Kapitel 17

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Ich war so am Arsch. Einerseits wusste ich, dass Will Recht hatte. Mit den Otomi war nicht zu spaßen. Diese Kerle waren völlig irre und wenn ich eines mit Sicherheit wusste, dann: Leg dich nie, niemals, mit einem Irren an.

Andererseits wollte ich nicht einfach verschwinden. Wie stellte er sich das vor? Ich konnte doch nicht alles hinter mir lassen. Oder doch? Mein innerer Fluchtinstinkt schrie mir lauthals lauf-lauf-lauf entgegen und positionierte sich bereits in der Startposition. Einzig meine chronisch störrische Art hielt mich davon ab, dem Gefühl nachzugeben und den Kopf in den Sand zu stecken.

„Kalifornien ist unsere beste Möglichkeit", sagte Will zum gefühlten tausendsten Mal. „Die Otomi werden uns nicht bis dorthin folgen."

„Woher willst du das wissen?", warf Vi wütend ein. Sie hatte es aufgegeben, Will mit passiv-aggressiven Seitenhieben zu treffen. Nun verfolgte sie die Angriff-ist-die-beste-Verteidigung-Taktik. Ich verdrehte nur die Augen und starrte weiter auf die Tischplatte. Ich hatte es ebenfalls aufgegeben, mich selbst zu verteidigen. Es half ohnehin nichts. Sie ignorierten mich einfach.

„Die Otomi wissen nichts über unsere Gemeinde, deshalb können sie uns dort auch nicht aufspüren."

„Sie haben euch hier auch gefunden oder nicht?" Vi provozierte ihn.

Will schnaubte genervt. „Das liegt daran, dass Fin eine Feuerspur ausgelegt hat. Das wird nicht noch einmal passieren. Sie hat sich im Griff."

„Mehr oder weniger", murmelte Kyle und zuckte entschuldigend zusammen als er meinen Blick bemerkte. „Entschuldige."

„Schon gut", sagte ich achselzuckend und zupfte an der Strickjacke, die Stella mir herausgelegt hatte. „Hast ja recht."

Mein Blick wanderte zu Will, der immer noch völlig frustriert aussah. „Müssen wir das heute entscheiden? Nach dem gestrigen Abend kann ich nicht ..." Ich seufzte. „Ich will einfach nur nach Hause."

Mir war durchaus bewusst, dass ich weinerlich klang, aber ich war mit meinen Kräften am Ende. Will's Blick wurde sanfter und er nickte seufzend.

„Du kannst das nicht einfach ignorieren, Liebes."

„Das weiß ich. Ich will nur ... Ich will nach Hause."

Will seufzte tief, nickte aber schließlich zustimmend.

„Du lässt sie einfach gehen? Wieso schießt du ihr nicht einfach selbst den Kopf ab, dann erübrigt sich der Rest", sagte Kyle spöttisch und lehnte sich auf seinem Stuhl vor. Wir saßen alle in Stella's Küche und diskutierten das Thema seit Stunden und nicht nur meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Kyle und Will griffen sich bei jeder Gelegenheit an und ich hatte das Gefühl, dass zumindest Kyle den Schlagabtausch regelrecht genoss.

Will schoss aus seinem Stuhl hoch und machte Anstalten, sich auf Kyle zu werfen, doch Stella erhob sich im gleichen Moment und zwang Will mit einer Handbewegung zur Ruhe. Beeindruckend.

„Wir sollten uns alle etwas beruhigen", sagte sie beschwichtigend, während Will sich mit einem Murren wieder setzte. „Fin hat Recht. Die Sache muss nicht sofort entschieden werden. Geht nach Hause und wir sprechen morgen weiter."

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und sprang förmlich aus meinem Stuhl, Violet tat es mir gleich.

„Fin?" Stella hielt mich auf und sah mich mit ernstem Blick an. Ich schluckte nervös. „Die Jungs haben Recht. Mit den Otomi ist nicht zu spaßen."

Ich nickte und verließ mit Vi das Haus. Auf unserem Weg durch das Dorf kamen uns nur wenige Menschen entgegen. Irgendwie schienen sie immer zu verschwinden, wenn wir uns hier aufhielten. Lediglich die Kinder, die täglich mit Stella trainierten schwirrten immer um uns herum, aber das schien mehr an Will und Kyle als an mir zu liegen. Verübeln konnte ich es den Kids auch nicht. Wenn man einmal gesehen hatte, wie die beiden ihre Kräfte nutzten, kam die Faszination ganz von alleine.

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