Kapitel 28

1.4K 95 47
                                    


Fred Weasley jr. P. o. V.

Mit einer Laune, wie sie mieser kaum sein könnte, betrat ich den Klassenraum für Verteidigung gegen die dunklen Künste - und wäre am liebsten gleich wieder rausgerannt, als ich Lysander erblickte.

Undurchschaubar starrte er, ganz lässig an die Heizung gelehnt, aus dem Fenster. Seine langen, geschmeidigern Finger spielte mit einer Zigarrette.

In mir stieg ein Brechreiz auf. Ich konnte ihn micht einmal ansehen, ohne dass der Hass in mir aufstieg! Der Gedanke, von nun an regelmäßig mit dem Slytherin alleine zu sein, besserte meine Laune nicht wirklich.

Schon wenn ich Lysander von weitem sah, bekam ich Mordgelüste.

Und gleichzeitig - nun, gleichzeitig flatterte mein Herz nervös. Bei diesem Idioten? Jep. Bei genau diesem Idioten!

Trotzdem versuchte ich, meiner böse Miene zu bewahren. Er war und blieb ein herzloser Arsch, da änderte auch seine unbestreitbare Anziehungskraft auf mich nichts. Ich räusperte mich und ließ provokant mit einem lauten Knall die Tasche wegfallen.

Er zuckte nicht zusammen, doch seine Hand wanderte sofort zu seiner rechten Hosentasche, aus der sein Zauberstab herausragte. Gute Reflexe hatte er jedenfalls.

Als Lysander mich erblickte, packte er hastig die Zigarette weg und stieß sich schwungvoll von der Heizung ab. "Hey", sagte er mit rauer Stimme und probierte ein Lächeln. Es gelang ihm nicht, stattdessen wurde daraus eine gehässig-sarkastische Fratze.

Ich wartete einen Moment, ob vielleicht noch ein homophober Kommentar kommen würde, doch nichts dergleichen geschah. Mit starrer Miene packte ich meine Sachen aus und ließ mich auf den Stuhl am Lehrerpult fallen. Wenigstens das wollte ich mir nicht nehmen lassen, dieses überlegene Gefühl der Macht.

Seit Professor Blackbird mir angekündigt hatte, dass ich demnächst noch extra Stunden mit Lysander verbringen durfte, um dem Arschloch dabei zu helfen, nicht durchzufallen, war mir merkwürdigerweise dauernd ohne erkennbaren Grund schlecht gewesen.

Auch jetzt spielte mein Magen verrückt, sodass ich unwillkürlich meine Hände auf den Bauch presste. Es war kein Gefühl der Übelkeit, das auf eine Grippe oder Ähnliches hinwies. Eher so ein Kribbeln, ausgelöst von freudiger Aufregung auf ein bevorstehendes Ereignis.

Verdammt. Ich wollte so nicht fühlen. Ich durfte so nicht fühlen.

Es machte auch keinen Sinn so zu fühlen.

Lysander war nicht schwul. Vermutete ich. Und noch viel wichtiger: Er war ein Arschloch. Noch besser: Er definierte den Begriff Arschloch noch einmal komplett neu, stellte alle anderen Arschlöcher in den Schatten. Lysander Scamander, das arschlöchigste Arschloch aller Arschlöcher.

Man freute sich nicht darauf, Arschlöcher zu sehen. Man fühlte nichts für Arschlöcher.

Die Worte wiederholte ich immer wieder wie ein Mantra in meinem Kopf, um dem Bauchkribbeln entgegen zu wirkem.

Es half sogar etwas.

Zumindest konnte ich Lysander in die Augen sehen, als ich ihm mit der Hand bedeutete, sich zu setzen.

"Der Patronus", sagte ich und legte eine besonders tiefe Bedeutung in meine Worte, "nimmt die Gestalt des Tieres an, dem du am meisten ähnelst. Oft ist es ein Tier, das eine Eigenschaft verkörpert, die tief in dir drin steckt und die erst in Gefahren- oder Krisensituationen zum Vorschein kommt. Nur sehr erfahrene Zauberer schaffen es, dass ihr Patronus die Gestalt ihres Lieblingstieres annimt."

Ich wartete provokant ab, bis Lysander schließlich zur Feder griff und anfing, sich halbherzig Notitzen zu machen. Ein zufriedenes Lächeln schlich sich auf meine Lippen und ich stand da mit verschränkten Armen ab, bis er zu Ende geschrieben hatte.

Es tat gut, etwas Kontrolle über ihn zu haben.

