Kapitel 9

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„Mexiko, Mais und Opferrituale? Die Azteken?", fragte ich verwirrt und betrachtete Stella zweifelnd. Mit einem kleinen Lächeln sah sie mir entgegen.

„Genau. Dann weißt du sicher auch, dass die alten Azteken viele Gottheiten verehrten."

„Ja, genau wie die Griechen oder die Maya", sagte ich augenverdrehend. Wollte sie mir nicht eigentlich ein Märchen erzählen? Ich war nicht unbedingt der größte Fan von Geschichte.

„Die Azteken hatten für alles und jeden einen Gott oder eine Göttin. Egal, ob für Regen, die Erde, Krieg oder Fruchtbarkeit, überall gab es eine Gottheit, die angebetet werden und der man Opfer darbieten konnte."

„Götter sind cool, schon klar." Ob sie meinen schnippischen Tonfall bemerkte? So wie sich mich ansah, vermutlich schon. Trotzdem sprach sie in einem ruhigen Tonfall weiter. Ihre roten Haare fielen ihr ins Gesicht und sie schob sie mit einer schnellen Geste zurück.

„Besonders verehrt wurden die Götter der Sonne, des Regens und des Feuers. Ihnen wurden zahlreiche Opfer dargeboten, um sich ihre Gunst zu sichern. Vor allem dem Sonnengott wurden menschliche Herzen geopfert, um den täglichen Sonnenaufgang zu sichern." Bei dieser Vorstellung verzog ich angeekelt das Gesicht. „Der Regengott – Tlaloc – galt als grausamster unter allen Göttern. Ihm wurden schöne Sklavinnen und Kinder geopfert. Weinten diese bei der Opferung, wurde das als gutes Omen angesehen, da die Tränen den Regen symbolisierten. Ihm entgegen stand Chantico, die Göttin des Feuers und des Herdes. Von ihr stammen unsere Fähigkeiten."

Sie machte eine Pause und betrachtete mich genau. Wollte vermutlich alles sacken lassen.

„Unsere Fähigkeiten kommen von einer aztekischen Göttin?", fragte ich ungläubig zweifelnd und sah zu Will, der nur in einer Ich-hab's-dir-doch-gesagt-Geste die Schulter zuckte.

„Ja." Stella lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und überkreuzte ihre Beine in einer lässigen entspannten Pose.

„Will sagte doch, dass unsere Kräfte vererbt werden, oder nicht?" Sie nickte zur Bestätigung.

„Wie können meine Fähigkeiten dann von einer aztekischen Gottheit abstammen? Meine Vorfahren waren keine Azteken. Niemals. Oder sehe ich für dich mexikanisch aus?" Ich deutete zur Beweisführung auf meine hellblonden Haare und die blasse Haut. Stella lächelte und strich sich durch ihr rotes Haar, was ebenfalls nicht sehr mexikanisch aussah.

„Du musst wissen, die Azteken glaubten bei größeren Katastrophen immer an ein göttliches Zeichen. Erdbeben, Überflutungen, Blitzeinschläge – alles Strafen der Götter für das Fehlverhalten der Menschen. Zu einer Zeit, wo die Gnade und Unterstützung der Götter das Wichtigste war, machten sich viele Menschen selbst zu deren Sklaven." Kopfschüttelnd unterbrach sie sich kurz und sah mich eindringlich an.

„Einige jedoch", erzählte sie weiter. „wollten sich nicht von den Göttern beherrschen lassen, da sie diese für überheblich und gierig hielten. Sie wandten sich von ihnen ab und suchten nach Wegen, sich von deren Zorn zu befreien."

„Was haben sie getan?", wollte ich wissen.

„Sie führten unterschiedliche Rituale durch, um sich der Göttermacht zu entziehen."

Stella war aufgestanden und ging aufgeregt hin und her. Dabei sah sie mich immer wieder an und versicherte sich, dass ich auch alles verstand.

„Die Menschen suchten sich Rat bei mächtigen Mönchen und führten Blutopfer durch, um sich zu schützen und einen Weg zu finden, sich zu befreien. Da jedoch kein Ritual funktionierte und die Menschen von einer Krankheit heimgesucht wurden, die sie auf die Götter zurückführten, kamen sie schließlich auf die Idee, Feuer mit Feuer zu bekämpfen." Ich hielt die Luft an und schaute erwartungsvoll. Spannend war die Geschichte, das musste ich ihr lassen.

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