In diesem Moment begann mein Handy erneut zu vibrieren und aus Schreck hätte ich es fast fallen gelassen. Anruf von Anonym. Ich nahm mein Handy und hielt es mir ans Ohr. "Hallo?" "Na endlich gehst du mal an dein Handy. Wieso hast du vorhin aufgelegt?", knurrte mir Robyn ins Ohr. Der Anruf kam nach der Entdeckung, welche ich gemacht hatte, wie gerufen. "Die beste Freundin meiner Mutter kam ums Eck, ich hab mich so erschrocken, dass ich aufgelegt habe. Tut mir leid.", entschuldigte ich mich bei ihm. "Na sowas.", Robyn lachte. Das sah ihm mal wieder ähnlich. "Ich hab die Zeichen an meiner Decke fotografiert. Und ich hab noch mehr Neuigkeiten!", berichtete ich ihm. "Allerdings wäre es geschickt, wenn du mir erst mal deine Nummer gibst, deine Anrufe kommen nämlich nur als Anonym an. Das ist auch der Grund warum ich dir nicht zurück rufen konnte.", vielleicht klang ich etwas zu forsch, aber vermutlich war er das mittlerweile schon gewohnt. "Stimmt, ja! Warte ich schreib dir schnell eine Nachricht, dann müsstest du meine Nummer einspeichern können und dann schickst du mir bitte sofort das Bild! Ach... ich hätte da noch eine Frage, Lettie..." Während ich dabei war die Nummer von Robyn einzuspeichern, stellte ich auf Lautsprecher um. "Na dann, ich bin ganz Ohr." Kurze Stille. "Wenn alle schlafen gegangen sind, dann schau ich kurz bei dir vorbei. Es gibt da ein paar Dinge die ich dir vielleicht erklären sollte, bevor noch alles außer Kontrolle gerät." "Was meinst du mit außer Kontrolle geraten?" "Ich erkläre es dir später, versprochen." Ich seufzte kurz. "Na gut, dann vertraue ich darauf." "Also ich komme um 1 Uhr vorbei." "Gut, dann stelle ich mir einen Wecker. Ich wurde für heute Nacht im Gästezimmer einquartiert, das ist das dritte Fenster vorne links im ersten Obergeschoss." "Dann weiß ich ja bescheid, bis später." Und schon hatte er wieder aufgelegt. Das Buch, welches ich zuvor gefunden hatte, versteckte ich unter dem Kopfkissen, danach schickte ich Roybn noch das Bild und legte das Handy beiseite. Schnell kuschelte ich mich unter die Decke und schloss die Augen, damit ich diese Nacht wenigstens ein bisschen Schlaf abbekommen würde.
Ich wurde durch das klingeln meines Weckers wach. Noch im Halbschlaf tastete ich danach, um ihn ausschalten. Es war jetzt 0:55 Uhr. Eigentlich wollte ich gar nicht aufstehen, mein Bett war gerade so schön warm, doch letzten Endes konnte ich mich dann noch dazu durchringen aufzustehen. In Rekordzeit bürstete ich mir die Haare und zog mich um. Leise und vorsichtig, auf das ja niemand wach werden könnte, öffnete ich die Jalousien. Robyn war noch nicht da, trotzdem öffnete ich schon einmal das Fenster um noch etwas frische Luft in das Zimmer zu lassen. Der Mond strahlte in seiner voller Pracht. Bald würde wieder Vollmond sein und Vollmondnächte waren mir die liebsten. Es war sehr schwer zu beschreiben, aber ich fühlte mich in solchen Nächten immer unglaublich frei und unbeschwert. Ein lautes Rascheln riss mich aus den Gedanken. Ich blickte nach unten und sah wie Robyn an der Fassade unseres Hauses zu meinem Fenster hochkletterte. Ich lehnte mich ein Stück über den Fenstersims und streckte ihm meine Hand hin, welche er dankend annahm, dann half ich ihm hoch.
Im Zimmer angekommen zog er sich erst einmal die Schuhe aus und stellte sie von außen auf den Fenstersims. "Es regnet.", meinte er genervt und verdrehte die Augen. Ich musste mir ein Lachen verkneifen. Er sah mich an und lächelte. "Wie geht es dir?" Ich lächelte ebenfalls. "Mir geht es gut soweit." Ich seufzte tief und nahm mein Handy um das Foto zu suchen. "Ich habe hier in einem der Bücherregale ein sehr interessantes Buch gefunden. Weißt du, ich habe das Gefühl, dass Loveday jeden Tag etwas verrückter wird." Mein Lachen war bitter und freudlos. Ich legte mein Handy beiseite und kramte das Buch unter meinem Kopfkissen hervor. "Sie hat einen relativ speziellen Humor und ich vermute, dass ihre Kindheit ziemlich abgefahren war.", ich seufzte. "Als sie mir vorhin eine gute Nacht gewünscht hat, da sagte sie etwas sehr komisches..." Kurz musste ich überlegen was sie genau gesagt hatte, dann fiel es mir wieder ein: "Möge Mondprinz Darion über deine Träume wachen. So etwas in der Art hat sie gesagt. Ich hab es natürlich nicht verstanden und sie meinte nur, es wäre eines dieser Kindermärchen, aber dann habe ich dieses Buch hier gefunden." Ich strecke ihm das schwarze Buch hin. Er nimmt es und mustert den Einband. "Der Prinz und das Meer?" Er sah mich mit gerunzelter Stirn an. Ich ging zu ihm und klappte dir erste Seite des Buches auf. Er musterte die Zeichnung. "Ich kenne dieses Buch." Er sah zu mir hoch und seine Augen blitzten auf. Er sah mich mit einem Blick, gemischt aus Mitleid und Trauer, an. Was hatte das wohl zu bedeuten?
"Was ist los?", ich schaute in sein traurig dreinschauendes Gesicht. Schließlich setzte er zum sprechen an: "Mondprinz Darion ist kein Kindermärchen." Ich hob eine Augenbraue. "Ja, diese Vermutung hatte ich auch schon." "Bei mir ist es aber keine Vermutung.", sagte er trocken und lehnte sich aus dem Fenster. "Ich weiß es." Ich sah ihn durchdringlich an. "Und was ist das dann für eine Geschichte?" Keine Antwort. "Hallo? Robyn?" Mit einem Mal drehte er sich zu mir um und sah mir unvermittelt in die Augen. "Hör mir jetzt genau zu und schwöre mir, dass niemals irgendjemand davon erfahren wird, dass ich dir das gesagt habe." Jetzt bekam ich es mit der Angst zu tun. In seinem Blick lag etwas forderndes und etwas, was ich nicht einschätzen konnte. Ich wich seinem Blick aus. "Robyn, du machst mir Angst.", flüsterte ich kaum hörbar. Er seufzte tief. "Tut mir leid, das wollte ich nicht." Er lies sich im Schneidersitz auf den Boden gleiten, fast lautlos. "Aber du musst mir schwören, dass keiner erfährt, dass erstens ich dir das erzählt habe und zweitens, dass du davon vor deinem achtzehnten Geburtstag erfahren hast." Mit großen Augen blickte ich auf ihn runter und ließ mich dann neben ihm nieder. "Okay!" Ich strecke ihm den kleinen Finger meiner rechten Hand hin. "Ich schwöre es dir, ich behalte es für mich!" Er lächelt mich erleichtert an und hakt sich bei mir ein. "Ich zähle darauf!"