„Verdammt, hör auf!", höre ich Alex plötzlich zurückbrüllen und ich stelle fest, dass ich weiter gegen den Spiegel geschlagen hatte. Sein Gesicht ist weiß vor Panik und ich sehe, wie hinter ihm die Lampe neben seinem Bett umgefallen ist.
„Was ist denn?", frage ich verwirrt, die Wut ist so schnell wieder verklungen, wie sie entstanden war. Stattdessen macht sie der vorherigen Trauer wieder Platz.
(ist sowas normal sind stimmungsschwankungen normal)
(und was habe ich getan habe ich etwas falsches gesagt habe ich ihn verletzt oder nerve ich ihn störe ich ihn habe ich etwas falsch gemacht was habe ich gemacht)
„Alles hier hat gewackelt! So wie vorhin, hast du mir da nicht zugehört?", fragt er panisch und ich erkenne die Angst in seinen Augen. Vage erinnere ich mich an das, was er mir gesagt hatte, bevor ich in einen Lauf verfallen und mich bei ihm geoutet habe.
Dann, plötzlich, eine Idee.
(absurd)
„Meinst du, die Spiegel sind sowas wie das Zentrum der jeweils anderen Dimension?"
Hunderte mögliche Szenarien schießen mir plötzlich durch den Kopf, eine wahnsinniger als die andere.
„Alex, hör mir zu! Sag nichts, hör mir einfach zu!" Ich muss es einfach versuchen.
(vielleicht)
(es könnte tatsächlich funktionieren)
„Mach den Spiegel kaputt. Vielleicht....vielleicht wird dann meine Dimension, meine Realität zerstört. Bitte Alex!" Angst vermischt sich mit Hoffnung auf Erlösung. Ich rede einfach weiter, bevor er etwas entgegen kann oder sein entsetztes Gesicht meine Meinung ändern kann.
(oder sieht er traurig aus)
„Bitte. Bitte tu es für mich. Ich halte das alles einfach nicht mehr aus! Meine Freunde haben mich ausgelacht, als ich es ihnen gesagt habe und angefangen habe, nur noch Jungenklamotten und kurze Haare zu tragen. In der Schule werde ich schon so lange gemobbt und die Lehrer interessiert es 'nen Dreck. Meine Mutter droht, mich rauszuschmeißen, wenn ich mich nicht bald endlich wieder "normal" verhalte. Als das ganze vor ein paar Jahren angefangen hat, dachte sie noch, dass es nur eine Phase ist, aber langsam ist ihre Geduld offensichtlich am Ende. Sie hält mich für verrückt, für gestört. Und ich will nicht wieder in die Klinik! Die versuchen mir alle einzureden ich sei "verwirrt" und "krank", aber was ist denn falsch daran sich einfach nur selbst ausdrücken zu wollen, um sich selbst lieben zu können? Bitte Alex, bitte erlöse mich aus dieser Hölle. Ich schaffe das einfach nicht mehr."
In einer anderen, normaleren Situation und bei einer anderen Person hätte ich mich wahrscheinlich wegen meiner Tränen und meines aufgequollenen Gesichts geschämt, doch jetzt ist es mir egal. Ich sehe einfach nur eine Möglichkeit, diesem Desaster, in das sich mein Leben in den letzten Jahren verwandelt hatte, zu entfliehen – vorausgesetzt das ist nicht doch alles nur ein verrückter Traum oder eine Halluzination, wofür die zwei leeren Rotweinflaschen hinter mir vermutlich eher sprechen würden.
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mirrors
Paranormal,,Du bist ich", sage ich in Richtung Spiegel und sehe ihn letztendlich richtig an. Seine Haare sind wie meine, sein Shirt, seine Jeans, sogar die unterschiedlichen Socken, weil ich heute Morgen verschlafen und panisch irgendetwas aus meinem Schrank...