Vielleicht waren diese Stunden doch gar nicht so verkehrt . . .

"Nur ein gestaltlicher Patronus vermag es, einen Dementor oder ähnliche Kreaturen zu verjagen. Aufgrund von starken, emotional beeinträchtlichen Ereignissen wie Schicksalsschlägen kann sich die Gestalt eines Patronus auch verändern", fuhr ich fort.

Ich musste zugeben, ich fand langsam Gefallen daran, Lysander während er schrieb so lange und undurchdringend anzustarren, wie ich wollte.

Jetzt hob er jedoch den Kopf. Ein neugieriger Ausdruck lag in seinen Augen, als er fragte: "Was für eine Gestalt hat dein Patronus?"

Augenblicklich versteinerte sich mein Gesicht und ich musste mich abwenden, damit er nicht sehen konnte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. "Das geht dich nichts an", erwiderte ich so kalt wie ich konnte. Lysander zuckte nur betont gleichgültig mit den Schultern und spielte weiter mit der Feder.

Auch wenn ich mich bemühte, so wie vorher mit dem Unterricht weiterzumachen, war ich nun viel unsicherer. Mich beschlich das Gefühl, mich verteidigen zu müssen.

"Es kommt nicht auf die Größe an", meinte ich deshalb patzig. Noch im selben Moment schoss mir erneut die Röte ins Gesicht, als mir die Zweideutigkeit meiner Aussage bewusst wurde.

Auch Lysander fing sofort an zu feixen und musste ein Lachen unterdrücken. "Wenn du das sagst, Weasley", gab er selbstgefällig grinsend zurück. "Du musst es ja wissen."

Voller Wut funkelte ich ihn an, traute mich jedoch nicht, irgendetwas zu sagen.

"Wie schaffst du das eigentlich, mit James und Frank in einem Schlafsaal untergebracht zu sein, ohne dauerhaft einen Ständer zu haben? Muss bestimmt schwer sein für jemanden wie dich", fügte er abwertend hinzu. Er konnte es einfach nicht lassen.

"Weißt du eigentlich, dass Homophobie auch nur ein Zeichen von unterdrückter Homosexualität ist?", antwortete ich betont ruhig, doch in mir drinnen kochten die Emotionen hoch.

Das brachte ihn endlich zum Schweigen. Verächtlich schnaubend wandte er den Blick ab, doch er wurde rot dabei. Und mein Herz? Das flatterte wie verrückt in meiner Brust.

"Was ich sagen wollte", griff ich den Faden wieder auf, "war, dass auch ein scheinbar harmloses und ungefährliches Tier in Gestalt eines Patronus genauso wirksam und beschützend wie der von einem Raubtier sein kann. Es kommt auf die Kraft an, mit der der Patronus gezeugt wird. Was mich zum nächsten Punkt bringt . . ."

Ich hielt kurz inne und dachte daran, wie Lysander bei Professor Blackbirds Frage, was für eine glückliche Erinnerung er wählen würde, keine Antwort gewusst hatte.

Das Herz wurde mir schwer bei dem Gedamken daran, dass Lysander keinerlei glücklichen Erinnerungen besaß. Wenn ich genau überlegte, so war es eigentlich kein Wunder, dass er so kalt und gemein war.

"Du brauchst eine glückliche Erinnerung. Sie muss kraftvoll sein, du musst beim Gedanken daran lächeln. Nur so kannst du dem Bösen entgegen wirken. Nur so besteht die Chance, die schlechten Tage zu überleben", erklärte ich bedacht langsam und schaute ihm direkt in die Augen.

Lysander sagte nichts, er schluckte nur schwer und nickte. Zu meiner großen Verwunderung stellte ich fest, dass der Lysander, mit dem ich hier sprach, ein ganz anderer war, als der der mir sonst auf dem Flur über den Weg lief.

Ehe ich an Herzversagen und Bauchkribbeln starb, packte ich rasch meine Sachen zusammen und verabschiedete Lysander für diese Stunde. Es machte keinen Sinn, mit dem Üben anzufangen, wenn er keine glückliche Erinnerung hatte. Was ich deshalb tun konnte, wusste ich selbst nicht.

"Bis nächste Woche", sagte er zaghaft, als er an mir vorbei lief.

Überrascht hob ich den Kopf. "Ja. Bis nächste Woche", erwiderte ich mit schwankender Stimme.

Es fühlte sich merkwürdig gut an, diese Worte zu Lysander Scamander zu sagen.


Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 22, 2017 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Smells Like Teen SpiritWo Geschichten leben. Entdecke jetzt