Kapitel 15

3.2K 254 7
                                    

Der Weg zum Dorf war – gelinde gesagt – beschwerlich. Einen 1,83 m großen, muskulösen und beinahe bewusstlosen Jungen eine menschenleere Straße entlangzuschleifen war wirklich alles andere als lustig. Wir begannen bereits nach den ersten Metern zu schnaufen. Ich war selbst geschwächt und tat mich schwer damit, Will's Gewicht zu halten. Jeder Schritt war eine Qual und mir trat der Schweiß auf die Stirn. Als wir den Wald beinahe passiert hatten, stolperte ich über einen am Boden liegenden Ast und krümmte mich, als ein Stechen über meine Rippen zog. Ich sah an mir hinunter und bemerkte, dass der Schnitt unterhalb meiner Brust wieder stärker blutete. Auch meine Arme waren von Blutschlieren übersät und machten meine Finger glitschig. Ich befürchtete, dass mir Will jeden Moment entgleiten könnte.

Will selbst sah gar nicht gut aus. Er war leichenblass und fiebrig. Seine Stirn glänzte feucht vom Schweiß und sein Shirt war voller Blut. Das einzig Gute war, dass die Wunde an seiner Seite nicht mehr blutete. Die Stichwunde im Bauch machte mir allerdings Sorgen. Ich hatte im Kofferraum den Erste-Hilfe-Koffer geplündert und konnte ihm damit einen provisorischen Druckverband anlegen. In den Untiefen von Violets Auto lag Gott sei Dank ein Gürtel, den ich dafür verwenden konnte. Als ich mir sicher war, dass er mir nicht verbluten würde, bis ich ihn zu Stella gebracht hatte, zogen wir ihn zu zweit aus dem Wagen.

Vor meinen Augen verschwamm alles und ich musste blinzeln, um den Ausgang klar zu erkennen. Gleich hatten wir es geschafft.

Ich war so müde.

Meine Arme wurden schwer und meine Schritte unbeholfen. Vi trug beinahe Will's gesamtes Gewicht und ich wusste, dass sie das nicht mehr lange würde aushalten können. Sie atmete genauso schwer wie ich.

„Es ist nicht mehr weit." Ich wusste nicht, ob ich das zu ihr oder zu mir selbst sagte. Ich konnte ohnehin nicht mehr klar denken.

Egal.

Wichtig, war nur, dass wir Stella erreichten.

Wir durchquerten den Wald und traten auf die andere Seite. Ich hatte keine Ahnung wie spät es war. Es musste ziemlich spät sein, denn es brannten kaum Lichter und es wirkte gespenstig ruhig. Vi sah sich mit großen Augen um und ich konnte ihre Überraschung deutlich sehen. Ich hatte ihr viel von dem Dorf erzählt, sie aber nie mit hierhergenommen. Die Leute hier blieben lieber unter sich und haben sich auch mit mir nur widerwillig angefreundet. Will regte sich in unseren Armen.

Er hob leicht den Kopf, als wüsste er, dass wir es beinahe geschafft hatten. Seiner Kehle entkam ein leises Stöhnen und er begann sich gegen unseren Griff zu wehren.

Überrascht hielten wir ihn beide noch fester und setzten uns wieder in Bewegung. Ich deutete Violet die Richtung und hoffte, dass Stella wusste, wie man Will helfen konnte. Noch bevor wir an ihrer Tür klopfen konnten, wurde sie schon aufgerissen und eine schockierte Stella im Pyjama und mit zerzausten Haaren stand uns gegenüber.

„Was ist passiert?", fragte sie schrill und musterte uns schnell.

„Wir -" Will wehrte sich wieder gegen uns und dieses Mal rutschte er mir durch die blutigen Finger. Mit einem dumpfen Pochen schlug er am Boden auf und drehte sich auf den Rücken. Ich stürzte sofort auf ihn zu und hob seinen Oberkörper hoch. Er stieß mich jedoch von sich und griff nach Stella's Hand, die sich ebenfalls zu ihm hinab gebeugt hatte.

Als hätte ihn eine Kraftwelle getroffen, richtete sich sein plötzlich glasklarer Blick auf sie.

„Sie wissen es!", keuchte er ihr zu. Stella runzelte verwirrt die Stirn und drückte seine Hand. „Sie wissen es!"

„Ganz ruhig", wollte sie ihn beruhigen. Sie zog ihr Handy aus der Pyjamahose und tippte eine kurze Nachricht. Sofort richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Will und legte ihm die Hände auf die Schultern. „Keine Sorge. Alles wird gut."

Heart of FireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt