheid, ich werde versuchen es dir zu erklären." Ich nickte. "Wie du schon richtig vermutet hast, ist das kein Kindermärchen. Der Einband des Buches ist eigentlich ein anderer, vermutlich wurde dieser hier", er hielt das Buch in die Luft, "einfach über den Original drum herum gemacht. Der Titel ist nicht 'Der Prinz und das Meer' sondern eigentlich 'Die Entstehung von Pantheos, Raven Palace und die Beendigung des Esmehen-Krieges'." "Stop!", ich hob die linke Hand. "Die Entstehung von was und was für ein Krieg?" Er grinste auf Grund meiner Geste. "Pantheos, auch genannt das unendliche Reich, ist einst ein großes und mächtiges Königreich gewesen. Raven Palace ist, wie der Name schon sagt, ein Palast. Er befindet sich in einer riesigen Glaskuppel, unter welcher sich eine Stadt befindet. Diese Stadt heißt Sonnenklang und ist die Hauptstadt von Pantheos." Er machte eine kurze Pause, ehe er fortfuhr: "Der Esmehen-Krieg ist benannt nach dem Anführer der Brigade der zweitgrößten Stadt, Karlos Esmeh. Der Name dieser Stadt lautet Erzland. Karlos Esmeh war damals der Herzog von Erzland und Luzian Del Mère war der König von Sonnenklang. Beide Städte gehörten zum Reich Pantheos, doch Karlos gefiel es nicht, nur ein Herzog zu sein, er wollte lieber der König sein und so beschloss er, Erzland vom Reich Pantheos abzukapseln, um ein neues Reich zu gründen, in welchem er als König herrschte. König Luzian war von dieser Idee nicht besonders angetan und verwehrte Karlos seinen Wusch, worauf hin dieser schrecklich wütend wurde, denn er wollte an die Macht.", er senkte den Kopf und seufzte. "Also zettelte er einen Krieg gegen Sonnenklang und gegen die Königsfamilie an. Der Krieg dauerte 40 bittere Jahre." Trotz des schummerigen Lichtes sah ich, dass Robyn Gänsehaut bekam. "Am 24.09.1991 fand der schreckliche Krieg ein Ende. Viele Krieger und Soldaten mussten ihr Leben lassen." Ich musterte Robyn. "Wie...", ich traute mich kaum nachzufragen, "Wie endete dieser Krieg?" Robyn sah mich an. "Karlos Esmeh starb durch die Hand des Prinzen von Sonnenklang, Darion." Mit großen Augen und leicht offen stehendem Mund starrte ich Robyn an. "Prinz Darion hat ihn getötet?" "Ja.", antwortete Robyn trocken. "König Luzian dankte noch am selben Tag ab um sich in den Ruhestand zu begeben, denn auch wenn er es niemals zugegeben hätte, der Krieg hatte ihm übel mitgespielt. Am ersten Anschlag auf den Palast musste seine Frau, Königin Ambrose, ihr leben lassen. Beide Städte waren bis aufs unkenntliche verwüstet und etliche seiner Untertanen sind durch Karlos Hand gestorben." Ich senkte den Blick und starrte meine Socken an. "Das klinkt wirklich schrecklich.", meine Stimme war belegt. "Aber ich habe noch nie etwas von diesem Krieg gehört, geschweige denn gelesen. So etwas bedeutendes müsste doch in den Geschichtsbüchern vermerkt sein, oder nicht?" Robyn grinste schief. "Ja, hier steht alles geschrieben." Er deutete auf das Buch. "Von den Städten habe ich auch noch nie etwas gehört.", fügte ich leise hinzu. "Das wundert mich kaum.", sagte Robyn. Seine Stimme triefte nur so von Spott, was mich wütend machte. "Was ist so komisch daran?", fuhr ich ihn an. "Nun ja, im Gegensatz zu dir kann ich mich noch an Juvica und seine wundervollen Landschaften erinnern. Wir flohen von diesem Planeten als ich sechs Jahre alt war." Wollte er mir gerade einen Streich spielen? "Hä?", machte ich. "Ja, so ist es. Wir beide sind nicht von der Erde, wir stammen beide von einem Planeten namens Juvica, er ist einer der Monde der den Saturn umkreist. Die menschlichen Wissenschaftler haben ihn bis heute nicht entdeckt." Er lachte laut und ich boxte ihm gegen die Schulter. "Nicht so laut! Oder willst du, dass Loveday und Lena wach werden?", zischte ich. Er schlug sich beide Hände vor den Mund und sprach wieder leise." 