Kapitel 3

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Die Wohnungstür war nur angelehnt und sofort überkam mich ein schreckliches Déjà-vu.

Dumm ist der, der Dummes tut.

Verdammt, nein.

Ich verbannte diesen Satz aus meinem Kopf und ballte meine Hände zu Fäusten. Ich war nicht mehr zwölf, war nicht mehr hilflos und ließ mich nicht mehr herumschubsen oder schlagen. Nie wieder. Seit meine Fähigkeiten ausgebrochen waren, hatte mir niemand mehr wehgetan. Jedenfalls körperlich nicht. Es war manchmal auch ganz praktisch, dass sich meine Haut aufheizte und sich andere an mir verbrannten. Jedenfalls war ich nicht schwach. Nicht mehr.

Die Zähne zusammengebissen, stieß ich die Tür etwas zu streng auf und sie schwang gegen die Wand. Im Flur wollte ich gerade die Schuhe zählen, als ich das hohe Lachen meiner Mom hörte. Sofort verkrampfte sich mein Körper und meine Beine verweigerten den Dienst. Ich konnte mich nicht rühren.

Das Lachen kannte ich.

Es war ihr Männerlachen. Das Lachen, das sie aufsetzte, wenn sie einen Kerl beeindrucken wollte und über jeden seiner schlechten Witze lachte. Das Lachen, dem meistens eine dramatische Beziehung, gefolgt von Partynächten und literweisen Tränen folgte.

Ich hasste dieses Lachen.

In meiner Brust verkrampfte sich etwas und wurde steinhart als ich das Paar Männerschuhe neben Mom's Pumps entdeckte. Taubheit folgte und ich nutzte das Gefühl, um mich für das Kommende zu wappnen.

Meine Mom stand am Herd und rührte fast verzweifelt in verschiedenen Töpfen. Das alleine machte mich schon nervös, denn ihre Kochkünste beschränkten sich eigentlich auf das Öffnen ihrer Flaschen. Meistens vergaß sie während dem Trinken sogar, dass sie auch etwas anderes zu sich nehmen muss, weshalb ich ihr regelmäßig etwas aufzwang. Aus diesem Grund war es fast unheimlich, sie kochen zu sehen.

Am anderen Ende der Arbeitsplatte entdeckte ich auch den Grund für ihre Bemühungen. In unserer winzigen Küche stand ein Mann im Anzug, der den Blick unverwandt auf die Rückseite meiner Mom warf. Sein lüsterner Blick wanderte über ihre Kurven und blieb an ihrem Hintern hängen. Sie hatte ihren verwaschenen Pyjama gegen einen knielangen schwarzen Rock getauscht und hatte sich Locken in die blonden Haare gedreht. Ihre rote Bluse mit dem tiefen U-Ausschnitt war ein echter Blickfang und verdeckte ihre knochigen Arme. Sie war auch geschminkt, sodass man die dunklen Schatten unter ihren sonst trüben Augen nicht sehen konnte.

Ihr Aufzug schrie förmlich Sie mich an.

Und das tat der Mann im Anzug auch. Er verschlang sie regelrecht mit seinen Blicken und glitt mit seinen Stielaugen über ihre blasse Haut und die langen blonden Haare, bis er wieder an ihrem Hintern ankam. Er grinste breit und nahm einen großen Schluck aus der Bierflasche, die er fest umklammert hielt. Mich schauderte es bei diesem Anblick und meine Finger begannen heftig zu kribbeln.

Der Mann hatte blondes, zurückgekämmtes Haar und sah aus wie eine ältere Version von Barbies Ken. Wäre da nicht dieser abwartende, lauernde Blick, hätte ich ihn beinahe als attraktiv bezeichnet.

Ich blieb an Ort und Stelle stehen und meine Tasche rutschte mir aus der Hand. Mit einem dumpfen Geräusch landete sie am Boden, doch ich rührte mich nicht.

Was zum Teufel tat sie da? Woher kam dieser Kerl? Als ich vor ein paar Stunden die Wohnung verlassen hatte, lag sie noch völlig weggetreten im Bett. Wie konnte sie da jemanden kennenlernen?

Dieser Ken-Verschnitt wirkte zwar auf den ersten Blick nicht psychotisch, aber das taten diese Typen nie. Der letzte Kerl, Mike, sah wie ein Sportler aus, doch das einzig sportliche an ihm war die Geschwindigkeit, mit der er seine Pillen schluckte. Ich hatte auf die harte Tour gelernt, dass man vor denen Angst haben musste, die völlig normal aussahen.

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