Kapitel 26

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Rose Weasley P. o. V.

Seit der Unterricht in den neuen Kursen stattfand und Albus so Elinor kennengelernt hatte, hockten die beiden ständig aufeinander. Ich konnte mich kaum erinnern, wann ich das letzte Mal eine Minute mit meinem besten Freund verbracht habe, ohne dass diese Elinor dabei gewesen war.

Ich sag ja gar nicht, dass ich sie nicht mochte.

Sie war ziemlich intelligent, ohne Frage, und wäre mir sicherlich eine angenehme Zeitgenossin gewesen - wenn ich nicht das Gefühl gehabt hätte, dass sie mir Albus wegnahm.

Jede Pause saßen sie auf dieser einen Bank in der Großen Halle und amüsierten sich über die vorbeilaufenden Schüler. Im Grunde waren ihre trockenen, sarkastischen Kommentare schlichtweg wahr. Wie gesagt, keiner der beiden war dumm. Trotzdem wurden mir die ganzen Sticheleien irgendwann zu blöd, sodass ich mich von ihnen entfernte und mich alleine nach draußen stellte.

Toll.

Elinor hatte mich tatsächlich von Albus vertrieben. Ich fand irgendwie nicht, dass sie ihm besonders gut tat. Aber meine Meinung interessierte hier ja niemanden.

Missmutig ließ ich meinen Blick über den äußeren Schulhof von Hogwarts schweifen. Es war wie leer gefegt. Im Sommer tummelten sich die Mädchen und Jungen unterschiedlichster Häuser auf den Bänken und fanden auf der Steinmauer eine Sitzgelegenheit. Die grüne Wiese grenzte am Ufer des Schwarzen Sees, doch auch da hielt sich um diese Jahreszeit niemand auf.

In Gedanken versunken biss ich in das Brötchen, das ich unter den strengen Argusaugen von der alten McGonagall beim Frühstück hatte mitgehen lassen. Gleich hatten wir ein Treffen mit dem Vertrauensschülerrat, wo ich nicht mit leerem Magen erscheinen wollte.

Eigentlich wollte ich da überhaupt nicht erscheinen.

Meine Vermutung, dass ich seit Halloween nicht mehr Rose Weasley, die sich überall engagierte und involvierte, war, sondern eher Rose Weasley, die von einigen Slytherins begrabscht und sexuell belästigt wurde, hatte sich in den letzten Tagen und Wochen bestätigt.

Ich hatte keine Lust, auch von den anderen Vertrauensschülern mitleidige Blicke zu ernten. Das half mir keinesfalls beim Vergessen.

Im Gegenteil, ich musste ständig daran denken, war viel schreckhafter als vorher. Ich war nicht mehr ich selbst. Aber was hatte ich denn bitte erwartet? Natürlich hatte diese Erfahrung ihre Spuren auf mir hinterlassen.

Keine äußerlichen, nein.

Aber nur, weil die Narben und Blutergüsse geheilt worden waren, hieß das noch lange nicht, dass mein Herz nicht mehr blutete.

Nur weil mein Haar wieder nachgewachsen war, würde ich nicht automatisch die dreckigen Hände auf meinem Körper vergessen.

Nur weil ich aus dem Krankenflügel entlassen worden war, bedeutete das keinesfalls, dass meine Panikattacken verschwinden würden.

Die Veränderungen war so weitreichend, dass ich sie selbst nicht vollständig begreifen konnte. In mir wuchs das Gefühl, dass jeder irgendetwas von mir erwartete. Ein bestimmtes Verhalten, ein gewisses Auftreten. Und ich war nicht sicher, ob ich dem gewappnet war.

Plötzlich kamen mir die Tränen. Früher habe ich kaum geweint, ich bin ein starkes Mädchen gewesen, hatte nie aufgegeben. Tränen waren nur bei traurig-schönen Büchern geflossen, nie weil ich aufgehört hatte, an mich selber zu glauben.

Und jetzt weinte ich. Ich stand auf dem Schulhof und hatte keinerlei Kontrolle über meine Emotionen. Meine besten Freundinnen wollten mir helfen, suchten dauernd das Gespräch, doch ich ließ sie nicht an mich heran. Mein bester Freund saß wenige Meter weiter mit einem anderen Mädchen und amüsierte sich.

Smells Like Teen SpiritWo Geschichten leben. Entdecke jetzt