'Tschuldige, habe ich vergessen." Ich rollte nur mit den Augen. "Jedenfalls wurde Darion einen Tag später zum König erklärt, er regierte Pantheos 5 Jahre lang und half beim Wiederaufbau von Sonnenklang wo er nur konnte. Ein Jahr nach Darions Krönung starb sein Vater Luzian an Herzversagen. Auch in Erzland wurde ein neuer Herzog erkoren, Herzog Alain vom Wind. Die beiden Städte konnten sich nicht wieder vertragen und leben noch heute im Streit, immer wieder gibt es kleinere Bürgerkriege in Pantheos. Das unendliche Reich ist durch die Zerstörung vieler Städte im Krieg längst nicht mehr so groß wie zuvor." Ich nickte, um Robyn zu signalisieren, dass ich alles verstanden hatte. "Und wer regiert heute das Reich?" Robyn lächelte traurig. "Dein Vater, König Davos Ellerty und an seiner Seite Königin Roselle Ellerty." Hatte ich gerade richtig gehört? "Mein... Vater? Aber... das würde ja bedeuten...", ich schnappte nach Luft, "dass der Mann, der bisher behauptet hatte mein Vater zu sein, gar nicht mein leiblicher Vater ist?" Jede Farbe wich mir aus dem Gesicht. Robyn sah mich besorgt an. "Das ist richtig, Prinzessin Lucienne Mariella Ellerty. Das ist eigentlich dein Name." Ich sah ihn eindringlich an. "Warum weißt du so viel über mich?" Skeptisch und mit zusammengekniffenen Augen musterte ich ihn. "Du bist in Sonnenklang geboren, ich bin in Erzland geboren. Mein Vater ist der Sohn von Herzog Alain, doch als er meine Mutter geheiratet hat, hat der Herzog, mein Großvater, ihn aus Pantheos verbannt. Meine Mutter war zu Lebzeiten ein Mensch." Er atmete tief ein. "Die Herzogin Estelle, meine Großmutter, hat die Saturnkrieger auf die Erde geschickt um mein Vater und meine Mutter zu finden. Sie hatten den Auftrag meine Mutter zu töten, was ihnen vor zwei Jahren auch gelang..." Er sah aus dem Fenster und rieb sich die Stirn. "Oh mein Gott... Das tut mir so furchtbar leid Robyn." Ich war den Tränen nahe. Alle die ich kannte hatten immer erzählt, seine Mutter wäre mit einem anderen Mann durchgebrannt, dass sie tatsächlich ermordet wurde zerriss mir das Herz. Robyn tat mir wirklich leid. "Mein Beileid.", fügte ich leise hinzu. Ich wartete einen Moment lang ab, um sicher zu gehen, dass es Robyn gut ging. Ich hätte vollstes Verständnis gehabt, wenn er eine Pause gebraucht hätte. "Du fragst dich jetzt sicher, was das alles mit dem Streit unserer Familien zu tun hat, oder?" Ich nickte. "Ja, allerdings.", noch etwas leiser fügte ich hinzu: "Doch noch mehr würde mich interessieren, wer diese Menschen, die sich als meine Eltern ausgeben, wirklich sind." Ich stand auf und lehnte mich aus dem offenen Fenster. "Diese Frage kann ich dir beantworten, wenn du das möchtest." Ich drehe mich zu ihm um, mittlerweile war er ebenfalls aufgestanden. "Earl Matthew Van der Linden und Countess Eleonora Van der Linden sind für dich Onkel und Tante, Lady Lena Van der Linden ist deine Cousine." Er strich mir ein paar lose Haarsträhnen aus dem Gesicht. "Also weiß Lena auch von nichts. Sind... meine Eltern denn noch am Leben?", fragte ich unsicher. Robyn nickte bestätigend. "Ja, König Davos und Königin Roselle geht es beiden sehr gut und sie scheinen auch über das Reich wundervoll zu herrschen." Ich lächle erleichtert. "Das ist gut zu hören. Dürfte ich dich noch etwas fragen?" "Aber natürlich." Robyn stand sehr nah vor mir, was mich leicht irritierte, denn ich war es nicht gewohnt seinen Geruch so intensiv wahrzunehmen. Er roch gut nach Aftershave, Kaffee und Tabak. "Wäre dein Vater nicht der rechtmäßige Thronfolger, wenn Herzog Alain etwas zustoßen würde?" "Das war er, kurz bevor Herzog Alain ihn verbannt hat." "Dann wird es nach deinem Großvater keinen Herzog mehr geben?" "Das ist etwas kompliziert, das erkläre ich dir lieber ein anderes Mal, in Ordnung?" Ich seufzte, dennoch gab ich mich geschlagen. "Zuerst solltest du wissen, warum unsere Familien so zerstritten sind." "Ja, das würde mich jetzt wirklich mal interessieren." Robyn setzte sich im Schneidersitz auf das kleine Bett. Ich nahm neben ihm platz. "Der Herzog ist nicht berechtigt die Verbannung eines Untertan rechtsgültig auszusprechen. Er kann es mit einer Begründung aussprechen, doch erst durch das Wort des Königs wird sie rechtsgültig. Das heißt, hätte dein Vater der Verbannung nicht zugestimmt, dann wäre ich jetzt nicht hier." Erschrocken sah ich ihn an. "Was? König Davos hat dem zugestimmt? Warum?" Robyn zuckte mit den Schultern. "Tut mir leid, aber das weiß ich nicht.", er seufzte tief. "Naja, mein Vater ist natürlich heute noch stocksauer und kann die Entscheidung nicht nachvollziehen. Er beschloss mit meiner Mutter und uns auf ihren Heimatplaneten zu ziehen, auf die Erde." Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. "Zu erst lebten wir in einer kleinen Wohnung in Cardiff, glaub mir, Cardiff ist kein schöner Ort zum leben.", er gluckste vor sich hin. "Wir haben vielleicht fünf Monate dort gelebt, als meine Mutter in der Zeitung das Haus, in dem wir jetzt leben, gesehen hat und Vater hatte beschlossen es zu kaufen. Etwa ein Jahr später seid ihr in dieses Haus gezogen, da müsstest du vier Jahre alt gewesen sein und kurz darauf wurde deine Schwester... ich meine, deine Cousine, geboren." Angestrengt versuchte ich mich an unseren Einzug in dieses Haus zu erinnern, doch keine Chance, mein Gedächtnis war wie ausradiert. "Warum kann ich mich nur nicht erinnern?", dachte ich laut. Robyn sah mich mitfühlend an. "Mein Vater hatte damals nicht lange gebraucht, um zu wissen, dass Earl Matthew der Bruder des Königs von Pantheos ist und ebenso konnte sich der Earl an den verbannten Herzogssohn erinnern. Damit war eine imaginäre Mauer zwischen dem Wald und dem Wiesen Gebiet in Moondyke errichtet. Dein Onkel und mein Vater wollten immer verhindern, dass Lena und du mich und meine Brüder kennen lernt, vermutlich weil es ihren Stolz verletzen würde. Das war eigentlich schon das meiste. Willst du noch irgendetwas wissen?" Abwartend sah er mich an. "Ja, es gibt da noch drei Dinge, die ich gerne wissen würde. Eines davon wäre die Sache mit dem Thronfolger des Herzoges. Dann würde mich interessieren, du heißt doch Lacroix mit Nachnamen, oder liege ich da falsch?" Er schüttelte leicht den Kopf. "Nein, du liegst richtig mein Nachname lautet tatsächlich Lacroix, warum?" "Nun ja...", begann ich, "Der Name des Herzoges lautet doch Alain vom Wind, wie kommt es dann, dass ihr nicht diesen Namen habt?" Er grinste. "Mein Vater wollte diesen Namen ablegen und hat bei der Hochzeit den Nachnamen meiner Mutter angenommen." "Ach, so ist das also." Ich lächelte. "Und was wäre deine dritte Frage?" Ich schaute zu ihm auf. "Du hattest bei einem unserer Treffen ein mal einen Packt erwähnt." Er legte den Kopf schief. "Daran erinnerst du dich noch? Du meinst sicher den Packt der Gezeiten, oder?" Ich nickte bestätigend. "Der Packt der Gezeiten muss von jedem Mitglied des Adels unterzeichnet werden, sobald er oder sie 18 Jahre alt, also volljährig, geworden ist. Das ist ein Dokument, in welchem man mit seiner Unterschrift das Versprechen gibt, dass man an die Stelle seiner Eltern oder Großeltern tritt, wenn diese sterben sollten." "Also ehrlich gesagt verstehe ich gerade nur Bahnhof." Ich sah ihn entschuldigend an. "Kurz gesagt, wenn du diesen Packt unterschreibst bist du verpflichtet, als Kronprinzessin von Pantheos, den Thron zu besteigen, also Königin werden, wenn deine Eltern verstorben sind." Nachdenklich kaute ich auf meiner Unterlippe herum. "Und ich muss diesen Vertrag wirklich unterschreiben, sobald ich 18 geworden bin?" Er grinste schief. "Ich drücke mich erfolgreich seit drei Jahren davor." Sein Grinsen wurde breiter. "Beantwortet das nun auch deine letzte Frage?" Mit großen Augen sah ich ihn an. "Was? Du wirst einmal Herzog werden?" "Nun ja, ich hoffe nicht." Er gluckste wieder vor sich hin. Irgendwie fand ich das süß. "Aber ich bin leider der einzige in der Familie, dem es erlaubt wäre." "Wie meinst du das?" Er seufzt. "Mein Bruder Marco, der älteste, ist ein Mensch. Mein Bruder Eric ist ein Halbblut, halb Mensch, halb Soturi. Ich hingegen bin ein Vollblut Soturi, genau wie du." "Soturi...", wiederholte ich leise. "So werden also die Bewohner von... wie hieß der Planet noch gleich?" Mein Kopf fühlte sich allmählich an, als würde er vor lauter Informationen platzen. "Er heißt Juvica." Er lächelt. "Und was ist mit den Hieroglyphen an meiner Zimmerdecke?" Fast hätte ich den Grund für diesen ganzen Aufruhr vergessen. "Und... und wer ist Loveday wirklich?" "Loveday muss eine Vertraute des Earls oder der Countess sein." Sein Gesichtsausdruck wurde ernst. "Das was in deinem Zimmer an der Decke stand bedeutet übersetzt soviel wie 'Die Prinzessin muss sterben'. Ich kann dir zwei Sachen versichern. Erstens: Es war niemand aus meiner Familie, das weiß ich sicher und zweitens: ich werde dich beschützen!"

Die Straße zum MondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt