Kapitel 1

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"You had better run from me
With everything you own
Cause I am gonna come for you
With all that I have"

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Evangeline Porter

New York, Hinterhof von Vitos Cafe

19. Dezember; 21:47

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Ein unterdrückter Schrei durchriss die Nacht. „Sie hat mir ins Bein gestochen. Dieses verdammte Miststück!" Ich ließ, ohne darüber nachzudenken das Messer fallen. Klirrend landete es auf dem nassen Asphalt. Die Blutstropfen von der Klinge vermischen sich mit der öligen Wasserlache, in der es nun lag. Ich sah wie sich in seiner silbernen Klinge das Licht der flimmernden Straßenlaterne spiegelte. In der Ferne heulte der Alarm eines Autos, oder war es eine Polizeisirene?

Der Gedanke daran, dass es die Polizei sein könnte, riss mich aus meinen Gedanken. Ich sollte wegrennen. Ich musste wegrennen. Doch meine Beine bewegten sich nicht. Wie in Zeitlupe sah ich, dass der Mann sich, während er sich das Bein hielt, auf mich zubewegte. Seine braunen Haare durch den Wind ganz zerzaust. Sein Gesicht wutverzerrt und seine Nase sah so aus, als wäre sie schon mehrmals gebrochen und nicht richtig verheilt. Auf seiner hellen Hose breitete sich langsam ein blutroter Fleck aus. Der Mann gab einen Schwall von italienischen Flüchen von sich, als er langsam auf mich zu humpelte.

Erst jetzt konnte ich mich aus meiner Starre lösen. Ich machte einen Schritt nach hinten, dann noch einen, dann einen weiteren, danach drehte ich mich um und rannte. Meine Füße knallten auf den nassen Asphalt. Ich wollte um Hilfe rufen, doch wusste, dass der Mann nicht allein hier war und, dass sich die restlichen Mafiosi im Café befanden. Nur ein Schrei also und es würde nicht nur ein Mafioso, sondern vermutlich fünf an meinen Fersen kleben.

Vielleicht würde ich es bis zur nächsten Straßenecke schaffen und vielleicht würde mich irgendjemand sehen. Die Gegend war zwar nicht so viel befahren und die Menschen waren hier schon an so ziemlich alles gewöhnt, es war schließlich New York. Aber es waren dort bestimmt mehr Menschen, als in einer dunklen Seitengasse. Als ich zurück auf meinen Verfolger blickte, sah ich gerade noch aus dem Augenwinkel, wie er eine Pistole aus dem Hosenbund zog.

Die Filme lügen. Es stimmt nicht, dass in der Sekunde vor deinem Tod dein ganzes Leben an dir vorbeizieht. Um ehrlich zu sein war das einzige, das an mir vorbei gezogen ist die Landschaft und mein einziger Gedanke galt dem letzten Actionfilm, den ich gesehen hatte, während ich überlegte, wie hoch wohl die Wahrscheinlichkeit war, dass ich es schaffen würde der Kugel auszuweichen. Vielleicht zog mein Leben aber auch nicht an mir vorbei, weil mich weder eine Kugel traf, noch eine an mir vorbeiflog und mein Leben dem entsprechend auch nicht frühzeitig beendet wurde.

Denn in dem Moment, als ich gerade dabei war zu überlegen, wie ich meinem Tod entgehen könnte und der Mann (dessen Namen ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannte) kurz davor war den Abzug zu betätigen, trat eine weitere Person auf die Bildfläche. Ein schwarzer Lamborghini kam mir genau aus der Richtung, in die ich fliehen wollte, entgegen.

Vielleicht hätte mein Verstand mir sagen sollen, dass es ziemlich unrealistisch ist, dass ein so teures Auto, mitten in der Nacht, genau in dem Moment, wo ich gerade von der Mafia verfolgt werde, in eine kleine dunkle Seitengasse mit kaputten Laternen einbiegt, nur um mich zu retten. Aber darüber dachte ich nicht nach, sondern blieb einfach stehen und wartete auf meine Rettung. Der Wagen hielt an, die Fahrertür öffnete sich und eine Stimme durchdrang die Stille.

