Kapitel 11

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Fünf Stunden später, nach kaum vier Stunden Schlaf, saß ich wieder auf meinem Sofa/Bett und aß Cornflakes. Weniger, weil ich nicht mit knapp einer Mahlzeit am Tag ausgekommen wäre, sondern eher, weil ich Cornflakes liebte, genau wie den Minikühlschrank, den ich mir von einem von Belles sehr innovativen Freunden besorgt hatte.

Harry, der "Kumpel" von Belle, hatte sich dadurch von mir auch wohl kaum von mir ausgenutzt gefühlt. Im Gegenteil schien er sehr glücklich darüber gewesen zu sein, der besten Freundin seiner "guten Freundin" einen Gefallen zu tun. Wenn ich noch länger von dieser Beziehung profitieren konnte, war mir die Verbindung also nur recht.

Andere haben Sex in der Küche - ich esse im Bett.

Als ich fertig geduscht und meine Sportsachen angezogen hatte, lief ich zum Fitnessbereich, der schon am frühen Morgen völlig überfüllt war. Warum der Rat uns selbst an einem eigentlich freien Tag so früh zum Training schickte war mir unbegreiflich.

„Weil sie nicht wollen, dass wir zu viel Zeit in der dritten Sphäre verbringen." hatte Belle mir erklärt. „ Wir schlafen schon relativ viel im Gegensatz zu Halbengeln oder erwachsenen Engeln." Ein Grinsen war über ihr Gesicht geflogen, als sie erwachsene Engel gesagt hatte. Niemand feierte es mehr als Belle, dass ich theoretisch schon als richtiger Engel galt, während sie und Taylor noch mit Jack festsaßen.

Sie schien das nicht zu stören, aber ich wusste, dass Taylor es kaum erwarten konnte, komplett auf eigenen Beinen zu stehen, während Sky seinen Schutzengel ziemlich vermisste.

Es war so wie mit dem Erwachsen sein. Als Teenager wünschten sich die meisten nichts mehr als endlich volljährig zu sein, und die meisten Erwachsenen würden alles dafür geben wieder jung zu sein. Ich seufzte, während ich die Tür zum Umkleideraum öffnete. Warum konnten die Menschen nicht einfach versuchen, das Beste aus der ihnen gegebenen Situation machen?

Ich grüßte einige Engel in meinem Cardiokurs, während ich nach Belle Ausschau hielt.

Doch sie war noch nicht da, was so gut wie nie vorkam. Normalerweise war sie immer einer der Ersten hier. Erst jetzt merkte ich, dass ich mich echt gefreut hatte, ihr von meinem Kampfunterricht mit Sky zu erzählen. Mit wem sonst sollte ich sämtliche seiner Aussagen strukturieren, analysieren und (über)interpretieren?

Aber der Kurs begann ohne eine Spur von Belle. Engel wurden nicht krank und ich fragte mich, wo sie war, bis mir einfiel, dass sie wohl mit den Älteren auf Exkursion war. Die Erkenntnis, meinen freien Tag ohne Belle bestreiten zu müssen, brachte meine Laune mit einem Schlag in den Keller. Ich würde sie zwar zur Mittagspause sehen, und mittlerweile konnte ich den Fahrstuhl auch alleine benutzen, trotzdem vermisste ich meine quirlige Begleiterin.

Die Trainingsleitung hatte unseren Kurs hochgelevelt, falls das ein Verb war, und so musste ich mich für den Rest der Trainingseinheit zum Glück auf meine Balance und Konzentration fokussieren. Belle bestritt das zwar immer wieder, aber ich war ziemlich überzeugt, dass die Flügel mehr eine Hilfe als eine Bürde waren. Im Gegensatz zu meinem krüppeligen Ansatz von Gewebe. Meine Stümmel waren nun zwar fast schon einen halben Meter lang und ich konnte sie zu meiner großen Überraschung sogar bewegen, aber ohne die wunderschön glänzenden Federfasern erzeugten sie -wenn überhaupt- lediglich einen leichten Luftzug. Meinen Kursbegleitern machte das nichts aus, aber ich fühlte mich ziemlich unwohl damit.

Auf dem Weg zum Sportbereich schloss ich mich, als die Tortur schließlich beendet war, Anna und Danielle an, die fröhlich über die geplante Shoppingtour plapperten, die in wenigen Tagen anstand. Ich beteiligte mich nur halbbewusst an dem Gespräch, während ich meine Nachrichten auf meinem GC durchging.

Engelsflügel Du kannst Dein Schicksal nicht verändernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt