Kapitel 1

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Rose Weasley P. o. V.

Voller Stolz sah ich auf mein neues Vertrauensschülerabzeichen herunter. Ich konnte es noch immer nicht ganz glauben, aber seit meinem ersten Schuljahr war es mein Traum gewesen, von der Schulleitung zur Vertrauensschülerin ernannt zu werden. Nun war es Wirklichkeit geworden. "Wir sehen uns später!", sagte ich zu meinem kleinen Bruder Hugo und winkte zum Abschied. Er war zwei Jahre jünger als ich und in Ravenclaw. Er nickte und lächelte schüchtern. Mit seinen Büchern im Arm drehte er sich um und ging den Gang vom Hogwarts Express runter, wahrscheinlich auf der Suche nach unserem Cousin Louis, der ebenfalls ein Drittklässler aus Ravenclaw war, und nach Lily Luna, die dem selben Jahrgang und dem Haus Hufflepuff angehörte. Anders als die letzten Generationen unserer Familie waren wir Weasleys nicht ausnahmslos in Gryffindor wie ich, sondern auf alle Häuser verteilt. Seufzend nahm auch ich mein Gepäck und eilte dann mit zügigen Schritten in den vorderen Teil des Zuges zum Vertrauensschülerabteil. Nicht zum ersten Mal fragte ich mich gespannt, wer wohl die Vertrauensschüler aus den anderen Häusern waren. Ich hoffte zutiefst, dass mein bester Freund und Cousin Albus Severus es geschafft hatte, aber eigentlich war ich mir beinahe sicher. Albus war damals nach Slytherin eingeteilt worden, er war ein vorbildlicher Schüler und ein wunderbarer Mensch. Mit ihm konnte ich über alles reden. Vor dem Abteil traf ich auf eine meiner besten Freundinnen und Lieblingscousinen: Dominique Weasley. Sie war in Hufflepuff und in meinem Jahrgang. "Wie hat es Alice aufgenommen, dass du und nicht sie gewählt wurdest?", erkundigte ich mich lachend, nachdem ich Dominique umarmt hatte. Sie lächelte gequält und antwortete: "Sie wird es überleben, denke ich . . ." Alice Augusta Longbottom aus Hufflepuff gehörte ebenfalls zu meinen Freundinnen und sie wäre ebenfalls liebend gerne Vertrauensschülerin geworden. Ich selber hätte nicht gewusst, wen von den beiden ich mit der Aufgabe vertraut hätte, wenn ich an der Stelle von unserer Schulleiterin Professor McGonagall gewesen wäre . . . In Gryffindor hingegen hatte die ehemalige Verwandlungslehrerin bei der Wahl nicht viele Alternativen gehabt: Roxanne war viel zu sehr mit Quidditch beschäftigt, während Lucy nur Unsinn im Kopf hatte. Ich grinste in mich hinein. So gute Freundinnen wie Roxanne, Lucy, Dominique und Alice würde ich nirgendwo anders auf der Welt finden, davon war ich fest überzeugt. Auch wenn wir alle aus verschiedenen Häusern kamen, waren wir fünf unzertrennlich. Dominique und ich traten gemeinsam ein, aber zu meiner Enttäuschung war Albus noch nicht da. Die beiden überpünktlichen Ravenclaws kannte ich lediglich vom Sehen, von dem Mädchen aus Slytherin wusste ich nur, dass sie Leah Carter hieß und sehr gut Quidditch spielte und der andere Vertrauensschüler aus Hufflepuff war Robert Macmillan. Ich unterdrückte ein Stöhnen. Robert war ein netter Kerl, aber ziemlich besserwisserisch und etwas zu sehr von sich überzeugt. Klar, er war nicht dumm, aber seine ständigen, gut gemeinten Ratschläge gingen mir ziemlich auf die Nerven. Vielleicht konnte ich ihn aber auch nur nicht ausstehen, weil er mich im letzten Jahr fast vom Platz der Jahrgangsbesten verdrängt hätte. "Guten Tag, Dominique!", begrüßte er uns wichtigtuerisch und nickte mir knapp zu: "Rose. Wie schön, euch zu sehen. Wir haben euch bereits sehnlichst erwartet!" Seine Stimme klang etwas vorwurfsvoll und ich schnitt nur entschuldigend eine Grimasse. Dominique verkniff sich ein Kichern. Bevor ich mich mit Robert über meine Sommerferien unterhalten musste, wurde ich von Jack Finnigan erlöst, der glücklicherweise in diesem Moment das Abteil betrat. Er zwinkerte mir zu und ich lächelte zurück. Jack war echt in Ordnung, recht gut in der Schule und zu Recht bei allen Schülern beliebt. Ich freute mich aufrichtig, dass er mein Partner aus Gryffindor sein sollte. "Dann fehlt jetzt nur noch der Vertrauensschüler aus Slytherin", stellte ich fest und unterbrach so Roberts Redeschwall. Wo bei Merlins Bart blieb Albus denn nur? Er war sonst eigentlich immer zuverlässlich, sonst hätte McGonagall ihn wohl kaum zum Vertrauensschüler ernannt. Da öffnete sich die Tür erneut und Scorpius Hyperion Malfoy trat ein. Mit kühlem Blick schaute er uns alle nacheinander an, sodass mir ein Schauer über den Rücken lief. Ehrlich gesagt hielt ich von ihm nicht allzu viel. Von meinen Eltern hatte ich bereits vor meiner ersten Zugfahrt Geschichten über seine Familie gehört und ich muss sagen, dass er den unsympathischen ersten Eindruck im Laufe der Jahre nur bestätigt hatte. Okay, er verurteilte niemanden wegen seiner Abstammung und seine Noten waren ganz gut, aber er wirkte immer sehr überheblich und eingebildet. Malfoy sprach wenig, war aber trotzdem bei den meisten recht beliebt und immer von einer Schar Bewunderer und einem Haufen Verehrerinnen umringt. Das war ein weiterer Punkt, wieso ich ihn nicht leiden konnte: Er bildete sich extrem viel auf seine ganzen giggelnden Fangirls ein. Ich bekam echt das Kotzen, wenn ich sah, wie er dauernd ein anderes, hübsches Mädchen hatte, die jedoch allesamt dumm wie Toastbrot waren. Außerdem guckte er immer so kühl umher. Ich musste ihn gar nicht näher kennen, um zu wissen, dass ich ihn nicht mochte. "Suchst du irgendetwas?", fragte ich höflich nach. In seinen grauen Augen lag etwas Abschätziges, als er mich sah. Idiot. Wir beide wussten, dass unsere Eltern sich damals zu ihrer Zeit in Hogwarts nicht hatten ausstehen können. Sein Vater hatte meine Mum stets als "Schlammblut" beschimpft und über Dad hatte er sich lustig gemacht, weil seine Familie wenig Geld gehabt hatte. Tja, das war jetzt definitiv nicht mehr der Fall: Dad war vor einigen Jahren in das Geschäft von Onkel George miteingestiegen und verdiente in dem Laden "Weasleys Zauberhafte Zauberscherze" ein kleines Vermögen. Mum arbeitete im Ministerium und setzte sich für Gleichberechtigung ein. Malfoy antwortete jedoch genauso respektvoll wie ich zuvor: "Ja, das ist doch das Vertrauensschülerabteil, richtig? Ich wurde auch ernannt." Er grinste zurückhaltend und setzte sich. "Wie bitte?", platzte es aus mir heraus. Verwundert sah er mich an. Ach, erwartete der feine Herr etwa, dass ich bei dieser Neuigkeit Luftsprünge machte und ihn wie eines seiner Fangirls anbetete? Da hatte er sich aber gewaltig geschnitten! Mit verschränkten Armen funkelte ich ihn an. Wieso war nicht Albus zum Vertrauensschüler ernannt worden? Er wäre perfekt für diese Aufgabe! Im nächsten Augenblick überlegte ich, ob McGonagall etwas zu viel von ihrem heiß geliebten Goldlackwasser getrunken hatte. Oder sie war über die Ferien einfach nur dement geworden. Vielleicht gehörte sie aber auch nur zu seinem Fanclub und war seinem wahnsinnig tollem Charme verfallen. Ich jedenfalls war mit ihrer Wahl nicht einverstanden und ignorierte ihn das ganze Treffen über. Seine Partnerin Leah, Dominique und sogar das Mädchen mit der Brille aus Ravenclaw warfen ihm allerdings von Zeit zu Zeit immer wieder verstohlene Blicke zu. Ihm entging das nicht und ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Oh, Merlin. Ich konnte solche Typen einfach nicht ausstehen! Wir besprachen einige wichtige Sachen und fingen bereits mit der Planung für die Halloweenparty an. Das würde der Wahnsinn werden und zumindest munterte es mich etwas auf. Kurz nach der Mittagszeit ging ich zusammen mit Dominique zum Abteil unserer Freunde zurück. Während des gesamten Weges regte ich mich bei ihr darüber auf, dass Malfoy Vertrauensschüler geworden war und sorgte so unabsichtlich dafür, dass ein Lächeln auf ihren Lippen erschien. "Was?", fragte ich herausfordernd. "Warum grinst du so, Nikki?" Sie schaute mich scheu an und erwiderte dann zögernd: "Also, um ehrlich zu sein finde ich ihn gar nicht so schlimm. Weißt du, du und er, ihr erinnert mich ein bisschen an Elizabeth und Mr Darcy aus 'Stolz und Vorurteil' . . ." Gespannt und mit hochgezogenen Augenbrauen wartete sie meine Reaktion ab. Dominique