Kapitel 18

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Fred Weasley P. o. V.

Schnell half ich dem stöhnendem James hoch und bedachte ihm mit einer Mischung aus Belustigung und Skepsis. "Diese kleine Schlampe", knurrte er und hielt sich die blutende Nase, während er Lucy und Frank nach sah. "Wieso?", fragte ich ungerührt. "Sie hat ihre beste Freundin verteidigt, das ist alles!" Ehrlich gesagt fand ich sein Verhalten unmöglich, inakzeptabel, stümperhaft, ungehobelt und um es kurz zu sagen einfach nur scheiße. Vielleicht war ich auch nicht immer ein Gentleman, aber so musste man wirklich nicht mit Mädchen umgehen, schon gar nicht wenn das Mädchen Alice Longbottom hieß und total lieb und süß war. Ich würde so etwas nie tun, das widersprach all meinen Grundsätzen. Naja, es lag vielleicht auch daran, dass ich nicht auf Mädchen stand und daher nie etwas mit Alice anfangen würde. Ihr Bruder Frank sah da schon etwas attraktiver aus, aber er war ja nun offensichtlich mit Dominique zusammen. Oh man, jetzt fing ich schon damit an, irgendwelchen Jungen hinterher zu starren! Was kam wohl als nächstes? Fing ich an, mich zu schminken und Frauenkleider zu tragen? Im nächsten Moment hätte ich mich schon wieder selbst ohrfeigen können. Wieso gab ich etwas über all die dummen Vorurteile gegen Schwule? Nur weil ich auf Männer stand, gab das doch nichts über meine Persönlichkeit oder meine Hobbys preis. Warum dachten alle gleich, dass Schwule total tuntig wären und man super mit ihnen shoppen könnte? Ich hasste Shoppen! "Hä? Hältst du jetzt etwa auch noch zu dieser Kampflesbe?", machte James mich blöd von der Seite an und gab mir einen Schubs. Schon wieder ein dummes Vorurteil, das sich auf die Sexualität bezog und mir das Herz schwer machte. Doch ich hatte keine große Lust auf noch eine Prügelei heute Abend, schon gar nicht mit James. Also hob ich beruhigend meine Hand und reagierte versöhnlich: "Komm runter! So war das gar nicht gemeint, aber du musst zugeben, dass du dich wie ein Arschloch verhalten hast." James entspannte sich merklich und ein selbstzufriedendes Grinsen erschien auf seinem Gesicht. "Nun ja", er versuchte vergeblich, bescheiden zu wirken, "Ich nehme das mal als Kompliment. Dankeschön!" Er deutete ironisch eine Verbeugung an, dann fuhr er sich arrogant durch das Haar. "Außerdem stehen Mädchen auf solche Typen! Das solltest du auch mal probieren." Ich erwiderte darauf nichts, aber er sprach sowieso gleich weiter: "Ich bekomme Alice schon noch rum, schließlich will ich doch meine Wette nicht verlieren." Mein Kopf zuckte augenblicklich nach oben. "Welche Wette?", hakte ich verwirrt nach und runzelte die Stirn. "Hm?", machte James in Gedanken versunken. "Ach so, das hast du ja gar nicht mitbekommen. Scamander, dieser Idiot, konnte es nicht ab, dass Gryffindor gewonnen hat und gnädig wie ich bin, gab ich ihm noch eine zweite Chance. Wer es in einer Woche schafft, mit den meisten Mädchen zu schlafen, gewinnt und geht als Sieger aus dem gesamten Wettstreit hervor!" Glücklich strahlte James mich an und breitete begeisterungsheißend die Arme aus. Entgeistert starrte ich ihn an, während meine Kinnlade herunter klappte und ich nach Luft schnappte: "Was?" Mein Kumpel zuckte mit den Schultern. "Cool, oder?", meinte er dreckig grinsend. "Nein, gar nicht cool!", entgegnete ich bissig. "Bist du völlig bescheuert?" James schien gar nicht zu verstehen, wo mein Problem lag, dass er und Lysander sich wegen einer dummen Wette durch halb Hogwarts vögeln wollten. Trotzdem traute ich mich nicht, meinem Freund ins Gesicht zu sagen, was ich wirklich dachte: Nämlich, dass Sex etwas besonderes war und die besondere Verbindung zwischen zwei sich liebenden Menschen kennzeichnete. All diese Ficks, wie James es nannte, waren doch bedeutungslos! Versteht mich nicht falsch, ich war nicht keusch oder so, und gegen Sex vor der Ehe hatte ich überhaupt nichts. Aber Sex war nicht nur das Austauschen von Speichel und anderen Körperflüssigkeiten, es war viel mehr. Auch wenn ich noch Jungfrau war und eigentlich kann nicht wusste, wovon ich da gerade redete, war ich sehr überzeugt, dass ich Recht hatte. Allerdings sah James sich bereits mit einem Funkeln in den Augen nach seiner nächsten Beute um, sodass ich das Gespräch nicht weiter vertiefen musste. Irgendetwas versetzte mir auch einen tiefen Stich ins Herz und ließ meine Knie weich werden. Verwundert stellte ich fest, dass mir der Gedanke, dass Lysander mit so vielen Mädchen wegen irgendeiner Wette schlafen wollte, großes Unbehagen bereitete. Ich fühlte mich sichtlich unwohl in meiner Haut, als plötzlich eine zarte Hand auf meine Schulter klopfte. Verwirrt wandte ich den Kopf und erblickte eine zitternde Roxanne. Hä? Das war doch sonst nicht ihre Art! Außerdem war meine kleine Schwester noch immer sauer auf mich und ehrlich gesagt schmerzte es mich noch immer wegen ihres Tritts. Mit irrer Miene sah sie unruhig hin und her, als ob sie nach jemandem Ausschau hielt. "Roxanne?", fragte ich neugierig. Erst jetzt bemerkte ich, wie sehr sie bebte und dass ihr T-Shirt zerrissen war. Warte mal. Nein. Nein, so dumm konnte er nicht sein. Und so blöd war sie nicht. Nein. Das würde sie niemals tun. Nie. Oder? "Was ist passiert? Was hat das Arschloch dir angetan?", knurrte ich und packte sie unsanft an den Schultern. Da fing sie hemmungslos an zu schluchzen und ich zuckte zurück, als hätte ich mich verbrannt. "Roxy, nein", murmelte ich. "Entschuldigung, das wollte ich nicht. Tut mir Leid, scheiße, ich bin so ein Idiot!" Ich raufte mir das lockige, dunkle Haar. Roxanne hörte gar nicht auf zu weinen und die Leute gafften schon. "Komm mit", flüsterte ich und zog sie mit einer vorsichtigen Bewegung mit um die Ecke, wo wir alleine waren und uns zusammen auf die Treppe hockten. Eine Weile sagte keiner was, man hörte nur mein wütend klopfendes Herz und ihre erstickten Schluchzer. Als die Stille unerträglich wurde und ich die Spannung nicht länger aushielt, gestand sie mir mit zitternder Stimme gerade heraus: "Lysander und ich haben miteinander geschlafen!" Angstvoll sah sie mich an, während die Tränen ihr schönes Gesicht herunter liefen. Ich kann den Hass und die Liebe, die ich in diesem Moment empfand, kaum in Worte fassen. Voller Zorn auf diesen Scamander konnte ich nicht glauben, was er meiner Schwester angetan hatte. Wegen einer beknackten Wette! Meine Hand begann wild zu beben und ich musste sie mehrmals zur Faust ballen, um mich zu beruhigen. "Wann? Wo?", mit geschlossenen Augen wartete ich ab. "Eben gerade", gab sie nach einem kurzen Zögern zu und die nächsten Worte konnte sie vor Scham kaum aussprechen: "Auf dem Schulklo . . ." Wütend sprang ich auf und brüllte wie ein Tier auf. In Roxannes Blick lag Erschrockenheit und Furcht. "Hat er dich-", wollte ich wissen, doch sie unterbrach mich schnell: "Nein. Nein, wirklich nicht. Ich wollte es auch. Also . . . Naja, vielleicht hat er mich etwas gedrängt. Es ging so schnell . . . Ich weiß auch nicht!" Sie schien so verzweifelt und zerbrochen, dass ich für den Moment nicht weiter nachfragte. "Eigentlich hatte ich das ja gewusst und mich gefreut, es endlich hinter mir zu haben", ergänzte sie und ließ den Kopf hängen. "Es hinter dir haben?", hakte ich entrüstet nach. Das klang ja gerade so, als ob es etwas Schlechtes wäre, was einem Unbehagen bereitete! "Ja", sagte sie mit Nachdruck. "Mir erschien es nie wie etwas besonderes, weißt du. Ich habe gar nicht verstanden, warum immer alle so einen Wirbel um das erste Mal machen. Ich wollte so bald wie möglich keine Jungfrau mehr sein, nur um es halt nicht mehr zu sein. Aus Prinzip. Verstehst du, was ich meine? Mein Limit war mein sechzehnter Geburtstag, bis dahin wollte ich mein erstes Mal gehabt haben . . . Scheiße, Fred, ich bereue das so! Ich fühle mich so schmutzig und so benutzt!", weinte sie. Ich schloss sie traurig in meine Arme. Es machte mich kaputt, dass sie so gedacht hatte. "Aber wieso denn?", ich verstand es einfach nicht. "Keine Ahnung. Ich konnte nicht begfreifen, warum alle so ehrfürchtig davon sprachen und wollte dem etwas entgegen setzen. Und ich wusste ja, dass es heute Abend geschehen würde. Ich bin ja nicht doof! Mir war klar, dass Lysander mit mir Sex haben würde, und ich habe mich auch darauf gefreut, aber dann war es ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe!", erzählte sie und gestikulierte mit den Händen. Ich löste mich von ihr: "Wie meinst du das?" Es schien ihr peinlich zu sein, aber ich ließ nicht von dem Thema ab, bis sie schließlich mit der Sprache rausrückte. "Naja, da war keine Liebe und kein Zartgefühl zwischen uns. Ich hatte das Gefühl, dass er es so schnell wie möglich beenden wollte und er es kaum genoss. Ich . . . Also . . . Es ging nur um seine Bedürfnisse! Fred . . . Ich . . . Er . . . Fred. Er hat mich zu Sachen gezwungen, die ich nicht wollte. Ich wollte nicht mehr, aber er hat weitergemacht!" Sie warf sich wieder in meine Arme und schrie auf vor Schmerz. Es lag so eine unbeschreibliche Qual und so viel Kummer in ihren Augen und in ihrer Stimme, dass es mich beinahe um den Verstand brachte. Mein Herz raste und mein ganzer Körper schien gleich vor Adrenalin zu explodieren, doch ich verhielt mich still und streichelte ihr beruhigend über den Rücken. Ihr Kinn ruhte auf meiner Schulter und meine Hand strich durch ihr schwarzes Haar. Roxanne würde doch immer meine kleine Schwester bleiben. Trotz ihrer coolen Art und ihrem Nasenpiercing war sie unglaublich verletzlich und nicht das taffe Mädchen, das sie vorgab zu sein. Niemand sah das in ihr, nur ich erkannte das Zerbrochene in ihrem Inneren und ihre schier unüberwindbare Unsicherheit. Aber darauf kam es an. Dass es irgendjemanden auf dieser Welt gab, der genau das entdeckte. Nachdenklich fragte ich mich, ob es eine Person gab, die mich tatsächlich zu kennen schien. Niemand wusste von meiner Homosexualität und meinen Ängsten. Verbittert stand ich auf. Zum Glück kamen in dieser Sekunde mein Cousin Albus und Scorpius Malfoy um die Ecke. Beide tuschelten ernst, offenbar waren sie gerade bei Rose im Krankenflügel gewesen und wollten nun zum Slytheringemeinschaftsraum. Auch wenn sie aus dem verfeindetem Haus stammten, so konnte ich ihnen doch vertrauen. "Hey!", rief ich laut, sodass sie zusammenzuckten. "Bringt ihr bitte Roxanne zum Gryffindorgemeinschaftsraum. Bitte. Das ist total wichtig und ich . . . Ich habe etwas anderes zu erledigen." Die beiden bedachten mich mit einem merkwürdigen Blick, stimmten aber bereitwillig zu und halfen der verweinten Roxanne hoch. "Passt auf sie auf, ja?", sagte ich zum Abschied, dann rannte ich mit großen Schritten in die Eingangshalle zurück. Wild schaute ich umher. Ein unzähmbarer Hass hatte Besitz von mir Besitz ergriffen und ich konnte an nichts anderes als an Lysander Scamander denken, der genau jetzt mit selbstzufriedendem Blick auf der anderen Seite die Halle betrat. Es standen nur noch wenige Grüppchen herum, aber jeder einzelne sah hoch, als ich wutentbrannt losstürmte und ihn schließlich mit meinem Ellenbogen gegen die Wand presste. "Du Pisser", presste ich mit zusammen gekniffenen Zähnen hervor. "Ach, du meinst wegen meinem kleinen Rendevous vorhin mit deiner Schwester auf der Toilette? Weiß gar nicht, was du hast. Ihr hat's doch gefallen!", er zuckte auf seine typische Weise provokant mit den Augenbrauen und fuhr sich über die Lippen. Obwohl seine Worte und die Vorstellung von ihm und Roxanne bei mir Übelkeit verursachten, so verspürte ich trotzdem einen Stich wie mit einer spitzen Nadel in mein Herz und ich war mir sicher, dass das nicht an Roxanne lag. Wieso musste er so ein Arschloch sein? Zur Antwort drückte ich ihn fester gegen die Wand. An seiner Stelle hätte ich etwas mehr Angst, im Gegensatz zu ihm war ich gemeinsam mit Frank Jahrgangsbester in Verteidigung gegen die dunklen Künste. Obwohl mein Zauberstab in meiner Tasche war, hatte ich viel größere Lust, ihm kräftig ins Gesicht zu schlagen. Lysander gab sich wie immer unbeeindrukt und beugte sich trotz meines Ellenbogens dichter zu mir heran. Sein Gesicht schwebte nur Zentimeter von meinem entfernt und sein Mund drückte sich schwer atmend an mein Ohr. "Eifersüchtig, Weasley?", fragte er mit rauer Stimme. Meine Knie drohten zu versagen und mein Griff lockerte sich ohne dass ich es beabsichtigte. Der Slytherin machte sich mit einer lockeren Bewegung von mir los und stieß mich weg. "Hab ich es doch gewusst", meinte er verächtlich und mit selbstgefälliger Miene. Er sprach so leise, dass es niemand außer uns beiden hören konnte und trotzdem laut genug, sodass jedes seiner Worte wie ein Schwert tief in mein Herz eindrangen: "Schwuchtel." Dann zupfte er wie nebenbei seinen Kragen zurecht und ging mit einem arrogantem Ausdruck in den Augen davon. Wie betäubt starrte ich ihm nach. Erst spielte ich mit dem Gedanken, ihm nach zu rennen und ihn ordentlich zu verprügeln. Aber wenn ich tief in mich hineinhorchte, dann wusste ich, dass ich das nicht konnte. Meine Wut war nicht stark genug, ihm Lysander Scamander zu schlagen. Ich war nicht dazu fähig, ihm weh zu tun. Doch ich war ebebfalls nicht in der Lage, ihn zu lieben oder wenigstens etwas wie echte Sympathie für ihn zu empfinden. Er hatte meine Schwester verletzt. Er hatte mich auf Schärfste beleidigt. So ging das nicht! All dessen war ich mir bewusst und trotzdem konnte ich nichts gegen das flatternde Herz in meiner Brust tun, während ich ihm mit hängenden Schultern nach sah.

Smells Like Teen SpiritWo Geschichten leben. Entdecke jetzt