Kapitel 23

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Lily Luna Potter P. o. V.

Mein Magen knurrte laut, als ich mich am Tisch der Hufflepuffs niederließ, doch es ging im morgendlichen Klappern des Bestecks und der Teller unter.

Wie eigentlich alles, was ich tat. Wer bemerkte mich denn schon?

"Guten Morgen, Lily!", begrüßte mich Christina schmatzend. Angewidert heftete ich meinen Blick auf das Fett, das aus ihrem Mundwinkel tropfte. Christina war ein offenes, freundliches Mädchen, dass keine Scheu davor hatte, mit anzupacken - leider war sie auch stark übergewichtig. Ihr dickes, plumpes Gesicht zierte immer ein fröhliches Lächeln.

Iss du nur, du siehst ja jetzt schon aus wie ein Schwein, ich gönn's dir richtig!

Eine Sekunde später bereute ich meine schrecklichen Gedanken schon wieder. Mich plagte das schlechte Gewissen, doch trotzdem ich lehnte weiter konsequent das ganze Essen ab, das Christina mir hilfsbereit anbot. Lieber sah ich weiter zu, wie sie sich nun schon mit beiden Händen das Rührei in den gierigen Mund schaufelte.

Merlin, das war so widerlich! Ich würgte leise und wandte mich zur anderen Seite, wo die schlanke Emily saß und geziert ihre dünnen Finger nach den Schokocroissants ausstreckte. "Nach so langer Zeit der Diät kann ich mir ja auch mal wieder etwas gönnen!", fand sie und biss genüsslich ab, sodass die Schokocreme nur so spritzte.

Iss du nur, das ganze Fasten bringt dir auch nichts, du dünne Gazelle! Du wirst bald aufgehen wie ein Watteschwämmchen und aussehen wie die dicke Christina, wenn du so weitermachst!

Ich ekelte mich ja vor mir selbst. Wirklich. Aber ich blieb stark und aß nichts, die Hand weiter auf den leeren Magen gepresst. Nein. Nein, ich würde nicht nachgeben. Dieses eine Mal nicht.

Standhaft hockte ich das ganze Frühstück über auf meinem Platz, mit geschlossenem Mund.

Als wir schließlich die Große Halle verließen, fühlte ich mich wie ein Sieger, ein wahrer Gewinner, zwischen all meinen vollgestopften Freundinnen.

Doch das glückliche Lächeln wurde rasch durch meine übliche Trauermiene ersetzt, als mir auffiel, wie fröhlich und gut gelaunt all meine Klassenkameradinnen waren. Sie schnatterten und lachten und giggelten und kicherten.

Und ich?

Ich freute mich, weil ich nichts gegessen hatte. Weil sie im Gegensatz zu mir dick werden würden.

Was war ich nur für ein Mensch? Keine gute, aufrichtige Hufflepuff, das stand jedenfalls fest.

Erfüllt von Neid musterte ich sie allesamt: Dick und dünn, mit stämmigen und schlanken Beinen, ausgestrecktem und eingezogenem Bauch - allerdings waren sie zufrieden. Pappsatt. Wann war ich das letzte Mal pappsatt gewesen? Ohne auf die Toilette rennen zu müssen? Ich konnte mich nicht erinnern.

Wieso konnte ich nicht so sein wie sie? Einfach essen, ohne mir Sorgen um mein Gewicht machen zu müssen? Momentan brachte ich 42,3 Kilo auf die Waage, und das bei meinen 1,55 Meter.

40 Kilo. Das war mein Traumgewicht. Mein Ziel, auf das ich hinarbeitete. Und dafür musste ich standhaft bleiben! Mit Fressattacken würde ich es nicht schaffen. Hunger. Hunger, das war der einzige Weg!

"Untergewichtig", hatte Madam Pomfrey oft zu mir gesagt und mich mit einem kritischen Blick gemustert. Seitdem mied ich den Krankenflügel. Es ging sie nichts an, ich wollte ihre Hilfe nicht.

Aber wessen Hilfe wollte ich dann? Ein Seufzen verließ meine Lippen und ich sandte einen sehnsüchtigen Blick über die Schulter aus, in der verzweifelten Hoffnung, Albus zu entdecken.

Smells Like Teen SpiritWo Geschichten leben. Entdecke jetzt