Ein Schauer lief Henry über den Rücken. "Wo könnte ihr Bruder sich aufhalten?", fragte Beck zum wiederholten mal. Immer noch starr vor Schreck, begannen die Gedanken in Henrys Kopf zu rotieren. Valentin war also nicht in der Familienvilla. War sein Bruder geflohen? Würde er vielleicht wieder versuchen ihn anzugreifen? Hatte Matthias etwas damit zu tun? Wo waren seine Brüder? Wo und Warum? Vor allen warum. Warum war ihm das alles in den letzten Tagen passiert? Warum ging sein Bruder auf ihn los? Warum brachte sich sein Vater um? Warum hatten sie nichts von der Leukämie gewusst? Und warum bekam er immer als letztes alles mit? Warum er? Die Fragen kreisten, bis sie sich in einem Kopfschmerz vereinten, der jeden klaren Gedanken verdrängte. Verzweifelt schüttelte er langsam den Kopf. "Nein" "Was heißt 'Nein'?", fragte der Kommissar ruhig. "Das heißt, dass ich weder weiß wo Valentin ist noch warum das alles hier passiert", antwortete Henry matt. "Sie müssen doch irgendeine Vermutung haben." "Woher denn? Ich kenne meine Brüder doch kaum." In dem Moment betrat eine Krankenschwester den Raum. "Die Besuchszeit ist vorbei, der Patient sollte sich jetzt ausruhen". "Also, wenn ihnen noch irgendetwas einfällt dann teilen sie es mir mit, ok?", sagte Kommissar Beck noch und legte eine Visitenkarte auf den Nachttisch neben dem Bett. Henry nickte, allerdings wusste er nicht was ihm noch einfallen könnte. Er wollte sich einfach nicht erinnern. Am liebsten wollte er alles vergessen. Wieder zurück zu seinem Alltag, mit seinen kleinen Problemen. Aber man kann Dinge leider nicht ungeschehen machen. Um seine Situation zumindest kurzzeitig zu vergessen, versuchte er zu schlafen.
Doch kurz darauf wurde er schon wieder aus seinem Dämmerzustand gerissen. Das Abendessen kam und mit diesem auch sein Bruder Matthias, der fix und fertig aussah. Sein Hemd war zerknittert und seine Haare standen nach allen Seiten ab. "Was ist den mit dir passiert?", fragte Henry besorgt. "Ach nichts.", meinte dieser ausweichend, "Das Testamentsschreiben ist heute gekommen", er reichte Henry einen Brief. "Das lese ich später. Weißt du wo Valentin ist? Der Kommissar war vorhin hier." Matthias Augen weiteten sich. "Wieso? Der hat sich in seinem Büro in der Villa eingeschlossen." "Nein, das hat er nicht und das weißt du sehr genau" Henry sah wie sein Bruder immer unsicherer wurde. Er war sich sicher das der etwas zu verbergen hatte. "Na gut, er hat sich versteckt, aber ich weiß auch nicht wo. Ich muss jetzt auch los", sagte er schnell und verlies gehetzt den Raum. Ab diesem Moment war Henry sich ganz sicher, dass etwas nicht stimmte. Sein Bruder hatte etwas ausgefressen. Er war sich zwar nicht sicher was, aber das würde er noch raus bekommen. Allerdings nicht mehr heute.
Er wandte sich dem Brief zu den ihm sein Bruder gegeben hatte. Er war direkt an ihn addresiert und kam vom Nachlassgericht. Im Umschlag befand sich das offizielle Schreiben vom Gericht und die Kopie des Testaments seines Vaters. Er begann zu lesen, doch die Anstrengungen des Tages hatten ihn müde gemacht und ihm fielen die Augen zu bevor er über den ersten Satz hinweg war.

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Abgrund
Mystery / ThrillerEin Kliff, eine Leiche, ein Erbe, Mord? Vorwahrnung: Die Kapitel sind leider sehr kurz. Ich versuche mich zu verbessern. #84 Mystery/Thriller 16.4.16