„Nicht schießen!" Als ich diese Worte hörte, fühlte ich mich wie der glücklichste Mensch auf Erden. Zumindest für eine kurze Sekunde. Dann irritierte mich die Stimme, die zur der einer Person gehörte, von der ich mich sehr sicher war, dass sie mich nie retten würde, geschweige denn sich für mich gegen die Mafia stellen und so selbst in Gefahr bringen würde: Lucio Cattivo. Ich blieb stehen und blickte zurück. Dort stand er. Er hatte den rechten Arm wie in einer Stopp-Bewegung gehoben. Seine dunklen Augen waren auf den Mann mit der Knarre gerichtet, während er sich mit der linken Hand die etwas längeren schwarzen Haare aus dem Gesicht strich.

Niemand kann es mir verübeln zu sagen, dass Lucio Cattivo gut aussah. Teuflisch gut. Seine schwarze Jeans und seine Lederjacke, die sein Markenzeichen zu sein schien ließen ihn gefährlich aussehen. Was eigentlich dazu führen sollte, dass sich Mädchen von ihm fernhielten. Zumindest wäre das gesunder Menschenverstand, jedoch war eher das Gegenteil der Fall. Vermutlich hätte sein Bad-Boy Image auch mich fasziniert, wäre er nicht die einzige Person gewesen, die mich, in der kurzen Zeit, die wir uns kannten häufiger zur Weißglut gebracht hatte, als irgendjemand je zuvor und mich beinahe meinen Job gekostet hätte.

Leider hatte ich jedoch in dieser Situation, im Hinterhof von Vitos Café stehend, größere Probleme als Lucios Attraktivität oder den Fakt, dass er eine schreckliche Persönlichkeit hatte. Denn was mich noch mehr irritierte, als die Tatsache, dass Lucio hier war, waren seine folgenden Worte: „Wir brauchen sie lebend. Ihr Vater ist der Polizeichef. Ihr Tod würde dafür sorgen, dass er alle Mittel in Bewegung setzt um sie zu rächen. Man hat mich mit ihr gesehen. Wenn sie stirbt sorgt das für zu viel Aufmerksamkeit und damit bringen wir die Familie in Gefahr."

Für einen Moment stand ich einfach nur da und starrte ihn mit offenem Mund an. Vermutlich war es der Schock, aber ich hatte keine Ahnung wovon er redete und was seine Worte gerade bedeutet hatten. Doch während ich dabei war gerade nicht durchzudrehen und zu verarbeiten, was gerade passiert war, lehnte er nun gelassen an der Rückwand des Cafés.

Er wurde von zwei grimmig schauende Männer im Anzug flankiert, die zuvor auf dem Rücksitz des schwarzen Autos gesessen hatten, doch Lucio wirkte nicht beunruhigt. Im Gegenteil, er winkte den linken von beiden sogar noch näher zu sich und flüsterte ihm in schnellem Italienisch etwas zu. Dieser nickte daraufhin kurz, öffnete die Hintertür des Cafés und war dann verschwunden.

Es wirkte nicht so, als würde Lucio von diesen Männern gezwungen werden hier zu sein. Es wirkt noch nicht einmal so, als würde er für sie arbeiten. Es wirkte eher so, als arbeiteten sie für ihn. Lucio Cattivo hatte Kontakte mit der Mafia. Der Mafia, die gerade das Café der Familie meiner besten Freundin überfallen hatten. Die Familie meiner besten Freundin, die diesen Monat anscheinend nicht genug Geld gehabt hat um das Schutzgeld zu bezahlen.

Ich schaute mich um und suchte vergeblich nach einer Fluchtmöglichkeit. Schutzgeld... Seit wann ist mein Leben ein schlechter Actionstreifen?!? Und bitte sagt mir, dass ich nicht die blonde Frau bin, die ganz am Anfang laut schreiend stirbt. Dagegen würde sprechen, dass ich nicht blond bin, dafür aber, dass... Zwei Hände hielten mich von hinten fest und brachten meine Gedanken zum Stillstand. Ich versuchte um Hilfe zu schreien, doch schnell bedeckte eine Hand im Lederhandschuh meinen Mund. Und damit löste sich meine Hoffnung, hier jemals wieder rauszukommen, in Luft auf.

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Huhu :)

Das ist der erste Teil meiner Geschichte :) Ich hoffe es gefällt euch.

LG Wendy

Mafioso to goWo Geschichten leben. Entdecke jetzt