Kapitel 2

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich in keiner Weise besser. Ich vergrub mein Gesicht in meinem Kissen und überlegte, ob ich einfach so tun könnte, als ob die Welt stehen bliebe, wenn ich gar nicht erst aufstand.

Ich hatte so unendlich wenig Lust mich diesem Tag zu stellen, dass noch nicht einmal die Tatsache, dass heute Sonntag war, mich aufheitern konnte.

Ich schaute auf mein Handy:

9:22 Uhr.

Ich stöhnte. Warum hatte ich nicht bis eins schlafen können? Jetzt musste ich diesen Tag noch mindestens 12h lang aushalten. Eine schreckliche Vorstellung.

Ich knotete mich in einem Gewimmel von Decke und Körperteilen ein und fing an, mich in meiner Decke so lange hin und her zu wälzen, bis ich es schaffte aus dem Bett zu fallen.

Zum Glück war der Aufprall jedoch nicht so hart, dass ich mich ernsthaft hätte verletzten können.

Ich ließ den Kopf auf den kühlen Boden knallen.

Okay, dachte ich, du gehst jetzt in die Küche, machst dir was fantastischen zu essen, guckst dann was du eventuell noch für die Schule machen kannst, überlegst was du davon weglassen kannst, suchst dir einen guten Film...

„Olive, was machst du da?"

Ich brauchte nicht hochzugucken um zu wissen, dass es Lion war.

„Nichts" grunzte ich dumpf unter meinen Decken hervor.

Dann hörte ich eine Weile nichts, doch als ich keine Anstalten machte aufzustehen, kam von Lion nur noch ein langgezogenes „Okayyyyy" und die Tür schloss sich wieder.

Obwohl ich mir vornahm, meinen kleinen Bruder in die Künste des Anklopfens einzuweihen, war das doch der Schubs gewesen um mich aufzuraffen und so ließ ich meine Decke auf dem Boden liegen und stand auf.

Im Bad angekommen nahm ich erst mal mit geschlossenen Augen den Spiegel ab (ich hatte die halbe Nacht durchgeheult und konnte mir ausmalen, wie ich aussah) und hängte ihn erst wieder nach einer langen, heißen Dusche, duftender Bodylotion und sehr viel Creme im Gesicht auf.

Ich zog mir ein Anti-Outfit mit ausgeleierter Jeans und einem Shirt, das beim Waschen irgendwie größer geworden war an und fühlte mich gleich viel besser - oder auf jeden Fall schon mal mehr bereit mich den nächsten 24h zu stellen, als noch vor einer halben Stunde.

In der Küche saß Lion an unserem Ipad, völlig vertieft in irgendeinem dieser Autovideos, an denen ich nie interessiert gewesen war.

„Hast du heute noch irgendwas vor?" startete ich den Anlauf, ein normales Gespräch aufzubauen, während ich den Kühlschrank nach etwas Essbarem durchsuchte.

Nach etwa einer halben Minute Wartezeit bekam ich eine Antwort:

„Ja, ich fahr später noch zu Luke, aber ansonsten bin ich hier."

„Klingt doch gut"

„Du?"

„Nichts"

„Klingt doch auch gut", sagte Lion und schaute mich jetzt das erste Mal richtig an.

„Es läuft ein Castle-Marathon im Fernsehen falls du-"

Lion beendete seinen Satz nicht, da ich einen rekordverdächtigen Sprint ins Wohnzimmer hinlegte und den Fernseher anschaltete. Ich dankte den Mächten, die diesen Marathon angesetzt hatten. Genau brauchte ich jetzt.

Engelsflügel Du kannst Dein Schicksal nicht verändernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt