Kapitel 5

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„Da rührt sich überhaupt nichts", sagte ich genervt und betrachtete meinen Mentor mit einem abfälligen Blick. Seit über einer Stunde versuchte ich, meine Energie zu bündeln und einen kleinen Feuerball zu erschaffen.

Mit mäßigem Erfolg.

Mittlerweile war ich ziemlich frustriert und wollte nur noch nach Hause. Meine Schultern schmerzten von der Anspannung und meine dünnen Leggings boten keinen Schutz gegen den stärker werdenden Wind, was meine schlechte Laune noch verstärkte.

Nach einem zwanzigminütigen Streit, wann, wo und wie das Training ablaufen sollte, hatte Will beschlossen, dass wir uns zweimal täglich treffen sollten. Morgens und abends, vor und nach der Schule.

Mit meiner Reaktion darauf hätte er rechnen müssen.

Ich bewarf ihn mit meiner Tasche und wirkte vermutlich wie das Mädchen aus Der Exorzist, aber was hatte er erwartet? Dass ich mein komplettes Leben – so wenig darin auch passieren mag – einfach auf Eis legte, weil er das so beschlossen hatte?

Offensichtlich, denn er verstand mein Theater – seine Worte, nicht meine – nicht. Nach weiteren fünfzehn Minuten willigte er schließlich ein, dass wir uns morgens zum Training trafen und die Abende nur bei Bedarf nutzen würden. Da er den gleichen Gesichtsausdruck hatte wie ich, wenn ich mit Violet über meinen nicht vorhandenen Beziehungsstatus sprach, lenkte ich schließlich ein.

Der Kerl war wirklich stur.

Will wollte mit mir natürlich an einem unbelebten Ort trainieren, weshalb wir uns auf den Sportplatz bei der Grundschule einigten. Passte auch irgendwie, weil dort alles angefangen hatte. Laut meinem neuen Mentor war der Platz perfekt, weil der sandige Boden nicht so leicht entflammbar war und der Platz ohnehin gesperrt war. Erst gestern hatte ich gelesen, dass es zu einem Baustopp wegen der Finanzierung gekommen war. Das hieß, dass wir nicht einmal durch die Bauarbeiter gestört wurden. Wir mussten nur vor Schulbeginn verschwunden sein, weil einige Schüler auf dem Weg zur Schule hier vorbeikamen.

Das war unser nächster Streitpunkt gewesen. Die Uhrzeit.

Ginge es nach meinem Mentor, würden wir uns schon zu Sonnenaufgang treffen. Er sagte irgendetwas über den morgendlichen Energiefluss, blabla. Ich verdrehte nur genervt die Augen. Da ich ihm erklärt hatte, dass meine Stimmung und seine Gesundheit in nächster Zeit eng miteinander verknüpft wären und er mich nicht frustriert, erschöpft und müde antreffen wollte, einigten wir uns auf sieben Uhr morgens.

Eine wirklich unchristliche Zeit, weshalb mir eigentlich niemand meine schlechte Laune – an einem Samstagmorgen – zum Vorwurf machen konnte.

„Es funktioniert nicht, weil du dich nicht konzentrierst", meinte mein selbsternannter Mentor gehässig. Das lief schon die ganze Zeit so. Er sagte etwas und ich sollte es sofort ausführen. Wenn es nicht funktionierte, war ich frustriert und er genervt, was darin endete, dass wir uns stritten und dabei das Training vergaßen. „Diese Übung beherrschen selbst die schlechtesten Anfänger."

Solche Kommentare hörte ich seit über einer Stunde und da wunderte er sich, dass ich nichts auf die Reihe bekam. Er sollte Motivationscoach werden, spottete meine innere Furie sarkastisch.

„Dann trainiere doch die", sagte ich und warf ihm einen bösen Blick zu. So begierig wie er darauf war, mich zu trainieren, dachte ich, er wäre gut darin. Doch er tat nichts anderes, als mir Befehle zu erteilen und mit mir zu streiten. Möglich, dass ich ihn etwas provozierte, doch damit musste er klarkommen. Schließlich war das Training seine Idee gewesen.

Heart of FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt