Kapitel 9

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Alice Augusta Longbottom P. o. V.

Schwer atmend blieb ich auf der Wiese liegen, mit dem Kopf auf Lucys Brust. "Musst du mich immer so abkitzeln?", beschwerte ich mich lächelnd. Sie verzog den Mund zu einem entschuldigendem Grinsend: "Es ist schön, dir zu zusehen wenn du lachst" Ein intensiver Blick lag in ihren sowieso schon ausdrucksstarken grünen Augen. Ich schmunzelte und setzte mich auf. "Warte, du hast da einen Käfer im Haar!", meinte Lucy und beugte sich zu mir vor, die Zunge zwischen den Zähnen. Ich hielt ganz still und biss mir auf die Lippe, während sie die Strähne mit dem Insekt suchte. Im Nacken spürte ich ihren warmen Atem und ihre weiche Hand lag behutsam auf meiner Schulter. Schließlich schnippte sie den Käfer weg und lehnte sich zurück. Wie so oft verbrachten Lucy Weasley und ich den Nachmittag am Ufer des Schwarzen Sees. Es war einfach wunderschön hier. Mit ihr. Ich meine, eigentlich war ja ihre Cousine Dominique seit der ersten Klasse meine beste Freundin und ich schätzte sie wirklich sehr. Aber mit Dominique saß ich immer nur drinnen und zeichnete, außerdem war sie ganz anders als Lucy. Lucy brachte mich zum Lachen und ich bewunderte sie, weil sie immer so wild und frei wirkte. Sie ließ sich von niemandem etwas vorschreiben und hatte ein ziemlich starkes Selbstbewusstsein. Wenn ich Zeit mit Dominique verbrachte, war es harmonisch und friedlich, mit Lucy war es eher, als würde ich mit einem Wirbelsturm zusammen sein. Ich fühlte mich einfach lebendig und unbesiegbar mit ihr, es war so aufregend und aufwühlend zugleich. Man wusste nie, was Lucy als nächstes vor hatte. Jetzt sprang sie auf und fing mit geschlossesen Augen an zu singen. Oh Merlin, Lucy hatte wahrhaftig eine tolle Stimme! Sie klang kräftig, rau und verletztlich zugleich, ich konnte gar nicht genug davon bekommen. Ihre Arme bewegte sie im Takt dazu, die Bewegungen sahen so natürlich und plötzlich aus, dass mir vor Stolz ganz warm wurde. Ich wiegte mich zu ihrer Stimme vor und zurück, während Lucy einen exotischen, inspirierenden und trotz allem ernsten Tanz auf dem Gras aufführte. Sie sang "Piece of my Heart" von Janis Joplin. Ich kannte alle von Lucys Lieblingsmusikern: Janis Joplin, Melissa Etheridge, Nirvana, aber auch moderne Bands wie die Foo Fighters oder Joss Stone."I want you to come on, come on, come on, come on and take it!", sie klang so aufrichtig und ehrlich, dass es mir fast den Atem nahm. "Take it!", sie öffnete plötzlich ihre grünen Augen und zwinkerte mir zu. Ein paar Leute hatten sich zu uns gesetzt und klatschten im Takt. Es war eine wunderbare Atmosphäre, jemand gab eine Flasche mit Butterbier rum, von der ich einen großzügigen Schluck nahm und meinen Blick auf Lucy ruhen ließ. "Take another little piece of my heart now, baby! Oh, oh, break it", sang sie laut und öffnete unbeschwert die Arme. Ihr Lächeln überstrahlte sogar die Sonne und die Umstehenden applaudierten.


"You're out on the streets looking good,
And baby deep down in your heart I guess you know that it ain't right,
Never, never, never, never, never, never hear me when I cry at night,
Babe, I cry all the time!"

Spontan griff sie meine Hand und zog mich hoch. Jauchzend wirbelte sie mich im Kreis herum und wiederholte den Refrain. Ich lachte übermütig und warf mein braunes, gewelltes Haar zurück. Es war ein perfekter Moment, in dem ich einfach glücklich sein konnte. Lucy verbeugte sich und ich rief laut: "Zugabe!" Geschmeichelt grinste sie. Sie bekam ein Butterbier angeboten und begann ein lockeres Gespräch mit einem der Umstehenden. In diesem Moment tippte mir jemand auf die Schulter, Widerwillig drehte ich mich um. Es war James Sirius Potter, der Cousin von Lucy, Dominique, Rose und Roxanne und ein guter Kumpel meines Bruders Frank. Mit einem freundlichen Lächeln begrüßte ich ihn: "Oh, hey James! Wie geht's?" Ich nahm einen weiteren Schluck aus meiner Flasche und er schmunzelte. "Ganz gut, danke der Nachfrage. Noch besser würde es mir allerdings gehen, wenn du mich zur Halloweenparty begleitest." Überrascht prustete ich das ganze Butterbier auf den Rasen und wischte mir anschließend peinlich berührt über den Mund. "Sorry", entschuldigte ich mich schnell. Er winkte ab. "Du . . . du willst mit mir zur Party gehen?", hakte ich nach und versuchte nicht wie ein ungläubiges Schaf zu klingen. James sah verdammt gut aus, war ein beliebter Siebtklässler und hatte einen ganzen Haufen von Verehrerinnen. Ich dagen war nur eine Fünftklässlerin aus Hufflepuff. Er nickte breit grinsend. Verlegen lachte ich kurz auf, dann antwortete ich stockend: "Ja . . . also . . . echt gerne!" Aufgeregt lächelte ich ihn an und er fuhr sich kurz mit der Zunge über die Lippen. Gott, er sah echt gut aus! Ich war zwar nicht in ihn verliebt und hatte noch nie groß einen Gedanken an ihn verschwendet, aber er war doch so beliebt und begehrt, da kam es mir gar nicht in den Sinn, 'nein' zu sagen. "Cool, ich freue mich! Wir treffen uns in der Eingangshalle", sagte er lässig und entfernte sich mit einem verführerischen Zwinkern von mir. Nervös grinste ich in mich hinein. Ich hatte tatsächlich ein Date für die Halloweenparty! Lucy, die uns mit düsterem Blick beobachtet hatte, wollte mit einem leicht aggressiven Unterton wissen: "Was war das denn gerade?" Ich erzählte voller Freude: "Kannst du es glauben, dass James mit mir zur Party gehen will? Ich meine, er könnte jedes Mädchen haben! Und da wählt er gerade mich aus!" Lucy schnaubte abfällig: "Wahrscheinlich hat er sich schon durch den gesamten 7. und 6. Jahrgang gevögelt, sodass er jetzt schon auf uns Fünftklässler zurückgreift . . ." Tränen schossen mir in die Augen: "Wieso sagst du denn so etwas Gemeines?" Sofort trat ein sanfter und warmer Ausdruck in ihr Gesicht. "Sorry", meinte sie vage, "Ich mache mir doch nur Sorgen um dich. Weißt du, James kann manchmal echt fies zu Mädchen sein, ich kenne meinen Cousin doch. Ich . . . ich möchte doch nur nicht, dass er dich verletzt!" Ich winkte ab. "Mach dir da mal keine Sorgen! Ich kann schon gut auf mich selber aufpassen. Und außerdem will ich ihn ja nicht gleich heiraten, sondern nur einen schönen Abend haben", beruhigte ich meine Freundin. Lucy sah erst so aus, als wollte sie noch etwas sagen, biss sich dann jedoch nur auf die Lippe. Ich tätschelte ihr den Arm und holte mir kopfschüttelnd ein neues Butterbier. Es war ja echt süß, dass sie sich um mich sorgte, aber ich würde mir schon nicht das Herz von ihm brechen lassen! Als ob sie mehr Erfahrungen mit Jungs hätte als ich, Lucy hatte doch auch noch nie einen Freund gehabt. Einen Augenblick später begegnete ich in der Menschenansammlung, die sich nach Lucys kleinem Konzert um uns gebildet hatte, meinem großen Bruder. "Alice", begann Frank mit unterdrückter Wut, "Stimmt es, dass du mit James zur Halloweenparty gehst?" Verwirrt nickte ich. Was hatten denn alle gerade nur für ein Problem damit, dass ich endlich mal ein Date hatte? Frank zog mich von den anderen weg und fragte mit zusammen gezogenen Augenbrauen: "Sag mal, spinnst du völlig? Warum denn ausgerechnet mit James Sirius Potter?" Ich schnappte ertaunt nach Luft. "Hast du sie nicht mehr alle?", blaffte ich ihn an, "Er ist dein bester Freund! Was hast du denn dagegen, dass ich mich mit einem Jungen treffe? Machst du jetzt etwa einen auf großen Beschützer? Das kannst du dir sparen, weil ich nämlich selber ganz gut auf mein Herz aufpassen kann." Frank raufte sich verzweifelt das Haar: "Ach ja? Glaubst du das wirklich, Allie? Verdammt, ich habe überhaupt kein Problem damit, dass du dich verliebst. Aber wieso dann unbedingt in James, er ist der größte Herzensbrecher, den ich kenne! Sei bitte nicht so naiv und glaube, dass er es ernst mit dir meint!" Ich musste mich zusammenreißen, ihm nicht eine zu scheuern. "Du kannst mich mal!", presste ich nur hervor und machte auf dem Absatz kehrt.

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