war eine riesige Leseratte. Ernsthaft, ich habe noch nie jemanden getroffen, der so viel Zeit mit Literatur verbrachte wie sie! Wir beide konnten Stunden in der Bibliothek verbringen, lesen und über Bücher diskutieren. Sie war sehr hilfsbereit, lustig und auch ziemlich schüchtern. Ihr blondes Haar ging ihr bis zu den Schultern, sie hatte graue Augen und ihr Gesicht war sehr zierlich. Im Gegensatz zu ihrer älteren Schwester Victoire schminkte sie sich nicht und hatte deutlich weniger Selbstbewusstsein. Trotzdem fand ich Dominique wunderschön. Sie schrieb auch selber, war aber recht bescheiden und zeigte selten einen ihrer Texte. Jane Austen gehörte zu ihren absoluten Vorbildern und auch ich vergötterte ihre Werke, aber dieser Vergleich war einfach nur unpassend. "Ich bitte dich!", sagte ich deshalb schlicht und zu meinem Ärger grinste meine Freundin weiter in sich hinein. Den Rest der Zugfahrt nach Hogwarts verbrachten wir mit Roxanne, Lucy und Alice. "Na endlich, ich sterbe gleich vor Hunger . . .", stöhne ich dankbar, als die junge Dame mit dem Süßigkeitenwagen vorbeikam. Gierig biss ich in meine Kanariencremeschnitten, eine Erfindung von Onkel George und meinem verstorbenen Onkel Fred, die jetzt hier teuer verkauft wurde. Wo blieb denn da bitte der Familienrabbat? Als Alice sich über ihren großen Bruder Frank beschwerte, senkte Dominique schnell den Kopf und schien sich plötzlich brennend für das Cover ihres Buches zu interessieren. Stirnrunzelnd sah ich aus dem Fenster. "Wer ist eigentlich zum neuen Quidditchkapitän von Gryffindor ernannt worden?", fragte Alice dann neugierig. Auch ich setzte mich gerade hin und bemühte mich, wieder dem Gespräch zu folgen. Ich hatte nicht alle meine Cousins und Cousinen in den Ferien gesehen und war deshalb nicht auf dem neusten Stand. Roxanne gluckste: "Victoire hat es geschafft, sehr zum Ärger von James und Fred!" Wir kicherten und Roxanne fuhr mit ihrem Bericht fort. Sie war wirklich unwahrscheinlich begeistert von dieser Sportart, spielte absolut großartig und konnte bei ihren Erzählungen sehr ausschweifen. Fred Weasley und James Sirius Potter, die jetzt beide in ihrem siebten und letzten Hogwartsjahr und in Gryffindor waren, hatten sich schon darum gestritten, wer von ihnen wohl das Abzeichen bekommen würde. Keiner von meinen Cousins hatte damit gerechnet, dass McGonagalls Wahl auf ihre Cousine Victoire, ebenfalls eine Siebtklässlerin, fallen würde. "Pech gehabt!", kommentierte Lucy ausgelassen und schob sich verschmitzt eine weitere Bertie Botts Bohne in den Mund. Ich musterte meine Cousine aus dem Augenwinkel. Es war sehr leicht, Lucy mit einem einzigen Wort zu beschreiben: Sie war schlichtweg cool. Ihre ältere Schwester Molly war das komplette Gegenteil zu ihr: ruhig, brav und klug. Eine typische, freundliche Ravenlcaw aus der 7. Klasse. Lucy hingegen war in Gryffindor, hielt nicht viel von Regeln, hatte langes honigblondes gewelltes Haar, grüne funkelnde Augen und stets einen frechen Spruch auf den Lippen. Onkel Percy, der Vater von Lucy und Molly, war - wenn man den Geschichten unserer anderen Verwandten Glauben schenken durfte - früher noch besserwisserischer und motivierter als heute gewesen. Nun, seine Klugheit und seinen Ehrgeiz hatte er offenbar an Molly weitergegeben, während Lucy das gesamte Selbstbewusstsein abgekriegt hatte . . . Alice war wiederum ganz anders. Als eine Hufflepuff verhielt sie sich genau wie Dominique ebenfalls freundlich, hilfsbereit und lernte fleißig für die Schule. Aber während Dominique ihre freie Zeit am liebsten nachdenklich vor einem Buch verbrachte, engagierte sich Alice für den Schutz von Einhörnern, lernte und war am liebsten mit Freunden zusammen. Ich mochte alle meine Freundinnen sehr gerne, sie bedeuteten mir so unglaublich viel. Seufzend lehnte ich meinen Kopf gegen das Fenster und sah nach draußen zu den Weiden und Wäldern, an denen wir vorbeirasten. Ich freute mich sehr auf Hogwarts und wollte endlich ankommen. Zu Hause.

Smells Like Teen SpiritWo Geschichten leben. Entdecke jetzt