Kapitel 17 - Regen

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Ich kneife die Augen zusammen, weil das Sonnenlicht, was aus den Fenstern gegenüber, so hell strahlt. Es umhüllt ihn in einen Lichtkranz, wodurch ich die Augen zusammenkneifen muss, um ihn besser zu erkennen.

Er steht wirklich vor mir. Wie eine große Wand. Ich müsste mich unter ihm durchquetschen um vorbei zu kommen. Obwohl ein Teil meiner selbst jetzt am liebsten die Flucht ergreifen würde, um sich vor ihm zu verstecken. Vor seinem stechenden Blick, der durch mich hindurch sehen kann. Der meine Schwäche erkennen kann. Jedoch kann ich mich nicht bewegen. Ich bin wie fest gefroren. Ein kleiner schwacher Teil von mir, der versucht seiner flüsternden Stimme mehr Macht zu verschaffen und zu wachsen, wünscht sich, bei ihm Trost zu suchen. Dieser Gedanke lässt mich innerlich beschämt zusammenzucken. 

Ich soll zu dem rennen, der mir diesen Schmerz überhaupt verschafft hat? Um ihm zu zeigen wie schwach ich bin? Um ihm noch mehr Munition in die Hand zu geben, womit er mich noch mehr vernichten könnte? Niemals.

Anstatt froh darüber zu sein, dass er sich anscheinend sorgen macht, wächst Argwohn in mir. 

Mein Gesicht erstarrt zu einer undurchdringlichen Maske und ich stelle mich aufrecht hin.

,,Mir geht es gut.", ich kneife die Augen zusammen. ,,Wieso bist du hier?", frage ich leise. Aufmerksam. Forschend.

Er runzelt die Stirn und beugt seinen Kopf etwas herunter, um mein Gesicht zu betrachten. Damit versperrt er das schwache Licht und ich kann nun seine Züge deutlicher erkennen. Er glaubt mir nicht. Wut wallt in mir auf.

,,Das sieht aber nicht so aus.",erklärt er ruhig.

Ich presse die Lippen aufeinander um mich davor abzuhalten, etwas zu sagen, was ich vielleicht bereuen könnte. Was ihm zeigen könnte, dass er mich durchschaut. 

,,Mein Frühstück heute Morgen hat mir auf den Magen geschlagen haben, sonst nichts. Nochmal. Was machst du hier, Nate?", frage ich nun drängender. Diese Frage ist mir aus irgendeinem Grund wichtiger, als die Tatsache, das er meine geröteten Augen sehen kann. 

Er richtet sich wieder auf und sein Kiefer zuckt. ,,Mister Smith wollte, dass ich nach dir sehe und du nicht alleine bleibst, falls dir etwas passiert.", erklärt er. Ruhig. Gelassen. Kühl.

Aus einem mir unerklärlichen Grund, bohren sich seine Worte wie eine glühende Nadel in meine Brust und mein Atem stockt durch den ungeahnten Stich. Meine Maske scheint zu zerfallen.

Was hast du erwartet?, fragt mich eine höhnische Stimme. Dass er sich Sorgen um dich macht? Nachdem er dich einfach verlassen hat und es ihn bis jetzt  nicht interessiert hat, was mit dir passiert?

Ein bitteres, selbst-ironisches Lächeln zieht sich durch die verkrampfen Muskeln meines Gesichts. ,,Natürlich. Warum frag ich auch noch unnötig, nicht wahr?", lache ich auf. Ich schüttele meinen Kopf und zeige dann an mir runter, als würde ich mich auf der Bühne präsentieren. ,, Du siehst, mir geht es gut. Du brauchst also nicht mehr so tun, als würdest du dich Sorgen. Du kannst jetzt ruhigen Gewissens wieder zurück zum Unterricht. Danke für deine Aufmerksamkeit. Hab die Leute wohl echt überrumpel. Man, was die wohl jetzt von mir denken alle", sage ich weiterhin grinsend und deute auf den Spalt zwischen seinem immer noch unbewegten Körper und dem Türrahmen. Ihm in die Augen zu sehen traue ich mich nicht mehr, aus Angst er könnte in meinen Augen den Schmerz erkennen.

,,Also, Partner. Lässt du mich dann jetzt durch?", frage ich und ohne auf seine Reaktion zu warten, schiebe ich seinen Arm mit meiner Hand weg. Er bleibt immer noch unbewegt, weshalb ich zu ihm aufsehe. Als ich seinem Blick begegne, sehe ich, wie er angestrengt die Stirn runzelt. Der kurze Moment, in dem sich unsere Blicke begegnen, lässt ihn zusammenzucken und er geht einen Schritt zurück.

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