Der Raum entsprach zu meiner Überraschung ziemlich genau meiner Vorstellung von dem klassischen und von den Medien allzeit genutzten Krankenhausbild:
Vier metallische Betten, getrennt durch schimmelgrüne Plastikvorhänge, weiße, nach Desinfektionsmittel riechende Bettwäsche und Bett und in einem von ihnen eine blasse, leblose Gestalt, angeschlossen an unzählige lebenswichtige Schläuche, die zu verschiedenen blinkenden und piependen Apparaten (von denen ich so tun musste, als würde ich sie perfekt beherrschen) führten. Vorsichtshalber bemühte ich mich, einen Sicherheitsabstand von 3m einzuhalten.
Die einzige Ausnahme war, dass ich selbst die Person auf der Krankenhausliege war.
Mein Schutzkörper war blass, und ich vermisste meine markanten Wangenknochen, die fehlerfreie Haut und dichten Wimpern meines Seelenkörpers, an den ich mich inzwischen gewöhnt hatte. Es war zwar definitiv nicht mein Seelenkörper, aber die Parallelen waren nicht zu übersehen.
Das alles stellte ich innerhalb 2 Sekunden fest, bis ich mich schnell abwandte und so tat als würde ich gewissenhaft irgendwelche Werte studieren. Es war ein gutes Gefühl, dass wenn ich irgendetwas falsch machen würde, es für den „Patienten" keine Rolle spielen würde. Hoffte ich jedenfalls.
Es war ein komisches Gefühl, keine Kontrolle über meinen Körper zu haben, beziehungsweise mich so von außen zu beobachten. Ich konzentrierte mich wieder auf meine Rolle als Krankenschwester. Einerseits, weil ich bei meiner ersten aktiv/praktischen Prüfung einen guten Eindruck machen wollte, vor allem aber auch, weil wir nicht alleine waren. Es war noch eine zweite Krankenschwester im Raum, die mit Taylor gedämpft die Situation irgendeines Patienten besprach.
(Taylors Schutzkörper "Tom" war ein bekanntes Gesicht hier).
Ich las aus seinen Untergedanken, dass er hauptsächlich versuchte sie abzulenken, um mich immerhin ein kleines Stückchen zu unterstützen. Eine Welle von Dankbarkeit durchflutete mich -einen besseren Prüfungskoordinatoren konnte ich mir nicht vorstellen.
Ich machte mir ein Paar wichtig aussehende Notizen auf meinem Klemmbrett und fuhr dann mit weiteren unnötigen Inspektionen fort. Ich kam mir wahnsinnig blöd vor, aber Taylor verbreitete ein zufriedenes Gefühl, das auf mich abfärbte.
Beziehungsweise Tom. Ich wusste, dass es ein Fehler war, in einer Auftragsrolle die richtigen Namen eines Engels zu denken und so konzentrierte ich mich darauf, Taylors Schutzkörper zu sehen. Auf diese Weise konnte mir nicht so schnell der Fehlerunterlaufen, dass ich vergessen würde, dass der Name Tom und nicht Taylor war. Auch wenn ich seinen Schutzkörper nicht mochte: es war ein pickeliger Nerd mit ungewaschenen Haaren. Taylor hatte mir erklärt, dass es praktisch sei, da so die Frauen ihn weniger beachteten. Aus dem selben Grund hatten wir auch einen großen Bogen um die Kinderstation gemacht, da vor allem Kinder unheimlich stark auf uns reagierten.
Erwachsene hauptsächlich nur, weil Engel unheimlich attraktiv waren. Was Tom anging, hatte ich allerdings die Vermutung, dass Taylor einfach nur Spaß dabei hatte, sich bei Krankenhausaufträgen null Gedanken um sein Äußeres zu machen.
,,Tom?", rief ich ihm zu mir, kurz irritiert über den Klang dieses Namen und bemüht schon jetzt meine Stimme zu verstellen.
Er reagierte aber völlig selbstverständlich darauf.
„Hattest du Doktor Phil nochmal Bescheid gesagt, wegen des RKGs von Simon. Du weißt schon, die Sache mit der Amplifikation, er hatte danach gefragt."
Tom nickte kurz und ergänzte noch irgendetwas Unverständliches.
Wohl Medizinfachbegriffe gegoogelt, hörte ich seine klaren Gedanken. Meine Mundwinkel verzogen sich leicht, als ich ihn innerlich darüber auslachte, wie sehr er sich zurückhalten musste, um diesen Kommentar nicht rauszuhauen. Zufrieden kritzelte ich irgendeinen Stuss auf mein Notizblatt. Da die Krankenschwester kein Engel war (das hatte ich gleich zu Anfang abgecheckt) fühlte ich mich tatsächlich relativ entspannt. Auf jeden Fall dafür, dass dies meine erste Prüfungssituation war.
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Engelsflügel Du kannst Dein Schicksal nicht verändern
FantasyOption a) das Ganze war ein idiotischer Streich der älteren Jungs (mir war eingefallen, dass ich Taylor mit einigen von ihnen gesehen hatte). Das würde heißen ich wäre der Lacher der Oberstufe und einfach zu kneifen würde schwach aussehen. Deshalb w...